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Immobilien: Am Anfang war Szene - dann kam Kaufraft in den Kiez

Im Jahre 1859 erteilte der Polizeipräsident der Stadt Berlin einem eben 30 Jahre jungen Mann einen ganz besonderen Auftrag: Er möge einen Bebauungsplan für die Umgebung Berlins erstellen und Charlottenburg einbeziehen.Flugs machte sich der Baurat und Kanalisationsfachmann an die Arbeit und legte keine drei Jahre später seinen Bebauungsplan vor.

Im Jahre 1859 erteilte der Polizeipräsident der Stadt Berlin einem eben 30 Jahre jungen Mann einen ganz besonderen Auftrag: Er möge einen Bebauungsplan für die Umgebung Berlins erstellen und Charlottenburg einbeziehen.Flugs machte sich der Baurat und Kanalisationsfachmann an die Arbeit und legte keine drei Jahre später seinen Bebauungsplan vor.Nicht alle projektierten Straßenzüge und Plätze wurden Wirklichkeit.Doch in den Gebieten, die südlich der 1877 fertiggestellten Ringbahn liegen, stimmen die einst gezeichneten Pläne größtenteils mit der tatsächlichen Bauausführung überein.So ist auch der Name des eifrigen jungen Mannes vielen Berlinern geläufig: James Hobrecht.Seine Pläne sind auch für den Bezirk Prenzlauer Berg von Bedeutung - wo dieser Tage wieder gebaut wird.

Im Norden der Stadt konnte sich Hobrecht bei der Anlage neuer Straßen und Plätze an den bereits skizzierten Wegen sowie den im Separationsplan von 1822 eingetragenen Acker-und Flurgrenzen der Feldmark orientieren.Im Süden, wo er die Stadt nach eigenem Verständnis plante, wird seine Handschrift an bekannten Orten wie dem Kollwitzplatz, damals noch Wörtherplatz, deutlich.Er ist genau so angelegt, wie er im Hobrechtschen Plan einst gezeichnet wurde.

Heute, ein gutes Jahrhundert später, beginnen die Bauaktivitäten an dem berühmten Platz von neuem, obwohl dieser durch die 9.Verordnung vom 21.September 1993 vom Berliner Senat zum Sanierungsgebiet erklärt worden war.Für diesen "Kiezschutz" gibt es gute Gründen: Heute ist es schwer, einen Reiseführer zu finden, in dem der Platz nicht als eine besondere Attraktion gerühmt würde.Kein Wunder, lädt dieser Stadtraum, benannt nach der Graphikerin und Bildhauerin Käthe Kollwitz, doch zum Verweilen ein: In die Bauten der Jahrhunderwende zogen Restaurants, Kneipen und Cafés.

Schon bald soll die vorerst letzte Baulücke geschlossen werden.An der Kollwitz- Ecke Wörtherstraße entsteht zur Zeit ein neues Wohn- und Geschäftshaus.Viel ist noch nicht zu erkennen, von einem Bauzaun und einem Erdloch abgesehen."Doch das wird spätestens in einem Jahr verschwunden sein", sagt Werner Baier.Der Projektleiter und Investor plant auf dem 983 Quadratmeter großen Eckgrundstück ein teils sechs, teils sieben Geschosse hohes Wohn- und Geschäftshaus mit einer Bruttogeschoßfläche von 3715 Quadratmetern.Davon entfallen 2910 Quadratmeter auf insgesamt 29 Wohnungen; 805 Quadratmeter bietet das Erdgeschoß.Diese Flächen teilen sich ein SB-Markt der Firma Spar und ein Bäcker.

Dessen Verkaufsräume trennt die Planung geschickt vom Rest der Kauffläche.Dank des Schiebegitters kann der Bäcker auch außerhalb der Öffnungszeiten des Supermarktes seine Brötchen verkaufen.Die Einrichtung der Läden machte das Bezirksamt zur Bedingung, da die Anwohner im Umfeld des Platzes kaum Waren des täglichen Bedarfes finden.

Geradezu als Luxus für diese Lage darf die Tiefgarage mit 20 Stellplätzen gelten.Sie steht sowohl den Mitarbeitern des Ladens zur Verfügung als auch den Bewohnern des Hauses.Wer hier einziehen will, hat die Wahl zwischen Wohnungen von zwei bis vier Zimmern."Die kleinste Wohneinheit wird etwa 65, die drei-Zimmer-Wohnungen 75 und die größte Einheit 102 Quadratmeter umfassen", sagt Baier.Alle Wohnungen würden mit einer Loggia oder einem Balkon ausgestattet.In den Dachwohnungen stehe eine rund um das ganze Gebäude verlaufende Terasse zur Verfügung.Die Wohnungen sollen zum Teil vermietet, weitestgehend aber verkauft werden.Mit dieser Mischkalkulation versucht der Investor das allgemeine Risiko des in Berlin grassierenden Leerstands zu reduzieren.

Dabei dürfte dem Unternehmer der Bevölkerungswechsel in den letzten Jahren entgegenkommen.Nach dem Fall der Mauer zogen junge Leute mit geringer Kaufkraft nach Prenzlauer Berg.Diese "Szene" wertete den Kiez auf.In den letzten Jahren folgten zunehmend gut verdienende Berliner dem Trend - ein guter Nährboden für Gastronomen und Galeristen."Es ist eben hip hier zu wohnen", sagt ein Anwohner mit modischem Kurzhaarschnitt, Golduhr und Handy.

Kein Wunder also, daß Baier zuversichtlich ist: "Der Kollwitzplatz ist weit über die Stadtgrenze hinaus bekannt.Seine Lage ist zentral.Er ist zu einer festen Attraktion der Stadt geworden", sagt er.Damit seine Rechnung auch aufgeht, fand er eine geschickte Strategie, um die Gebäudefläche zu erhöhen: Im Erdgeschoß wird die ganze Grundstücksfläche überbaut.Die im Baugesetz vorgeschriebenen Freiflächen hinter dem Gebäude entfallen aber nicht.Sie sind nur "höhergelegt" - auf das Dach des Supermarktes.

LEO POMPIGNON

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