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© Rückeis

Architektur: Auf Wasser gebaut

Die Köpenicker Mittschiffs Werft hat ein Modulsystem für schwimmende Häuser entwickelt

Schwarz und schwer hängen die Stahlbehälter unter dem Haus. Eigentlich sind sie nicht zu sehen. Aber sie sind der wichtigste Part. Sie sind dafür verantwortlich, dass das Haus schwimmt und nicht im Landwehrkanal in Tiergarten versinkt. Dort soll es in der kommenden Woche dauerhaft anlegen. Es wird das erste modularisierte, schwimmende Haus in Berlin sein, konzipiert und gebaut in der Mittschiffs Werft Berlin in Köpenick.

Ein grauer Tag im Herbst, die zehn Meter hohen Werfttore öffnen sich, das Haus fährt auf Schienen heraus — der erste Wassergang in der Dahme. Ein letzter Blick auf die Schwimmkörper. Dann gleiten sie ins Wasser. Leichtes Blubbern und Platschen. Nur noch das Haus ist sichtbar, flach, viereckig, länglich, verkleidet mit Holz und Aluminium. Innen hat es drei Zimmer, Küche und Bad auf insgesamt 105 Quadratmetern Wohnraum. Hinzu kommt eine 85 Quadratmeter große Außenfläche, inklusive Terasse und begehbarem Dach. Der Clou sind die acht Schwimmkörper: Sie sind einzeln austauschbar. „Bisher musste man sein Hausboot oder schwimmendes Haus in die Werft geben“, sagt Astrid Metzner, Mitschiffs-Geschäftsführerin. Denn mindestens alle zehn Jahre muss die Schwimmfähigkeit geprüft werden. Mit den Modulen kann das Haus vor Ort bleiben, weil jedes der Bauteile einzeln überprüft werden kann.

Ein Berliner Paar, das anonym bleiben will, hat es für 380 000 Euro gekauft. Etwa 80 000 kosten alleine die Schwimmkörper. Auf dem Wasser lebt es sich schon dadurch teurer als an Land. Hinzu kommt die Pacht für die Wasserfläche. „Der Verkehrswert kann bei über 100 Euro pro Quadratmeter liegen. Davon sind sieben Prozent jährlich zu zahlen“, erklärt Ernst Becker vom Wasser- und Schifffahrtsamt Berlin (WSA), das die Wasserstraßen der Stadt betreut. Eine zusätzliche Bürgschaft beträgt mindestens das Dreifache der jährlichen Pacht.

Trotz des Preises spürt Metzner Nachfrage. Von schwimmenden Häusern, sogenannten Floating Boats, verspricht sich mancher ein individuelles und romantisches Wasser-Leben. Eigentlich verdient die Werft mit ihren 20 Mitarbeitern ihr Geld mit dem Bau und der Reparatur von Schiffen. Vor den Werft-Toren steht der „Eisbär“ an Land, ein Eisbrecher, der gewartet werden muss. Polizeiboote, private Yachten und Hausboote liegen vor Anker. Der Bau von schwimmenden Häusern soll zweites Standbein werden. „So sind wir nicht so abhängig von der Schiffsbranche“, sagt Metzner. Sie will das Konzept noch erweitern. Bei späteren Modellen sollen auch die Hausteile an der Oberfläche modularisiert werden, so dass auch ein Transport über Land keine Probleme machen würde.

Wichtiger noch ist, dass das Haus für das Wasser präpariert ist, denn von unten kommen Feuchtigkeit und Kälte. Eine zementgebundene Spanplatte soll die Feuchtigkeit abhalten, zusätzliche Dämmung sorgt für Isolierung und Auftrieb. Das Haus selbst steht auf einem Stahlrahmen. Der wird wiederum umgeben von einem Holzrahmen — für die Optik. Geschirr und Fernseher müssen übrigens nicht eigens befestigt werden. Das Haus ist schwer genug, um von Wellen nicht durchgeschaukelt zu werden. Außerdem wird es in einem Seitenarm kurz vor einem Wehr liegen, ohne Schiffsverkehr. In Berlin ist das Wohnen auf dem Wasser schwierig. „Die Liegeplätze sind eigentlich verteilt“, so Becker. Versuchen kann man dennoch, eine Genehmigung zu beantragen. Den Vorschlag für einen Liegeplatz muss man selbst mitbringen, das WSA prüft dann. Dem Paar machte das wenig Probleme, auch wenn die Erlaubnis noch nicht da ist: Beide haben vorher je ein Hausboot am Landwehrkanal besessen. Als sie sich entschlossen, zusammen zu ziehen, wurden die Boote verkauft und das Haus in Auftrag gegeben, das nun den Liegeplatz einnehmen wird. Umzug mal anders: Die Bewohner bleiben, nur die Wände wechseln.

Matthias Jekosch

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