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Immobilien: Angst steckt noch in den Knochen

Mit weiten, wehenden Röcken nähern sich zwei dunkelhaarige Frauen dem kleinen Journalistentroß.Mit dem Finger zeigen sie auf die unleserliche Schrift auf der braunen Pappe und führen dann klagend die Hand abwechselnd zu Mund und Magen.

Mit weiten, wehenden Röcken nähern sich zwei dunkelhaarige Frauen dem kleinen Journalistentroß.Mit dem Finger zeigen sie auf die unleserliche Schrift auf der braunen Pappe und führen dann klagend die Hand abwechselnd zu Mund und Magen.Flugs hält die eine dem Kollegen den Karton knapp unters Kinn, während sich die andere dicht an ihn schmiegt - und unter dem "Sichtschutz" seine Sackotaschen durchwühlt.So schnell wie sie erschienen, verschwinden sie wieder - und mit ihnen des Reporters Brieftasche.

Taschendiebe versuchen sich in Barcelona und Madrid auch am hellichten Tage an Passanten auf der Plaza de Cataluna.Sie prägen zusammen mit zahllosen Kleinkünstlern, Verkäufern von Zigaretten, Tempotüchern oder Seidenkravatten das Stadtbild.Das ähnelt dadurch eher dem nordafrikanischer Mittelmeerstaaten als dem Bild "entwickelter" Länder Nordeuropas.Doch der Schein trügt.Denn in Barcelona und Madrid brummt die Wirtschaft und wächst gar doppelt so schnell wie in der Bundesrepublik.Das weckt Begehrlichkeiten und lenkt die Aufmerksamkeit von Stadtplanern und Investoren auf die iberischen Metropolen.

"In den sechziger Jahren wurden Häuser schnell und billig gebaut, jetzt verkaufen die Menschen sie und suchen bessere Häuser im Umland", sagt Joan Solans, oberster Planer in Barcelona.Angetrieben wird diese Entwicklung von einer robusten Wirtschaft.Seitdem die Unternehmen in der katalanischen Stadt ihre Produktion stärker auf die Nachfrage aus Nordeuropa als auf die spanischer Märkte ausgerichtet haben, betrage das Wirtschaftswachstum zwischen 3,6 und 4 Prozent pro Jahr.Das trage ebenso zum wachsenden Wohlstand in der Stadt bei wie der Tourismus auf dem "hot banana" genannten Küstenstreifen: 1,5 Mill.Besucher kommen pro Saison.

Dennoch zieht es die Menschen weg aus der Region.Sie verlor seit den achtziger Jahren 300 000 Einwohner.Schwierige Zeiten also für Wohnungsbauprojekte? Einer der wohl namhaftesten, international operierenden, amerikanischen Entwickler, Gerald Hines, ist vom Gegenteil überzeugt.Unmittelbar an der Küste, am östlichen Stadtrand, errichtet er das Großprojekt "Diagonal Mar".Auf 87 000 Quadratmetern entstehen Wohnungen, das drittgrößte Einkaufs- und Freizeitzentrum, ein Hotel - und Büros auf 74 000 Quadratmetern."Wir wollen die Wohnungen nicht möglichst teuer, sondern schnell verkaufen und machen deshalb Spitzenpreise", wirbt Lee Mays, Hines-Projektchef in Barcelona.Rund 2500 DM pro Quadratmeter kosten die eigenen vier Wände, zum Teil mit freiem Blick aufs Meer.

Gut beraten sind die Entwickler auch, günstige Preise zu machen, denn schon der Verkauf der deutlich näher am Stadtzentrum gelegenen Wohnungen des Olympiadorfes von 1992 verlief schleppend.Fünf Jahre dauerte es, bis die letzte Einheit vergeben war; lediglich Wohnungen mit Meeresblick fanden rasch Liebhaber.Darauf reagierte Hines und bietet seine Immobilien um 800 DM pro Quadratmeter billiger an.Dafür müssen Käufer Abstriche machen: Das Gebiet schließt zwar auf natürliche Weise ans Stadtgebiet an, liegt aber an ihrem äußersten Rand.Zweifel bleiben auch über die Güte des einst industriell genutzten Bodens sowie des Küstenstreifens.Zudem liegen zehnstöckige, stark verdichtete Wohnungszeilen aus rotem Klinker in der Nachbarschaft und werten das Projekt optisch nicht eben auf.

Diesen Nachteilen setzen die Entwickler eine intensive Durchgrünung der Blöcke entgegen und führen Fußgängerwege bis an den Strand.Zudem verweisen sie auf eine gute verkehrliche Anbindung des Gebietes durch U-Bahnen und Ringstraßen.Sie erschließen ein großes Einzugsgebiet: 2,2 Mill.Menschen lebten nur 20 Autominuten vom Großprojekt entfernt.Dadurch sei auch der wirtschaftliche Erfolg des Kerns der "Wasserstadt" sichergestellt.Es ist das mit 87 000 Quadratmetern drittgrößte Kauf- und Freizeitzentrum Barcelonas.Wie in Spanien üblich nimmt darin ein "Hypermarket" mit Waren des täglichen Bedarfs im Erdgeschoß ein Drittel der gesamten Verkaufsfläche ein; im ersten Obergeschoß sollen in der Qualität aufeinander abgestimmte, modische Bekleidungsmarken an den Kunden gebracht werden; im dritten Stock öffnen ein Multiplex-Kino und Restaurants.

Vom Erfolg dieses Zentrums sind deutsche Investoren fest überzeugt: Die Despa, der Offene Immobilienfonds der Sparkassen, erwarb das ganze Kaufhaus bereits - noch bevor der Grundstein gelegt ist.Großflächige Handelsimmobilien zählen zu den Objekten der investiven Begierde (siehe dazu auch nebenstehendes Interview): In Barcelona beträgt die Verkaufsfläche pro Einwohner gerade mal 0,35 Quadratmeter; in Berlin sind es deutlich mehr als ein Quadratmeter.Deshalb ist die Nachfrage nach Ladenlokalen Hines-Manager Mays zufolge groß: "Schon Flächen von 500 Quadratmetern sind schwer zu kriegen.Wer mehr braucht, findet überhaupt nichts." Deshalb seien heute, noch vor Baubeginn, 43 Prozent der Kaufzenterflächen vermietet.Dabei müssen die Läden, ein Novum in Spanien, sogar Umsatzmieten zahlen: Verdienen sie gut, steigt die Miete im gleichen Verhältnis.Das Konzept überzeugte auch die Deutschen Banken.Die Westdeutsche Immobilienbank und die West-LB genehmigten einen guten Teil der Kredite für das 700 Mill.Dollar teure Investment.

"Die deutschen Banken waren beim Immobilien-Crash Anfang der 90er Jahre noch nicht hier, daher sind sie nicht so verschlafen wie einheimische Geldhäuser", sagt Mays.Die Zurückhaltung der Spanier wundert wenig, mußten öffentliche Banken doch nach dem Zusammenbruch der Kio-Holding auf Forderungen gewaltigen Ausmaßes verzichten (siehe nebenstehenden Artikel).So konzentrierten sie sich in den Folgejahren im wesentlichen auf den Wohnungsbau.Ihm bleiben auch in den Masterplänen von Barcelona und Madrid ein Großteil der Bauflächen vorbehalten.

Deshalb steigen die Mieten für derweil knapp gewordene Bürohäuser wieder."Die Frage ist nicht wieviel wir investieren wollen, sondern wieviel Bauland wir kriegen können", sagt Luis Espeso, Chef der in Madrid und Barcelona aktiven Lar-Gruppe.Aber auch diesem Entwicklern steckt der Schreck der letzten Rezession noch in den Knochen: Obwohl sowohl in Madrid als auch in Barcelona die Bauproduktion seit Jahren um die Hälfte geringer ist als die Zahl der vermieteten Büros, will der Unternehmer kein Projekt in Angriff nehmen, das länger als vier Jahre zur Realisierung braucht.Immerhin beugt dieses Zögern der Gefahr vor, daß der Pendel wieder in die andere Richtung ausschlägt.Marcus Lemli von Jones Lang Wootton Madrid zufolge ist der Anlagedruck internationaler Investoren derzeit sehr groß.

Dabei warnt ein weithin sichtbares Menetekel vor überschäumender Euphorie: die Zwillingstürme von Prima Immobiliara in Madrid.Die "Tore Europas" ragen so schräg über die Plaza Castilla wie die wirtschaftliche Lage der Immobiliengesellschaft einst war, zu Beginn der letzten großen Rezession auf der sonnenverwöhnten iberischen Halbinsel.

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