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Wirtschaft: Im Schaufenster der Region

Mit viel Einsatz mühen sich Berliner und Brandenburger um die Luft- und Raumfahrtausstellung in SchönefeldVON MARTINA OHMIn diesem Jahr sind die Veranstalter ganz aus dem Häuschen.Die Internationale Luft- und Raumfahrtausstellung (ILA), die nun seit der Heimkehr aus Hannover 1992 zum vierten Mal in Berlin-Schönefeld stattfindet, zählt inzwischen offenkundig zu den Etablierten der Branche.

Mit viel Einsatz mühen sich Berliner und Brandenburger um die Luft- und Raumfahrtausstellung in SchönefeldVON MARTINA OHMIn diesem Jahr sind die Veranstalter ganz aus dem Häuschen.Die Internationale Luft- und Raumfahrtausstellung (ILA), die nun seit der Heimkehr aus Hannover 1992 zum vierten Mal in Berlin-Schönefeld stattfindet, zählt inzwischen offenkundig zu den Etablierten der Branche.Vergessen sind die Unmutsbezeugungen der Brandenburgischen Landesregierung, der die Zurschaustellung eines Holzmodells des Jäger 90 so gar nicht ins Konzept passte, der laute Ärger aus der Bevölkerung gegen eine Wehrtechnikschau.Vergangenheit sind die massiven Proteste der Deutschen Aerospace (Dasa), die in turbulenten Zeiten und im umstrittenen Kampf um Bonner Subventionen in Schönefeld durch provozierende Abwesenheit glänzte.Die Strategen von Messe Berlin und BDLI - des Bundesverbandes der Deutschen Luft- und Raumfahrtindustrie - dürfen sich auf die Schulter klopfen.Allein, daß die "Spirit of Freedom", ein echter Rosinenbomber, nicht termingerecht zur ILA in Schönefeld, sondern bereits am vergangenen Dienstag in Tempelhof zum Auftakt der Feiern zur Luftbrücke eingeflog und US-Präsident Clinton die Luftfahrtschau um Haaresbreite verpaßte, kann die Verkäufer und Projektleiter diesmal ernsthaft noch ärgern.Der Durchbruch scheint gelungen."Wir haben die ILA gelernt," formuliert es Karl-Joachim Kierey, Geschäftsführer der Messe Berlin, der seit einem Jahr auch die ILA unter seine Fittiche genommen hat.Als Ex-Werbeleiter der CDU und langjähriger Staatssekretär in Berlin hat Kierey sein Engagement unter Beweis gestellt."Wer die Tour de France in Berlin organisieren konnte, schafft das auch mit der ILA," gibt er mit Augenzwinkern zu Protokoll.Dabei haben Kierey und sein Team noch im August, September gezittert.Erst seit Januar war dann sicher: Auch die Amerikaner können sich mit der internationlen Messe in der Hauptstadt inzwischen rundum anfreunden.Alles was in den Staaten von Rang und Namen ist, präsentiert sich.Selbst die Nasa, traditionell äußerst zurückhaltend, sowie Airbus-Kontrahent Boeing zeigen Flagge - und das nicht nur wegen des Jubiläums "50 Jahre Luftbrücke".Der Aufschwung, den die Branche zur Zeit erlebt, erklärt natürlich auch ein Stück weit das auffällig starke Interesse an der Gemeinschaftsschau in diesem Jahr.Rund 800 Aussteller - so viel wie noch nie - sind diesmal mit von der Partie; vor zwei Jahren waren es weit über 200 weniger.Der anhaltenden Auftragsboom von Airbus, dem einzigen übriggebliebenen Kontrahenten von Boeing/McDonnell Douglas, trägt mit dazu bei, daß man dem Standort der Daimler-Benz Aerospace AG (Dasa), deren Chef, Manfred Bischoff, seit Ende März oberster Kontrolleur von Airbus Industrie und als BDLI-Präsident obendrein Gastgeber der ILA ist, seine Aufwartung macht.Erfolg weckt Neugierde.Und schließlich besitzen die Deutschen neben British Aerospace und der spanischen Casa im Verbund mit Aerospatiale aus Frankreich ein besonderes Copyright für die 15 Jahre junge Erfolgsstory Airbus Industrie.Ungeachtet dessen haben sich die Veranstalter, das Team der Messe Berlin und des BDLI, wacker geschlagen.Dabei geht ihr Blick nicht nur in eine Himmelrichtung.In der ganzen Welt, erzählt Zoltán Iván, muß man zu Hause sein.Der 42jährige gilt als einer der Top-Akquisitoren der Messe, einer der bewährten Einkäufer.Der Ex-Journalist, in Tschechien aufgewachsen, später nach Ungarn und von dort 1985 nach Deutschland gekommen, arbeitet seit 1990 für die Messe Berlin.Sieben Sprachen spricht er fließend.Und: bei den 15 russischen Vorzeigefirmen geht Iván ein und aus.Die führenden Köpfe kennt er alle.Nur so kann es gelingen, daß selbst die russischen Hersteller Suchoj und MIG-MAPO trotz extremer Finanzschwierigkeiten dieses Jahr mit von der Partie sind.Aber auch die Brandenburger sind stolz, diesmal einen besonderen Fisch an Land gezogen zu haben.Zum Unabhängigkeitstag im letzen Juni war die Fregatte Brandenburg, ein milliardenschweres Schiff der Marine, nach New York aufgebrochen.Vor Ort gab Brandenburgs Wirtschaftsminister Burkhard Dreher mit einem Dutzend Unternehmern im Schlepptau ein Stelldichein.Der Unternehmertag gilt als gelungen: der renommierte US-Verlag McGraw-Hill, der auch als Kongreßveranstalter in Erscheinung tritt, gab seinen Zuschlag für eine Messe in der Messe.Zum ersten Mal kann die ILA mit einer vielversprechenden Wartungsschau aufwarten.Vor allem Brandenburg hofft, gehörig von der Messe zu profitieren.Die ILA, betont Dreher, ist dabei kein Solitär, sondern vielmehr Teil eines umfassenden Reindustrialisierungsprogramms.Zu den Schwerpunkten der neuen Wirtschaftsstruktur im Lande zählen neben Energietechnik oder Biotechnologie bekanntlich nicht zuletzt die Verkehrstechnik.Und das Konzept scheint aufzugehen.Als aktueller Beleg dafür, daß die Richtung stimmt, können die jüngsten Verlagerungspläne für das Gemeinschaftsunternehmen BMW Rolls Royce gelten, dessen Hauptverwaltung aus dem hessischen Oberursel ins brandenburgische Dahlewitz verlagert werden soll; dorthin, wo heute bereits die Hälfte der gesamten Belegschaft mit der Herstellung von Triebwerken beschäftigt ist.Von Adtranz in Hennigsdorf bis DWA in Vetschau, von MTU bis Aqua Butzke in Ludwigsfelde, von Pneumant in Fürstenwalde bis zu Condor und Britannia in Schönefeld - von der ersten Fliegerschule an, über den Potsdamer Luftschiffhafen bis hin zu Interflug in Schönefeld; Brandenburg, so zeigt sich, bleibt Otto Lilienthal treu.Das Aushängeschild für die Gesamtregion läßt man sich entsprechend einiges kosten.Allein mit den Eintrittsgeldern und Standmieten kommt die Veranstaltung jedenfalls nicht auf ihre Kosten.21,5 Mill.DM hat Brandenburg seit der ersten Luft- und Raumfahrtschau bezahlt - die zugesagte Verlustausfallgarantie für dieses Jahr in Höhe von 2,5 Mill.DM inbegriffen.Hinzu kommen noch 7,4 Millionen, die die Berliner für die ILA auf der Landesgrenze lockermachen.Und mit den Mitteln aus Bonn erreichen die Fördergelder summa summarum 33,7 Mill.DM.Während man im Einvernehmen mit den Berlinern an einem Strang zieht und sich auf ein Finanzierungsschlüssel von 40 Prozent zu 60 Prozent (im Verhältnis Berlin zu Brandenburg) verständigt hat, gelten die Sorgenfalten der Region vielmehr dem Bonner Part.Die Bundesregierung sieht sich nämlich nicht unbedingt dazu veranlaßt, weitere Mittel zur Finanzierung der ostdeutschen Flugschau locker zu machen.Mehr als einen Anschub und nun eine Million für die Sonderschau Luftbrücke gibt es nicht.Für die Jahrtausendwende sind keine Zuwendungen aus Bonner Töpfen vorgesehen (siehe Stichwort "Messeförderung").Ausgerechnet dann aber, könnte es für die ILA eng werden.Denn nicht nur in Singapur, Chile, Südafrika und Indonesien stehen internationale Luftfahrtmessen auf dem Programm.Auch im britischen Farnborough findet - diesmal nicht im September, sondern im Juli, also fast zeitgleich mit der Ausstellung in Berlin und Brandenburg - die traditionelle Luftfahrtschau der Briten statt.Hinter der offiziellen Sprachregelung, im Juli wäre die königliche Familie nicht in Urlaub, steht eine klare Herausforderung.Zwar unterscheiden sich Geschichte und Konzeption der vergleichsweise jungen britischen Schau klar von der traditionelleren deutschen Veranstaltung.Doch allein darauf zu vertrauen, den gewinnenden Konferenzteil weiter auszubauen, das Raumfahrtprogramm zu erweitern oder einfach nur auf eine stabile Branchenkonjunktur zu setzen, scheint den Strategen zu wenig.Ganz ohne Zutun der Bundesregierung, gibt sich Wirtschaftsminister Dreher überzeugt, wird "das Schaufenster der Region" kaum ausreichend attraktiv bleiben.Die Industrie - wen wundert es - sieht das genauso.

MARTINA OHM

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