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Wirtschaft: Immer weniger Garantiezins

Folgt die Regierung dem Vorschlag der Mathematiker, werden Lebensversicherungen immer unattraktiver.

Berlin - Ab Anfang 2015 könnten Lebensversicherungen zum Beispiel zur Altersvorsorge deutlich weniger attraktiv werden. Die Deutsche Aktuarvereinigung (DAV), ein Zusammenschluss von Versicherungsmathematikern, empfiehlt der Bundesregierung, den Garantiezins für Lebensversicherungen zum Jahreswechsel von 1,75 auf 1,25 Prozent zu senken. Für Sparer würde das bedeuten, dass die Versicherungsgesellschaften ihnen bei neuen Verträgen keinen höheren Zins anbieten dürften.

Eine Sprecherin des Bundesfinanzministeriums bestätigte am Mittwoch den Eingang eines entsprechenden Berichts auf Arbeitsebene, ohne genauere Angaben dazu zu machen. Es werde einige Zeit in Anspruch zu nehmen, den Vorschlag der Versicherungsmathematiker zu prüfen. „Es liegt in unserem eigenen Ermessen, ob wir diesem Vorschlag folgen.“ In der Vergangenheit war das Ministerium den Empfehlungen meist gefolgt. Zuletzt war der Garantiezins, offiziell Höchstrechnungszins, 2012 gesenkt worden. Er ist die maximale Verzinsung, die die Lebensversicherer ihren Kunden für die ganze Laufzeit des Vertrages versprechen dürfen. Für alle vor dem Jahr 2000 abgeschlossenen Policen liegt er noch bei 4,0 Prozent, was die Branche heute deutlich belastet.

Vor allem die kleinen Versicherer drängten im Vorfeld auf eine Senkung des Garantiezinses. Langlaufende Bundesanleihen, für viele Lebensversicherer wichtigster Bestandteil der Kapitalanlagen, werfen nur noch 1,4 Prozent ab. Dabei muss die Branche auch noch die hohen Garantien erwirtschaften, die sie ihren Kunden in guten Zeiten versprochen hat. Im Schnitt liegt der Garantiezins in den Beständen der Lebensversicherer immer noch bei 3,15 Prozent – so viel können manche an neuere Kunden nicht einmal mehr als Überschussbeteiligung zahlen. „Die großen Gesellschaften können den bisherigen Zinssatz hingegen problemlos erwirtschaften“, sagte Axel Kleinlein, Vorsitzender des Bundes der Versicherten, dem Tagesspiegel. „Wir sehen zum jetzigen Zeitpunkt keine Notwendigkeit zur Senkung des Garantiezinses.“ In der Tat zeigt sich die Branche gespalten. Große Versicherer wie Allianz Leben, die auf hohen Reserven sitzen, hatten sich für eine Beibehaltung der 1,75 Prozent ausgesprochen.

Die Versicherungswirtschaft äußerte sich wenig begeistert von der Empfehlung der DAV, deren Vorstand hochrangige Manager der wichtigsten deutschen Versicherer angehören. Den Garantiezins bereits zum kommenden Jahr um 0,5 Prozentpunkte zu reduzieren wäre „ übereilt“, teilte der Branchenverband GDV in Berlin mit. Augenblicklich sei nicht ausgeschlossen, dass die US-Notenbank Fed ihre lockere Geldpolitik in absehbarer Zeit straffe. Das würde den weltweiten Trend zu Niedrigzinsen stoppen. Die nun veröffentlichte Empfehlung der Mathematiker sei ein „Signal, was Verbraucher verunsichern könnte“, sagte Verbandssprecherin Simone Schuchert. Der Anreiz, zusätzlich vorzusorgen, könne deutlich gemindert werden. „Das kann aus sozialpolitischen Gesichtspunkten nicht gewünscht sein“, verweist der Verband mit Blick auf die Bemühungen des Staates, eine private Altersvorsorge als zusätzliches Standbein neben der gesetzlichen Rente aufzubauen.

Die Verzinsung einer klassischen deutschen Lebensversicherung besteht vor allem aus dem Garantiezins und der Überschussbeteiligung, die in den letzten Jahren ebenfalls gesunken ist. Hinzu kommt der Schlussüberschuss und die Beteiligung an den Bewertungsreserven, die der Versicherer bei Beendigung der Verträge auszahlt. Für Verbraucherschützer steckt hinter der Empfehlung der Experten den Garantiezins zu senken aber nicht nur reine Mathematik. Sie vermuten auch ein Stück Kalkül hinter dem Vorschlag. BdV-Vorsitzender Kleinlein: „Der eigentliche Hintergrund ist: Viele Versicherungen wollen weg von den klassischen Tarifen und dem Kunden damit immer weniger Garantien anbieten.“

Die Versicherer erklären ihre neuen Modelle, die statt Zinsgarantien beispielsweise Beitragsgarantien enthalten, mit dem veränderten Markt. „Wir haben bereits im Juli 2013 neue Produkte eingeführt, deren dynamisches Anlagekonzept unseren Kunden in allen Zinsphasen größere Renditechancen bietet als konventionelle Lebensversicherungen“, erläuterte Ergo-Sprecher Robert Hirmer. Wer eine klassische Lebensversicherung wolle, bekomme sie aber nach wie vor. mit rtr

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