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Amsterdam: Luxus-Domizile zu Schnäppchenpreisen

Das Immobiliengeschäft in den Niederlanden ist eingebrochen. Zwischenmieter schützen Amsterdamer Häuser vor Besetzern. Studenten jedoch profitieren von der Krise und den billigen Mieten.

Guido kann sein Glück noch gar nicht fassen. Der Student grinst über beide Ohren, als er den Schlüssel zu seinem neuen Zuhause in der Hand hält. Mitten in Amsterdam, einen Steinwurf vom Van-Gogh-Museum entfernt, kann er ein riesiges Zimmer in einem herrschaftlichen Gebäude beziehen. Das Beste daran: Die 40 Quadratmeter kosten Guido gerade einmal 250 Euro im Monat. Diesen preiswerten Luxus hat der Sportstudent der Finanzkrise zu verdanken.

Das Immobiliengeschäft in den Niederlanden ist eingebrochen, es dauert nun wesentlich länger, bis Häuser und Wohnungen neue Käufer finden. Das schürt die Angst vor Hausbesetzern, denn in den Niederlanden ist es legal, Häuser, die mehr als ein Jahr leerstehen, zu besetzen. Firmen wie Anti-Kraak BV, die Guido sein Zimmer vermittelte, haben die Marktlücke für sich entdeckt. Sie verdienen ihr Geld damit, Zwischenmieter für zum Verkauf stehende Immobilien zu finden. Das Geschäft lohnt sich für alle Beteiligten: Die Zwischennutzer können billig wohnen, die Besitzer schützen ihre Immobilien vor Besetzern – und die Firmen dürfen als Entgelt für die Vermittlung die Mieten für sich behalten. „Bis jetzt musste ich jeden Tag zu meinen Eltern nach Den Haag pendeln oder bei Freunden auf dem Sofa schlafen“, sagt Guido. Erst ein paar Stunden vor der Schlüsselübergabe erfuhr der 20-Jährige von seiner neuen Adresse.

Das imposante Treppenhaus ist aus Holz, die Wände sind aus Marmor, die Decken mit Stuck verziert. Im Bad, das sich Guido mit zwei weiteren Studenten teilt, fehlt allerdings der Duschkopf, und der Teppich im Schlafzimmer ist verschlissen. „Das macht nichts, ich weiß ohnehin nicht, wie lange ich hier wohnen werde“, sagt der Student. „Ich finde es einfach unglaublich, dass ich mitten in der Stadt für 250 Euro leben kann.“

Irgendwann soll die jetzige Studenten-WG zu einem Luxus-Hotel umgebaut werden. So überraschend wie der Einzug kann deshalb auch der Auszug kommen. Zwei Wochen gibt Anti-Kraak den Mietern Zeit, eine neue Bleibe zu finden. Anti-Kraak mit seinen zwanzig Angestellten verwaltet fast 400 Adressen allein in Amsterdam. Die meisten Mieter sind Studenten oder Künstler auf der Suche nach billigen Ateliers. Für die Besitzer hat die Lösung nur Vorteile, sagt Firmenchef Joost Koenders. Sie müssen für die Dienstleistung nichts zahlen und können ihre Immobilie jederzeit zurückfordern. „Ganz unabhängig von der wirtschaftlichen Lage gibt es immer Leerstand“, sagt Koenders. „Aber durch die Wirtschaftskrise sind die Gebäude, die wir verwalten, viel edler als bisher.“ Bislang kümmerte sich Anti-Kraak hauptsächlich um leerstehende Büros und Industriebrachen. „Jetzt kommen auch private Besitzer zu uns, die darum kämpfen, ihre Häuser loszuwerden“, sagt Koenders. Die niederländische Statistikbehörde CBS registrierte im April 10 000 Haus- und Wohnungsverkäufe – vor einem Jahr waren es noch fast doppelt so viele. Die Preise sanken um 2,2 Prozent.

Auch der Eigentümer einer Vier-Zimmer-Wohnung, die seit mehr als einem Jahr für 265 000 Euro auf dem Markt ist, fand schließlich den Weg zu Anti-Kraak, nachdem mehrere leer stehende Wohnungen in derselben Straße eines beliebten Amsterdamer Viertels besetzt worden waren. Marleen Tijs profitiert davon. „Ich war verzweifelt. Ich bekam nur kleine Zimmer für 500 Euro im Monat angeboten – und dann fand ich mich plötzlich in einer 80-Quadratmeter-Wohnung wieder“, erzählt die Marketingstudentin.

Das Schild „Zu verkaufen“ steht zwar noch immer vor dem Haus. Marleen Tijs hofft aber, dass die Käufer möglichst lange auf sich warten lassen.

Alix Rijckaert (AFP)

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