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Wirtschaft: Immer mehr Firmen kehren nach Deutschland zurück

"Wer die Wirtschaft stärker zur Kasse bittet, läuft Gefahr, daß die Arbeitslosigkeit in Deutschland wieder steigt", wies der Präsident des Deutschen Industrie- und Handelstages (DIHT), Hans Peter Stihl, die Forderung der IG Metall nach 6,5 Prozent mehr Lohn und Gehalt zurück.Wie andere Arbeitgeberfunktionäre auch, droht Stihl mit der Aufkündigung der Gespräche über ein Bündnis für Arbeit, wenn die Gewerkschaft ihre Forderung nicht zurücknehme.

"Wer die Wirtschaft stärker zur Kasse bittet, läuft Gefahr, daß die Arbeitslosigkeit in Deutschland wieder steigt", wies der Präsident des Deutschen Industrie- und Handelstages (DIHT), Hans Peter Stihl, die Forderung der IG Metall nach 6,5 Prozent mehr Lohn und Gehalt zurück.Wie andere Arbeitgeberfunktionäre auch, droht Stihl mit der Aufkündigung der Gespräche über ein Bündnis für Arbeit, wenn die Gewerkschaft ihre Forderung nicht zurücknehme.Die Tarifrunde mündet in eine neue Auseinandersetzung über den Standort Deutschland.

Der Unternehmer Stihl weiß indessen aus eigener Erfahrung, daß der vielgeschmähte heimische Standort besser ist als sein Ruf.Die Zeiten, da die deutschen Unternehmen scharenweise in die Billiglohnländer ausschwärmten, gehen zuende.Denn niedrige Löhne allein garantieren noch keinen wirtschaftlichen Erfolg.Mangelnde Termintreue, schwankende Lieferfähigkeit und schlechte Qualität der Produkte haben den Herstellern die Freude am Auslandsgeschäft vergällt.Die außerordentlich niedrigen Löhne werden durch die niedrige Arbeitsproduktivität und die damit verbundenen hohen Lohnstückkosten fast völlig kompensiert.Hinzu kommen Sprachprobleme und der Mangel an erfahrenem Führungspersonal in den Billiglohnländern.Ganz abgesehen davon, daß in einigen Ländern horrende Bestechungsgelder an korrupte Beamte und Spediteure anfallen.

Das Fraunhofer Institut für Systemtechnik und Innovationsforschung hat in einer Studie 1300 Betriebe befragt.Ein gutes Drittel von ihnen hatte vor drei Jahren mit dem Gedanken gespielt, Teile der Produktion ins Ausland zu verlagern.Nach zwei Jahren hatten jedoch nur 26 Prozent ihren Plan in die Tat umgesetzt.Vier Prozent holten ihre Produktion wieder nach Hause zurück.Auch bei ihnen hatte sich die Hoffnung auf Kosteneinsparungen als Illusion erwiesen.Die Befragten gaben an, die hohen Koordinationskosten bei der Verlagerung unterschätzt zu haben.Die großen Qualitätsmängel hätten zu einem Absatzrückgang geführt.Die Produktion im Inland lasse zudem höhere Preise zu, die von den Kunden unter dem Gütesiegel "made in Germany" auch akzeptiert würden.Von einer regelrechten "Rückverlagerungswelle" wollen die Wissenschaftler allerdings noch nicht sprechen.Aber deutliche "Brüche im Verlagerungstrend" seien unübersehbar.

Die Rückverlagerung der Produktion nach Hause oder die Entscheidung, ein neues Produkt statt im Ausland am heimischen Standort zu fertigen, hat die Belegschaften allerdings auch etwas gekostet.In betrieblichen Vereinbarungen mußten sich die Arbeitnehmervertretungen zum Verzicht auf freiwillige Sozialleistungen durchringen und flexible Arbeitszeitregelungen akzeptieren.Im Gegenzug verpflichteten sich die Arbeitgeber zu einer Reihe von Standortsicherungsmaßnahmen und schufen sogar neue Jobs.

Bei der Firma Andreas Stihl in Waiblingen haben Betriebsrat und Geschäftsführer Hans Peter Stihl vor knapp zwei Jahren eine "Vereinbarung zur Verbesserung der Wettbewerbsfähigkeit und Sicherung der Beschäftigung" unterzeichnet.In sieben Werken im Inland stellen knapp 2800 Mitarbeiter Motorsägen, Trennschleifer, Rasenmäher, Heckenscheren und Motorsensen her.Eine der Motorsensen wurde vor 1997 in Japan gebaut.Ein Ergebnis des Standortsicherungsvertrages war die Entscheidung, die neue Motorsense im Stammhaus Waiblingen zu produzieren.Die Entscheidung, wieder im Stammhaus zu fertigen, ist der Firma Stihl durch den Verzicht der Beschäftigten auf eine Reihe von außertariflichen Leistungen möglich geworden.Zusätzliche Vergünstigungen für Nachtschichtarbeit und Zuwendungen bei der Eheschließung wurden gestrichen.Das Weihnachtsgeld wurde auf der Basis der Tarife von 1994 eingefroren, die früher dynamisierten Sonderzahlungen für Betriebsjubilare wurden in Festbeträge umgewandelt.Außerdem führte das Unternehmen ein flexibles Arbeitszeitkonto ein, das mit 150 Stunden Mehrarbeit ohne Zuschläge überzogen werden kann.Der Abbau des Arbeitszeitkontos erfolgt unter Kontrolle des Betriebsrats.An bis zu sechs Sonnabenden im Jahr kann ohne Zuschläge gearbeitet werden, unter Umständen sogar mehr.Und die bezahlten Erholzeiten wurden pro Arbeitstag um 10 Minuten gekürzt.

Gesamtbetriebsratsvorsitzender Georg Weinmann ist trotz "einiger Kröten, die wir schlucken mußten", zufrieden."Wir haben ein Zeichen gesetzt, das angesichts der Rekordarbeitslosenzahlen in Deutschland auch außerhalb unserer Werkstore beachtet wird." Jahrelang haben er und seine Betriebsratskollegen mitansehen müssen, wie immer mehr Stihl-Produkte ins Ausland verlagert wurden.Dieser Trend sei mit der Betriebsvereinbarung gestoppt.Neben der bis Ende 1999 festgelegten Personalstandsgarantie hält Weinmann die Erhöhung des Angebots an Ausbildungsplätzen um 35 Prozent und die Übernahmegarantien für ausgelernte Azubis für besonders bedeutsam.

Der Unternehmer Hans Peter Stihl scheint an seinem betrieblichen Bündnis für Arbeit Gefallen zu finden: "Wir haben 1998 gemerkt, was wir an Europa haben.Wir haben hier stabile Institutionen, Wirtschaftsverfassungen und Währungen.Wir haben in Europa Auslandsmärkte, die relativ leicht zu bedienen sind und die nicht durch Finanzkrisen mit einhergehenden Währungsschwankungen wegbrechen können", schrieb unlängst der Unternehmer Stihl.Der Verbandsfunktionär Stihl hingegen setzt in der aktuellen Tarifrunde wieder eher aufs Plakative und geißelt die "Verantwortungslosigkeit" der IG Metall.

HEINZ SIEBOLD

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