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Wirtschaft: Im Osten fehlen 2,7 Millionen Arbeitsplätze

BONN (sks).Ein düsteres Bild von der wirtschaftlichen Entwicklung in Ostdeutschland zeichnet die SPD-nahe Friedrich-Ebert-Stiftung in einem Gutachten, das sie am Donnerstag in Bonn vorstellte.

BONN (sks).Ein düsteres Bild von der wirtschaftlichen Entwicklung in Ostdeutschland zeichnet die SPD-nahe Friedrich-Ebert-Stiftung in einem Gutachten, das sie am Donnerstag in Bonn vorstellte.Die Auftragsarbeit, gefertigt von der Wirtschaftsforschungsgesellschaft empirica, spricht von einem Manko in mehrfacher Hinsicht: In Ostdeutschland fehlten noch immer etwa 2,7 Millionen wettbewerbsfähige Arbeitsplätze.Über die heute zwei Millionen Arbeitslose, Pendler und ABM-Teilnehmer hinaus seien weitere 900 000 Arbeitsplätze unsicher.Einen selbsttragenden Aufschwung lasse die Wirtschaftsstruktur nicht zu.

Ein Grund dafür liegt nach den Worten der beiden Autoren Ulrich Pfeiffer und Harald Simons darin, daß die ostdeutsche industrielle Basis mit einer Industriedichte von 60 Prozent des westdeutschen Wertes viel zu schmal sei: Allein in der Industrie fehlten mehr als 800 000 Stellen.Daraus folgern Pfeiffer und Simons, daß Ostdeutschland sein Beschäftigungsproblem ohne den Aufbau einer wettbewerbsfähigen Industrie nicht lösen könne.Belastend komme weiter hinzu, daß insbesondere Staat und Industrie weiter Arbeitsplätze abbauen und die hochsubventionierten Kapazitäten im Baugewerbe nicht gehalten werden könnten.

Ursachen für die schleppende Wirtschaftsentwicklung sind dem Gutachten zufolge eine zu geringe Nachfrage nach Vorprodukten der vereinzelt existierenden "Produktinseln", die keine Zuliefererindustrien anzögen.Auch bleibe die "Fertigungstiefe" in den Regionen zu niedrig: Die Nachfrage nach unternehmensorientierten Dienstleistungen sei gering.So bedinge eines das andere, sagen Pfeiffer und Simons: Dadurch hätten sich Vertriebs-, Kooperations- und Forschungsnetze nur schwach entwickelt.Das Ergebnis seien die bekannten Standortnachteile.

Sehr skeptisch - nachgerade als "schädlich" - wird der Versuch beurteilt, die Lebensverhältnisse über die Tarifpolitik anzugleichen.Angesichts massiver Tendenzen zur untertariflichen Bezahlung der Arbeit seien Bemühungen, das gleiches Tariflohnniveau durchzusetzen, ohnehin "eine Fiktion".

Welche Instrumente also könnten helfen? Das Gutachten schlägt eine doppelte Schiene vor: So plädieren die Autoren einerseits für die Einführung einer "negativen Steuer für Existenzgründer": Weise also ein Existenzgründer einen steuerlichen Verlust aus, müsse er den Wert des Verlustvortrages für die Dauer von zwei Jahren ausbezahlt bekommen.Dies wäre nicht nur eine beträchtliche Liquiditätsspritze, sondern würde auch die Neutralität der Besteuerung wiederherstellen.Zudem beseitige die Negativsteuer die steuerliche Bevorzugung bestehender gegenüber jungen Unternehmen.

Als zweites Entwicklungserfordernis plädieren die Gutachter für die Förderung von Direktinvestitionen.Die Lohnangleichsstrategien an westdeutsches Niveau seien und blieben falsch, zumal im Osten die Lebenshaltungskosten um zehn Prozent unter denen im Westen lägen.Vielmehr sollten "die niedrigeren Löhne als aktives Vermarktungsinstrument eingesetzt werden".Gleichzeitig müsse die Ausbildungsplatzlücke, die sich bis zum Jahr 2004 auf 340 000 kumulieren könne, abgebaut werden.Sonst nämlich drohten Abwanderung und eine Überalterung der ostdeutschen Gesellschaft.

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