zum Hauptinhalt

Immobilien: an Sabine Degen Rechtsanwältin beim BBU

Den Vorstand zu Unrecht entlastet?

Kann in der Generalversammlung einer Wohnungsgenossenschaft die Entlastung von Vorstand und Aufsichtsrat beschlossen werden, obwohl der Jahresabschluss nicht durch Beschluss festgestellt, sondern auf die nächste Sitzung vertagt wurde?

Nein. Die einzig zulässige Abfolge wurde hier nicht eingehalten: Zunächst muss der Jahresabschluss festgestellt werden, erst dann können die Gremien der Genossenschaft entlastet werden.

Den Rahmen dafür gibt § 48 Abs. 1 des Genossenschaftsgesetzes vor. Demnach stellt die Generalversammlung einer Genossenschaft den Jahresabschluss fest. Sie beschließt, wie ein Jahresüberschuss verwendet oder ein Fehlbetrag gedeckt wird, zudem kann sie dem Vorstand und Aufsichtsrat Entlastung erteilen. Dabei kann die Generalversammlung den vom Vorstand aufzustellenden Jahresabschluss, so wie er vorgelegt wird, feststellen, ganz zurückweisen, in einzelnen Punkten ändern oder die Vorlage eines neuen Abschlusses verlangen – und damit den Tagesordnungspunkt „Feststellung des Jahresabschlusses“ vertagen.

Nach der Systematik des § 48 Abs. 1 GenG korrespondiert die Entlastung der Organe mit der Feststellung des Jahresabschlusses. Vereinfacht gesagt: Wenn es keinen Feststellungsbeschluss über den Jahresabschluss gibt, können die Mitglieder von Vorstand und Aufsichtsrat auch nicht entlastet werden. Geschieht das dennoch, kann der Entlastungsbeschluss angefochten werden. In den Fällen, in denen Vorstand und Aufsichtsrat von der Generalversammlung entlastet wurden, obwohl der Jahresabschluss nicht zuvor per Beschluss festgestellt wurde, bedeutet das: Jedes Mitglied, das in der Versammlung anwesend war, hat die Möglichkeit, diesen Beschluss innerhalb eines Monats im Wege der Klage anzufechten. Außerdem muss das in der Generalversammlung erschienene Mitglied gegen den Beschluss in der Generalversammlung Widerspruch zu Protokoll erklärt haben. Die Klage ist gegen die Genossenschaft zu richten. Zuständig für die Klage ist das Landgericht, in dessen Bezirk die Genossenschaft ihren Sitz hat. Sofern bis zur Anfechtung mehr als ein Monat vergangen ist, ohne dass Klage erhoben wurde, wird der Beschluss wirksam.

Werden Gremien entlastet, können damit gegenüber Organmitgliedern auch keine Schadenersatzansprüche mehr geltend gemacht werden – soweit die Mitglieder der Generalversammlung solche Ansprüche hätten erkennen können, als sie für die Entlastung stimmten. Bei der vorliegenden Leserfrage war das nicht der Fall: Denn wenn ein Jahresabschluss nicht im Detail vorlag und vorgetragen worden ist und daher auch nicht beschlossen wurde, können keine Umstände erkennbar sein, die einen Schadenersatzanspruch gegen die Organmitglieder begründen könnten. Deshalb bedeutet die Entlastung von Vorstand und Aufsichtsrat in diesem Fall nicht, dass die Mitglieder der Generalversammlung auf etwaige Schadenersatzansprüche verzichten müssen. Foto: Mike Wolff

an Sabine Degen

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false