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Wirtschaft: Im Telekom-Kampf sind die "Davids" die Helden

Mannesmann Arcors Ringen um Anteile gilt als Test für die deutschen MärkteVON MATT MARSHALLStefan Adam hat sich gut verschanzt in den Schützengräben einer der größten Schlachten der deutschen Unternehmensgeschichte.Wie ein banger Feldwebel hastet er durch die Räume im Rechenzentrum der Mannesmann Arcor AG.

Mannesmann Arcors Ringen um Anteile gilt als Test für die deutschen MärkteVON MATT MARSHALL

Stefan Adam hat sich gut verschanzt in den Schützengräben einer der größten Schlachten der deutschen Unternehmensgeschichte.Wie ein banger Feldwebel hastet er durch die Räume im Rechenzentrum der Mannesmann Arcor AG.Adam dirigiert ein Team von 14 jungen Technikern, die lange Stunden am Computer damit zubringen, sicherzustellen, daß das Vermittlungsnetz des aufstrebenden Telefonunternehmens ohne Störungen läuft.Adams hat Angst, daß seine Leute überlaufen könnten.Gute Netzingenieure sind derzeit schwer zu kriegen und Headhunter des Konkurrenten Telekom versuchen, seine Spezialisten wegzulocken.Doch bisher wilderte der Newcomer eher im Revier des früheren Monoplisten.Man sammle wertvolle Kompetenzen bei Angestellten, die von dem Ex-Monopolisten gefeuert wurden, so Adam. Schon knapp einen Monat nach der Liberalisierung des Telefonmarktes geht es zur Sache.Mannesmann Arcor bot dicke Rabatte auf Ferngespräche an, die Telekom konterte mit Gebühren für die Nutzung der Netze und Wechselgebühren.Die Telekom mache eine weitere Liberalisierung des Marktes unmöglich, klagen die Telekom-Rivalen, indem sie ein "kleines Vermögen" für die Nutzung der Ortsnetze verlange.Joeri Sels, Telekom-Analystin bei Julius Baer sagt einen harten Preiskampf voraus, der die Telekom zu bis zu 15prozentigen Preisnachlässen in den kommenden Monaten zwingen könnte.Ist dies der Kampf des Jahrhunderts? Schwerlich.Denn die Deutsche Telekom hat die meisten Vorteile im Rücken: Verbindungen in jede kleine Stadt, jahrzehntelangen Wettbewerbsschutz und hunderte Milliarden DM an Regierungsmitteln.Die "Davids" sind die Helden im Kampf gegen den "Goliat"-Monopolisten.Als erste kam die US-Telefongesellschaft MCI Communications Corp., die sich durch den amerikanischen Markt kämpfte und den mächtigen At&T-Konzern bersten lies.Und kürzlich baute World-Com aus dem Nichts ein Imperium auf.Die Liberalisierung der EU-Telefonmärkte, die im Januar begann, sollte in hausgemachten MCIs und World Coms enden.Aber wird sie es auch? Der Kampf von Mannesmann gegen Telekom ist ein wichtiger Test dafür, wie offen der deutsche Markt ist - und wie ernst es den Rivalen ist, ihn weiter aufzuknacken. Zu den Newcomern gehören Unternehmen wie die o.tel.o.GmbH, die vor allem auf Business-Kunden schielt, aber auch Anbieter wie Net-Cologne, die sowohl Orts- als auch Ferngespräche anbietet.Der größte Herausforderer der Telekom ist jedoch die Mannesmann Arcor.Das Unternehmen will bundesweit in allen Bereichen mit dem früheren Monopolisten rivalisieren.Das Unternehmen mache schnelle Fortschritte im Kampf um den 100 Mrd.DM schweren deutschen Telefonmarkt, so Sabine Schauer, Analystin bei der Commerzbank: Es ist am weitesten mit dem Aufbau eines eigenen Kabelnetzes.Mannesmann Arcor war erst vor einem Jahr entstanden, als sich die Mannesmann AG mit der Deutschen Bahn AG, AT&T, der AirTouch Communications und Unisource NV zusammentat um ein Kabelnetz auf den Leitungen der Bahn aufzubauen.Die Vorstände von Mannesmann Arcor sind aber keine Fremden im Wettbewerb.Die Mannesmann AG stieß bereits 1992 ins Telefongeschäft vor, als der Markt für Funktelefone freigegeben wurde.Im vergangenen Jahr hatte das D2-Netz die Telekom als größten landesweiten Anbieter von Mobilfunk überholt.Mit niedrigeren Gebühren und günstigen Geräten schnappte sich Mannesmann Arcor 40 Prozent des Mobilfunkmarktes.Seither hat Mannesmann starke Verbündete gewonnen - Vorstände aus der deutschen Wirtschaft, die dem ehemaligen Monopolisten nicht wohlgesonnen sind.Sie erinnern sich noch gut an die Zeit, als die Deutsche Telekom noch ein bürokratischer Apparat mit eher bescheidenem Service war.Seither wurde die Telekom radikal umgestaltet.In einer Kampagne nach der anderen bot es verschiedenen Bevölkerungsgruppen Spezialtarife an - von Studenten bis zu Familien.Doch die meisten kreiden der Telekom noch ihre alten Sünden an: langsamer Service, kurzangebundene Vermittler oder den schlimmsten Fall, die falschen Gebührenrechnungen, die 1996 Hunderttausende Kunden traf.Da ist es nicht verwunderlich, daß Analysten schätzen, Mannesmann Arcor und D2 könnten bis zum Jahr 2000 über 10 Prozent des deutschen Telefonmarktes gewinnen.Die größte Schwäche des Anbieters ist jedoch - wie bei den anderen Bewerbern - sein zu kleines Kabelnetz.Obwohl es über 40 000 Kilometer Kabel verfügt - und das ist weit mehr als die anderen Newcomer besitzen - sind die altmodischen Kupferleitungen langsam.Die Deutsche Telekom dagegen erreicht jede Stadt mit ihrem zwei Millionen Kilometer Kabel, 127 000 Kilometer davon sind hochleistungsfähige Glasfaserkabel.Allein seit 1990 investierte die Telekom 110 Mrd.DM in ihr Netz.Die Investitionen von Mannesmann Arcor belaufen sich auf eine Mrd.DM seit 1996.Das Unternehmen plant aber weitere vier Mrd.DM bis zum Jahr 2001.Bei dem Versuch, ein bundesweites Netz zusammenzubasteln, steht Mannesmann zwischen der Telekom und den ergeizigen Mitbewerbern.Kleinere Anbieter haben ihre Preise für Ferngespräche radikal zusammengestrichen, um die Mannesmann-Angebote zu unterbieten.Doch Mannesmann will auch bei den Ortsgesprächen mit der Telekom in Konkurrenz treten, wo es sehr viel teurer ist, auf das Netz des ehemaligen Monopolisten aufzuspringen.Denn die Regulierungsbehörde hat für die letzten Meter zwischen Straße und Wohnung keine Höchstgrenzen für Nutzungsgebühren gesetzt.Das macht es für neue Anbieter schwierig, auf dem Markt zu bestehen - selbst wenn dieser für den Wettbewerb offen ist.Bereits im März will Mannesmann Arcor aber eine neue Offensive starten, mit Telefonzellen, die EC-Kreditkarten annehmen, die 30 Millionen deutsche Konsumenten bereits in der Tasche haben.übersetzung aus dem Wall Street Journal von Friederike Storz.

MATT MARSHALL

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