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Immobilien: Deutschland liegt in Dubai

Der Immobilienmarkt in Dubai lebt. Ein Österreicher plant Ferienvillen in großem Stil – auf einer Insel, die Deutschland heißt.

Deutschland ist ganz, ganz leer. Kein Grashalm wächst und kein Baum. Kein Mensch, kein Tier hält sich hier auf. Es gibt keine Autos, keine Eisenbahnen, keine Häuser. Die Sonne scheint auf Deutschland. Es sind 28 Grad mitten im Winter. Deutschland ist eine Insel, ja eher eine Sandbank mitten im blauen Meer, 300 Meter lang und 120 Meter breit. Eine von 254 künstlichen Inseln des Projekts „The World“, aufgeschüttet in Form einer Weltkarte über die vergangenen vier Jahre vor der Küste Dubais.

Ein Boot tuckert heran, Menschen kommen an Land. Es sind Fotografen, Kameraleute, Reporter. Viele tragen Flipflop-Sandalen mit einer kleinen Deutschlandfahne darauf. Josef Kleindienst hat sie ihnen an Land geben lassen, er hat die Journalisten heute nach Deutschland eingeladen. Er ist Österreicher und hat Deutschland gekauft. Und die Niederlande. Und die Schweiz. Und Schweden. Und Österreich und das anliegende St. Petersburg. Heute gibt er seine Pläne bekannt: „Hier“, sagt er und zeigt auf den Muschelkalksand unter seinen Sohlen, „hier werden die Sylt-Villas gebaut.“

Er kneift die Augen zusammen, blinzelt in die Sonne und zeigt auf die Nachbarinsel, genauso klein und öde: „Dort sind die Niederlande, das wird die Partyinsel mit Bars und Discos.“ Er schwenkt den ausgestreckten Arm weiter: „Auf Österreich wird das Sissi-Hotel entstehen. Weitere Villen in St. Petersburg, zwischen Schweden und der Schweiz bauen wir das schwimmende Deutschland-Hotel. Schweden ist die größte Insel, dort kommen mehrere Hotels, Appartementhäuser und Restaurants hin. ,Herz von Europa’“ haben wir das ganze Projekt getauft.“

Ist der Mann irre im Kopf? Vier Kilometer von hier, auf festem Wüstengrund in Dubai, sind die Immobilienpreise um 50 Prozent gepurzelt, Zigtausende haben ihre Arbeit verloren, Hotels haben die Preise gesenkt, um überhaupt noch ein Weihnachtsgeschäft zu realisieren. „Bei allem Respekt“, fragt der Reporter der „Financial Times“ aus London, „glauben Sie im Ernst, dass Sie hierfür Käufer finden?“

Aber Kleindienst macht keinen irren Eindruck, eher einen ruhigen, bedachten. Lächelnd, mit Wiener Akzent erklärt er: „Wir zielen mit unserem Projekt auf Europäer, die auf der Suche nach exklusiven Ferienhäusern sind. Alleine in Florida haben sich 200 000 Deutsche Häuser und Wohnungen gekauft, aber hier sind sie drei Flugstunden schneller und haben einen viel kleineren Zeitunterschied – und 365 Tage Sonne im Jahr.“

In hundert Metern Abstand zu Deutschland kreuzt ein weiteres Boot, auf dem Rumpf prangt das Logo der staatlichen Immobilien-Gesellschaft Nakheel. Es ist die Firma, die Hauptverursacher der Milliardenschulden von Dubai ist, und sie gehört zu Dubai World, der Holding, die gerade weltweit die Börsen hat abstürzen lassen. „The World“ ist nur eine von vier künstlichen Inselgruppen im Persischen Golf vor Dubai – bisher ist die weltberühmte „Palme“ tatsächlich bewohnt. Allein das Aufschütten der Inseln hat Nakheel Milliarden gekostet, Milliarden, die auf Pump beschafft wurden. An Bord des Nakheel-Bootes stehen drei Männer mit Anzügen und winken zu Kleindienst herüber, der gerade von einem Kamerateam des arabischen Nachrichtensenders Al Jazeera befragt wird. Das Boot kreuzt immer um Deutschland herum, die Männer kommen nicht an Land. Es ist, als trauten sie dem Frieden noch nicht und wollten lieber aus der Ferne zuschauen, wie der Österreicher sich so macht. Könnte es denn wirklich sein, dass er dort gerade die erste gute Nachricht seit langem für Dubai produziert? Dass er die Schwalbe ist, die für den nächsten wirtschaftlichen Sommer steht? Dass er tatsächlich Käufer findet für sein Deutschland und die Nachbarländer?

Kleindienst hat keine Zweifel. „Wir haben schon drei Sylt-Villen verkauft. Zwei Hamburger und ein Schwede haben zugeschlagen“, sagt er und findet es witzig, dass einer der Hamburger Kunden auch ein Haus auf dem echten Sylt hat. „In ein paar Wochen wird Deutschland ausverkauft sein, da bin ich sicher.“ Die Preise für die Villen liegen zwischen einer dreiviertel und 2,5 Millionen Euro. Die neuen Besitzer können das Design mitgestalten. Jede Villa wird mit Solarstrom versorgt. „Die produzieren mehr Energie, als sie brauchen“, sagt Kleindienst und freut sich wie ein Kind darüber. „Das speisen wir dann in das Netz ein. Wir arbeiten eng mit dem Fraunhofer-Institut zusammen, damit das Herz von Europa umweltschonend gebaut und betrieben wird.“ Die erste Sylt-Villa soll in 15 Monaten fertig sein.

Sieben Jahre lang hat Kleindienst in Dubai und der umliegenden Region schon Immobiliengeschäfte gemacht, viel Geld mit Villen, Bürohäusern und Hotels verdient. „Dubai bleibt einer der begehrtesten Orte der Welt. Und es gibt ja sonst keine Ferienhäuser hier – der Bedarf ist so groß.“ 600 Millionen Euro bräuchte er umgerechnet, um sein Europa im Persischen Golf zu entwickeln, 180 Millionen davon stecke er aus eigener Tasche rein, sagt er. „Die letzte Rate für diese Insel habe ich vorige Woche an Nakheel überwiesen.“ Er greift nach einer Deutschlandfahne und steckt sie spielerisch in den Sand. „Ich bin jetzt der stolze Besitzer von Deutschland!“

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