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Wirtschaft: Im Teufelskreis des amerikanischen Dollars

Die US-Währung hat am Donnerstag einen weiteren Schlag eingesteckt, sie fiel zeitweise bis auf 1,5874 DM, den Tiefpunkt seit Januar 1997.Inmitten wachsender Erwartungen weiterer amerikanischer Zinssenkungen und Befürchtungen, daß ein Amtsenthebungverfahren gegen den Präsidenten eingeleitet wird, hat der Dollar allein in den vergangenen sechs Wochen zehn Prozent gegenüber der Mark und 17 Prozent gegenüber dem Yen verloren.

Die US-Währung hat am Donnerstag einen weiteren Schlag eingesteckt, sie fiel zeitweise bis auf 1,5874 DM, den Tiefpunkt seit Januar 1997.Inmitten wachsender Erwartungen weiterer amerikanischer Zinssenkungen und Befürchtungen, daß ein Amtsenthebungverfahren gegen den Präsidenten eingeleitet wird, hat der Dollar allein in den vergangenen sechs Wochen zehn Prozent gegenüber der Mark und 17 Prozent gegenüber dem Yen verloren.Obwohl der Dollar im späten New Yorker Handel wieder etwas stärker notierte - er stieg auf 1,6355 DM - warnen einige Händler, daß bei der Abwärtsbewegung des Dollars noch kein Boden in Sicht sei.

Sofern er weiter fällt, wird das ernsthafte Auswirkung auf Europas Erholung haben.Er wird die Wettbewerbsfähigkeit beschädigen und die Exporte einschränken.Seit Monaten ist ein geschwächter Dollar die einzige wirkliche Sorge, die an europäischen Volkswirten nagt.

"Das Risiko besteht darin, daß der Dollar weiterhin schwächer wird", sagt Thomas Mayer, Volkswirt bei Goldmann Sachs in Frankfurt.Das brächte eine ganze Reihe von Dominosteinen ins Wackeln, erklärte er.Wenn die Exporte schrumpften, sänken die Gewinne und die Investitionen."Das könnte den Motor stoppen, der Europa vorwärtsbewegt", sagte er mit Blick auf die elf Staaten der Europäischen Union, die am 1.Januar die Währungsunion gründen.

Die Angst vor einem amerikanischen Doppel-Schlag - ein schwächerer Dollar gekoppelt mit sinkender Nachfrage - hat die Preise für europäische Aktien jetzt kräftig nach unten gedrückt.Die Indices verloren in Frankfurt fünf Prozent, in Paris 4,4 und in London 2,7 Prozent.Die Börsen in den nördlichen Ländern wurden am schwersten getroffen, Helsinki verlor 8,2 Prozent.Der Dow Jones rutschte zwar im frühen New Yorker Handel ab, schloß aber nur 9,78 Punkte im Minus bei 7731,91.Die Auswirkung eines schwachen Dollars auf die europäischen Gewinne kann man kaum überschätzen."Es ist ein weiteres Signal, daß das Wachstum in Europa an Kraft verliert", sagt Giles Keating, Chef-Volkswirt bei der Credit Suisse First Boston in London."Es säht Zweifel über die Höhe der Unternehmensgewinne im nächsten Jahr."

Solche Zweifel haben die Volkswirte dazu bewegt, ihre Wachstumsprognosen nach unten zu korrigieren.Die Bankgesellschaft Berlin hat bespielsweise gerade erst die Wachstumsprognose für Deutschland auf 1,7 Prozent zurückgestuft und die für die elf Euro-Länder auf 2,2 Prozent reduziert."Der Dollar belastet Europa", sagt auch Volker Nitsch, Volkswirt bei der Bank.Bis zu einem bestimmten Punkt bringe jeder Fall des Dollars die Währung nur besser in Einklang mit den fundamentalen Daten.Die amerikanische Wirtschaft zeigt erste Anzeichen von Ermüdung, während sich Europa im Aufwärtstrend befindet.Außerdem hat das Fallen des Greenbacks nur wenig mit Europa zu tun, sondern zeigt, daß amerikanische Hedge-Fonds Dollar verkaufen, um ihre Yen-Geschäfte abzuwickeln.

Am Donnerstag hat die US-Notenbank in New York bei Finanzinstituten in ganz Amerika angerufen und sich nach den Dollar-Yen-Kursen erkundigt, berichten Devisenhändler.Innerhalb von zehn Minuten ist der Dollar auf 117,55 Yen hochgeschossen, verglichen mit den Tiefstand am Mittwoch.Wie üblich hat die Zentralbank eine Stellungnahme abgelehnt.Ein Händler einer großen amerikanischen Bank in London sagt, daß die Aktion Boden unter dem Dollar geschaffen habe.

Darüber hinaus scheinen die Zentralbanken wenig zu unternehmen, den Devisenmarkt zu beruhigen, den ein Händler mit einem ungezogenen Kind verglich.Alles in allem ist die Lage extrem volatil und gefährlich."Es ist nicht so sehr das Niveau, auf das die Währung gefallen ist, sondern die Geschwindigkeit des Absturzes", sagt Mayer von Goldmann Sachs."Das erhöht die Befürchtungen, daß eine Gegenbewegung ebenfalls zu stark ausschlagen könnte".

Vor zwei Monaten noch hätten solche Befürchtungen weit hergeholt gewirkt.Anfang August - bevor der Absturz der russischen Finanzmärkte Chaos in den Emerging Markets auslöste - haben Volkswirte routiniert abgewinkt, wenn jemand die Befürchtung äußerte, daß die Krise in Asien auch in Europa Verwüstung anrichten könnte.Die Perspektiven für Europa schienen solide.Die Inflation war eingedämmt, Unternehmen machten Gewinne, die Produktivität stieg.

Natürlich, sagten die Experten, würde das Debakel in Asien vor allem den Unternehmen schaden, die Öl förderten, Spirituosen brannten und Luxusgüter produzierten.Aber die Aussichten für Europa blieben so rosig, daß die Volkswirte einen 17prozentigen Anstieg der Gewinne voraussagten.Das einzige, was diese Aussicht verderben könnte, wäre ein schwacher Dollar und gemindertes Wachstum in den Vereinigten Staaten - beides sehr unwahrscheinlich.

Doch beides ist eingetreten.Zu den gefährdeten Geschäftszweigen, die einen großen Teil ihrer Produkte in Nordamerika verkaufen, gehört die pharmazeutische Industrie, die 34 Prozent ihres Umsatzes in den USA macht, sowie die chemische Industrie, die 24 Prozent des Umsatzes dort erzielt.

Weniger betroffen sind Auto- und Lebensmittelindustrie.Obwohl die Verkäufe in Nordamerika 11 Prozent des Gesamtumsatzes europäischer Autohersteller und 23 Prozent der Lebenmittelindustrie ausmachen, neigen beide dazu, ihre Produkte lokal herzustellen.Das milderte die Wirkungen von Währungsschwankungen.Es gibt nur eine größere Ausnahme: Die Daimler-Benz AG und die in Deutschland hergestellten Mercedes, die in den USA verkauft werden.

Es ist klar, daß die Aktien der Unternehmen, die am direktesten mit den USA verbunden sind, am stärksten sanken.Daimler-Benz fiel 4,5 Prozent auf 103,75 DM.Unter anderem verlor auch BASF, die Aktie fiel um 4,5 Prozent auf 57,01 DM, der Stahlhersteller Thyssen rutschte um 5,5 Prozent auf 243,80 DM.

Nicht alle europäischen Länder sind von Dollarschwankungen gleich stark betroffen.Am empfindlichsten reagiert die Schweiz, die 30 Prozent des Umsatzes mit den USA macht.Sensibel sind auch Großbritannien mit 21 Prozent, die Niederlande mit 18, Deutschland und Finnland mit jeweils 12 Prozent.

"Der Euro wird abfedernd wirken", sagt Mayer von Goldmann Sachs."In der Vergangenheit hat eine Schwäche des Dollars immer auch die europäischen Währungen belastet, aber diesmal sehen wir alle elf Euro-Länder sich in gleicher Weise gegen den Dollar bewegen." Die Euro-Zone wird sich mehr wie die amerikanische Wirschaft verhalten, argumentiert er.Nur zwischen 11 und 12 Prozent des Bruttoinlandproduktes der Staaten der Währungsunion wird dann noch durch Exporte erwirtschaftet, verglichen mit 25 Prozent in Deutschland.

Wenn der Staub, der durch den Aufruhr der Finanzmärkte aufgewirbelt wurde, sich wieder legt, könnte Europa die Rolle spielen, die bisher Amerika hatte, sagt Nitsch von der Bankgesellschaft Berlin: "Eine Lokomotive für die Weltwirtschaft sein".

DAGMAR AAL, SILVIA ASCARELLI

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