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Objekt der Begierde. Hauskredite sind billig, auf dem Konto bringt das Ersparte derzeit so gut wie nichts. Vielen erscheinen daher ein eigenes Haus oder eine Eigentumswohnung als attraktive Alternative. Doch Experten warnen: Wer gar kein Eigenkapital hat, sollte die Finger davon lassen.

© picture alliance / dpa

Immobilien: Kaufen um jeden Preis

Euro-Krise, Zinstief, Altersvorsorge: Immer mehr Menschen kaufen Immobilien. Auch wenn sie sich das gar nicht leisten können.

Aus Angst vor der Euro-Krise und gelockt vom billigen Baugeld flüchten immer mehr Anleger in Immobilien. Vor allem in Ballungszentren wie Berlin ziehen die Preise an. Doch Verbraucherschützer warnen: „Immer mehr Menschen wollen jetzt Immobilien kaufen, die sich das gar nicht leisten können“, sagte Niels Nauhauser, Baufinanzierungsexperte der Verbraucherzentrale Baden- Württemberg, dem Tagesspiegel. „Auch die, die gar kein Eigenkapital haben, interessieren sich jetzt für Häuser oder Wohnungen“, weiß Nauhauser.

Auch Peer Steinbrück, Kanzlerkandidat der SPD, sieht diese Entwicklung mit Sorge. Steinbrück hat Angst, dass auch in Deutschland bald amerikanische Verhältnisse herrschen könnten. Das Schreckensszenario: Häuslebauer oder -käufer finanzieren die eigenen vier Wände auf Pump und können dann die Kredite nicht mehr bedienen. In den USA hatte sich die Hypothekenkrise zur Finanzkrise ausgeweitet. Daher will Steinbrück frühzeitig per Gesetz gegensteuern: Für die Beleihung von Immobilien soll europaweit eine Obergrenze von 80 Prozent gelten, und in Boomphasen dürfe ein Käufer sogar nur 60 Prozent des Kaufpreises finanzieren dürfen, fordert der Finanzpolitiker.

Die Banken halten das für unnötig. „Immobilien werden im Schnitt zu 72 Prozent beliehen“, betont Helga Bender vom Verband deutscher Pfandbriefbanken. Eine 100-prozentige Kreditfinanzierung sei die absolute Ausnahme und würde von den Banken nur zugelassen, wenn der Kunde dafür andere Sicherheiten verpfände. „Die Banken vergeben Kredite nicht einfach so“, beteuert Bender, „die Institute sind vorsichtig.“

Verbraucherschützer bezweifeln das. „Viele Menschen übernehmen sich“, warnt Niels Nauhauser. Gelockt werden sie von den niedrigen Zinsen. Hypothekenkredite gibt es derzeit schon für 2,85 Prozent, wenn man sich für zehn Jahre bindet. Wer den Zins für 15 Jahre festschreiben will, muss rund 3,3 Prozent zahlen. Das billige Geld heizt den Immobilienmarkt an und sorgt für haarsträubende Transaktionen. „Die Leute kaufen inzwischen sogar Immobilien, die sie nie gesehen haben“, berichtet Christian Kraus von Interhyp. Die Firma bietet einen Überblick über Baukredite und vermittelt die Darlehen auch. „Das Interesse der Anleger ist riesengroß“, sagt Kraus. Allerdings gingen viele Interessenten leer aus, weil das Angebot nicht ausreiche, um die Nachfrage zu decken.

Konsequenz: Die Preise steigen, vor allem in den Großstädten. Innerhalb von acht Jahren kletterten sie in Berlin um 39 Prozent, stellte das Institut der deutschen Wirtschaft kürzlich fest. Dennoch glauben die Forscher nicht, dass Deutschland auf eine Immobilienblase zusteuert. Ein Indiz sei der Kreditmarkt: Die Darlehensvergabe steige kaum, sagt das IW.

"Der kurzfristige Vertriebserfolg steht im Vordergrund"

Die Berliner Sparkasse hat andere Erfahrungen. „Wir haben eine starke Nachfrage nach Immobilienkrediten“, berichtet Heinz Helmut Müller, Direktor im Fachbereich private Kunden. Viele Kunden hätten allerdings keine Vorstellungen davon, welche Belastungen auf sie zukommen.

Denn mit dem Kaufpreis allein ist es nicht getan. Hinzu kommen in Berlin Maklercourtage (7,14 Prozent), Grunderwerbsteuer (5 Prozent) und weitere 1,75 Prozent für die Beurkundung des Kaufvertrags, die Eintragung der Grundschuld und den Vollzug im Grundbuch. 14 Prozent für die Nebenkosten müsse man daher von vorneherein auf den Kaufpreis aufschlagen, Renovierungen und mögliche Instandsetzungskosten gar nicht eingerechnet. 25 Prozent Eigenkapital sollten Kunden daher schon mitbringen, meint Müller. Viele haben das nicht und sind auch nicht bereit, höhere Zinsen als Ausgleich für das höhere Risiko zu akzeptieren. „Ein Drittel der Anfragen müssen wir deshalb leider ablehnen“, berichtet der Sparkassen-Manager. Eine gesetzliche Grenze brauche man aber nicht, meint Müller. „Wir haben es mit mündigen Bürgern zu tun“, meint er, „der Berater hilft bei der Entscheidung.“

Das sehen Verbraucherschützer ganz anders. Die Banken würden auch solchen Kunden Kredite geben, für die eine eigene Immobilie nichts ist. Knapp 400 Finanzierungsangebote hat die Verbraucherzentrale Baden-Württemberg im vergangenen Jahr überprüft, die ihr von Verbrauchern vorgelegt worden waren. Ergebnis: 71 Prozent passten nicht zum Bedarf der Kunden. „Der kurzfristige Vertriebserfolg steht im Vordergrund“, kritisiert Nauhauser. Konsequenz: Die Kredite würden immer schlechter. „Jetzt wird die Saat dafür gesät, dass wir später Probleme bekommen werden“, prophezeit Nauhauser. Er fordert ein Provisionsverbot für Banken, eine Aufsicht über die Berater und die Pflicht, Beratungsprotokolle anzufertigen. Denn all das gibt es für die Baufinanzierung bislang nicht.

Auch Heike Nicodemus von der Stiftung Warentest warnt davor, ohne eigenes Geld eine Immobilie zu bauen oder zu kaufen. „Nie ohne Eigenkapital“, sagt sie, es sei denn, man habe einen todsicheren, gut bezahlten Job. Neben der Gefahr, sich zu übernehmen, sei das auch eine Kostenfrage: „Je mehr Eigenkapital man hat, desto niedriger sind die Kreditzinsen“, weiß die Verbraucherschützerin.

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