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Besonders heruntergekommene Wohnblöcke eignen sich für die Spekulation wie der Schillerkiez in Neukölln.

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Immobilien-Spekulanten: Heuschrecken-Steuer auch für Berlin?

Um die Spekulation mit Wohnungen zu bekämpfen will Bremen die Grunderwerbsteuer für Spekulanten drastisch erhöhen. Nun denkt auch die Opposition in Berlin über eine neue Regelung der Grunderwerbsteuer nach.

Von Ulrich Zawatka-Gerlach

Noch steht Bremen mit seiner Idee, den Kauf von Wohnungen im großen Stil mit einer „Heuschrecken-Steuer“ zu belegen, alleine da. Aber es könnte sein, dass nach der Abgeordnetenhauswahl 2016 auch in Berlin darüber nachgedacht wird. Denn Grüne und Linke in der Hauptstadt unterstützen die Bremer Initiative für eine drastisch erhöhte Grunderwerbsteuer von bis zu 19 Prozent, wenn Objekte mit mehr als 50 Wohnungen erworben werden. Beide Parteien sind in Berlin in der Opposition, gelten aber als potenzielle Regierungspartner, sollten die Sozialdemokraten die Wahl wieder gewinnen.

Rot-grüner Koalitionsvertrag: "Wohnungen sind kein Spekulationsobjekt"

Es geht um zwei Sätze, die im neuen Koalitionsvertrag der rot-grünen Koalition in Bremen stehen: „Wohnungen sind kein Spekulationsobjekt. Bremen wird prüfen, eine Heuschreckensteuer einzuführen, um den Grunderwerb durch Immobilienheuschrecken stark zu beschneiden.“ Der Prüfauftrag soll bis Ende 2015 abgearbeitet werden. Dabei müssen, wie es aussieht, hohe rechtliche Hürden überwunden werden. Trotzdem erwägen die Berliner Grünen schon jetzt, das Bremer Modell in ihr Wahlprogramm für das nächste Jahr zu übernehmen.
„Große Investoren, beispielsweise die Deutsche Wohnen und die Deutsche Annington, kaufen mit hohen Renditeerwartungen massiv Immobilien auf, auch in Berlin“, sagt die Mietenexpertin der Grünen, Martina Schmidberger. Die städtischen Wohnungsbaugesellschaften und Genossenschaften seien diesem Wettbewerb nicht gewachsen, wenn es um den Erwerb von Bestandswohnungen gehe. Die öffentliche Hand müsse deshalb die Möglichkeit haben, „die Gemeinwohlorientierung zu bevorteilen“. Mit einem Splitting der Grunderwerbsteuer. Die Heuschreckensteuer sei zwar kein Patentrezept, aber ein wichtiger Baustein für eine Wohnungs- und Mietenpolitik, die an der Gemeinnützigkeit orientiert sei, sagt Schmidberger.

"Prinzipiell sinnvoll"? Oder nicht weitreichend genug?

Die stadtentwicklungspolitische Sprecherin der Linken, Ex-Senatorin Katrin Lompscher, nennt die Bremer Initiative „prinzipiell sinnvoll“. Denn auch in Berlin würden „große Wohnungspakete von Finanzmarktakteuren gekauft“. Lompscher hat übrigens noch einen ergänzenden Vorschlag: Es sollte zusätzlich ein ermäßigter Steuersatz eingeführt werden – für normal verdienende Häuslebauer, die ihr Eigenheim selber nutzen. Für diese Idee wird die Linken-Politikerin von ganz anderer Seite unterstützt. Der Vorsitzende des Immobilienverbandes Berlin-Brandenburg, Dirk Wohltorf, fordert sogar, „Selbstnutzer beim Ersterwerb einer Immobilie von der Grunderwerbsteuer zu befreien“.

Die Berliner Sozialdemokraten kommentieren die Pläne ihrer Genossen in Bremen bisher nicht, obwohl sie sonst schnell bei der Hand sind, privates Vermögen mit hohen Steuern zu belegen. Immerhin hat der SPD-Landeschef Jan Stöß, zurzeit noch in Urlaub auf Mallorca, eine Mitteilung des Alternativen Mieter- und Verbraucherschutzbundes in Berlin-Brandenburg auf seine Facebook-Seite verlinkt. Darin fordert der Verband, auch in Berlin über eine Heuschreckensteuer nachzudenken.

Spekulationsobjekt: Großsiedlung Heerstraße in Spandau

„Viele Großsiedlungen sind in keinem guten Zustand und bieten sich als Spekulationsobjekte für Heuschrecken an, denen es ausschließlich um Gewinnabschöpfung geht“, kritisiert der Vorsitzende des Vereins, Rechtsanwalt Uwe Piper. Als Beispiel nennt er die Großsiedlung Heerstraße in Spandau, ehemals im Eigentum des landeseigenen Wohnungsunternehmens GSW, das 2004 privatisiert wurde und 18 Monate später von der Deutschen Wohnen übernommen wurde. Wenig später seien die 2800 Wohneinheiten an die ADO Immobilienmanagement GmbH verkauft worden. Eine große Berliner Wohnsiedlung wurde zum Spekulationsobjekt.

Finanzsenator Kollatz-Ahnen: Bremen ist anders als Berlin

Finanzsenator Matthias Kollatz-Ahnen (SPD) ist trotzdem skeptisch, wenn er nach dem Sinn einer Heuschreckensteuer befragt wird. Er verweist auf die vorhandenen wohn- und mietenpolitischen Instrumente. Der Berliner Senat tue jetzt schon viel, um die Mieter vor Spekulation, missbräuchlichen Nutzungen und Verdrängung zu schützen, sagt der Senator. Auch alle bundesgesetzlichen Regelungen des Mieterschutzes würden in Berlin umgesetzt. In Bremen sieht Kollatz-Ahnen eher ein Spezialproblem. Dort gehe es um bestimmte große Wohnanlagen, „die spekulativ erworben und dann verfallen gelassen werden“. Tatsächlich gab in Bremen der Kauf von 600 Wohnungen in der Großsiedlung „Grohner Düne“ durch den Immobilienkonzern < den Anstoß für die Heuschreckensteuer. Die städtische Wohnungsgesellschaft Gewoba, die ebenfalls kaufen wollte, konnte beim Bieten nicht mithalten. Eine Grunderwerbsteuer von 19 Prozent (statt der in Bremen geltenden 5 Prozent), so argumentieren SPD und Grüne, hätten das Geschäft für den privaten Investor unattraktiv gemacht. Um öffentlichen Wohnungsunternehmen bessere Chancen beim Kauf von Wohnimmobilien zu geben, wird in Bremen erwogen, die städtischen Gesellschaften von dem geplanten hohen Steuersatz für Paketkäufe zu befreien.

Juristische Tauglichkeit ist unsicher

Besonders heruntergekommene Wohnblöcke eignen sich für die Spekulation wie der Schillerkiez in Neukölln.
Besonders heruntergekommene Wohnblöcke eignen sich für die Spekulation wie der Schillerkiez in Neukölln.

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Ob eine solche Ausnahmeregelung dem EU-Wettbewerbsrecht entspricht, ist allerdings strittig. Der Bremer Senat muss außerdem prüfen, ob ein Splitting der Grunderwerbsteuer bundesrechtlich erlaubt ist. Einiges spricht dafür, denn seit der Föderalismusreform 2006 dürfen die Länder den Steuersatz selbst festlegen, der vorher mit 3,5 Prozentpunkten bundesweit vorgeschrieben war. Andererseits sieht das Grunderwerbsteuer-Gesetz des Bundes ein Steuersplitting nicht ausdrücklich vor. Nur Bayern und Sachsen geben sich übrigens mit dem ehemals bundesweit gültigen Satz von 3,5 Prozent noch zufrieden, in fast allen Ländern liegt die Grunderwerbsteuer inzwischen bei 5 bis 6,5 Prozent. In Berlin sind es 6 Prozent, seit Anfang 2014. Damit nahm die Hauptstadt im vergangenen Jahr 796 Millionen Euro ein. Mit weiterhin steigender Tendenz. Im ersten Halbjahr 2015 flossen schon 473 Millionen Euro in die Landeskasse. Das Nachbarland Brandenburg hat auch entdeckt, dass die Grunderwerbsteuer eine gute Einnahmequelle ist und erhöhte den Steuersatz zum 1. Juli sogar auf 6,5 Prozent.

Heuschreckensteuer bereits vor der Verabschiedung veraltet?

Wer die Heuschreckensteuer einführen will, muss noch etwas bedenken. Die Käufer großer Immobilien-Portfoliots umgehen jetzt schon häufig die normale Grunderwerbsteuer, indem sie nicht Wohnungen, sondern Unternehmensanteile erwerben. Wer solche Share Deals verhindern will, muss wohl eine Bundesratsinitiative starten. Eine landesrechtliche Regelung erscheint schwierig. Ohne breite Unterstützung durch andere Bundesländer wird Bremen mit seiner Idee möglicherweise nicht weit kommen.

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