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Immobilien in Warschau stehen längst im Fokus ausländischer Investoren. Links im Bild Libeskind-Tower "Zlota 44".

© imago/robertharding

Bauboom an der Weichsel: Polen lockt Investoren mit rosigen Aussichten

Während die PiS-Regierung in Europa für Unmut sorgt, bricht der polnische Immobilienmarkt aktuell alle Rekorde. Und ruft zunehmend ausländische Käufer auf den Plan.

Tomasz Miler reibt sich die Hände. Der Vizebürgermeister von Gryfino (Greifenhagen), einer Kleinstadt im polnischen Westpommern, hat gute Gründe zur Freude: „Wir haben’s!“ postete er bereits im August vergangenen Jahres euphorisch auf seiner Facebook-Seite. „Zalando baut bei uns ein Logistikzentrum“. Für die Region heißt das: tausend neue Jobs.

Heute steht die riesige schneeweiße Halle auf einem 13 Hektar großen Gelände in einer investorenfreundlichen Sonderwirtschaftszone. Das Areal liegt dicht an der neuen polnischen Autobahn A 3. Vor wenigen Tagen wurde das erste Paket aus Polen an einem von mehr als 21 Millionen Kunden in Europa verschickt. „Für den Herbst 2018 planen wir den Start des automatisierten Betriebs“, sagt Zalando-Sprecherin Katharina Heller.

150 Millionen Euro hat der Versandhändler an dem Standort nahe Stettin investiert. Und das obwohl die größte Stadt im Nordwesten Polens für ausländische Investoren lange als ein weißer Fleck auf der Landkarte galt. Was hat sich also geändert? „Neue Straßen wurden gebaut, der Blutkreislauf der Logistik. Das hat die Stadt für große Investitionen geöffnet“, sagte Tomasz Olszewski, Head of Industrial Agency in Zentral- und Osteuropa bei Jones Lang Lasalle (JLL) im Frühsommer während der Konferenz „Stettin freundlich für Investoren“. Seit 2015 blüht die Logistikbranche in der Region regelrecht auf: 2008 gab es zirka 41 000 Quadratmeter Lagerfläche, heute sind es rund 209 000. Auch Amazon baute hier sein Versandzentrum.

Polen baut, wie noch nie

Aber nicht nur in Stettin brummt die Wirtschaft. Überall im Nachbarland drehen sich Bagger und Kräne: Polen baut, wie noch nie. Heute hat das Land eine der dynamischsten Volkswirtschaften innerhalb der Europäischen Union. Die Beschäftigung wächst, die Arbeitslosenquote sinkt unter fünf Prozent. Gleichzeitig ziehen die Löhne und Gehälter kräftig an: Der Durchschnittslohn liegt bei 4635 Zloty, das ist ein neuer Rekordwert. Glaubt man führenden Analysten, bricht auch der Immobilienmarkt gerade alle Rekorde – und zwar quer durch die Sparten, vom Büro-, Logistik-, über Hotel- bis hin zu Wohnimmobilien.

Laut dem aktuellen Marktbericht „At a Glance“ von BNP Paribas Real Estate wachse die Logistikbranche am stärksten. Allein in den ersten sechs Monaten dieses Jahres seien Projekte mit einem Flächenvolumen von mehr als 801 000 Quadratmetern fertiggestellt worden. Mehr als 1,2 Millionen Quadratmeterfläche befinden sich noch im Bau. Die Entwickler machen munter weiter, denn trotz des enormen Angebots für Logistikobjekte ist die Nachfrage groß und der Leerstand sinkt.

Rekordzahlen werden ebenfalls auf dem Büromarkt gemeldet. „In Polen entstehen gegenwärtig zirka 1,8 Millionen Quadratmeter Bürofläche“, sagt Karol Patynowski, Chef für regionale Märkte bei JLL. Davon würden eine Million außerhalb Warschau errichtet. „Das ist die größte Aktivität in der Geschichte auf den regionalen Märkten“, sagt der Experte und geht davon aus, dass Büromärkte vor allem in Krakau, Danzig, Lodz und Breslau weiterhin stark wachsen. Die unangefochtene Nummer eins bleibt Warschau. Von insgesamt 4,6 Milliarden Euro Transaktionsvolumen für polnische Gewerbeimmobilien im Jahr 2016 entfielen laut BNP Paribas Real Estate Poland 1,15 Milliarden allein auf die polnische Hauptstadt.

Was macht Polen für die Investoren so attraktiv?

Platz für Investitionen. Teile des Areals der Sonderwirtschaftszone Kostrzyn-Slubice (KSSSE) in Westpommern.
Platz für Investitionen. Teile des Areals der Sonderwirtschaftszone Kostrzyn-Slubice (KSSSE) in Westpommern.

© promo/www.kssse.pl

Kein Wunder, dass diese Zahlen wie ein Magnet auf Anleger aus aller Welt wirken. „Seit zehn Jahren beobachten wir Investoren aus Schweden, Deutschland, Frankreich und den USA“, sagt Maciej Müldner, Financial Director bei Skanska Property Poland. Neuerdings fließt das Kapital vor allem aus Südafrika (Redefine Properties), Großbritannien, Katar, Tschechien und verstärkt aus Deutschland (u. a. Union Investment, Deka Immobilien, Hansainvest). In den kommenden Monaten haben sich laut Experten von BNP Paribas Real Estate Poland außerdem Käufer aus Thailand angekündigt.

Was macht Polen für die Investoren so attraktiv? „Sie erzielen hier meist höhere Renditen als in westeuropäischen Städten“, sagt Anna Staniszewska. Dabei würden sie sich neben Warschau auch immer öfter nach Objekten in Kattowitz oder in der Dreistadt Danzig, Sopot und Gdynia umsehen. Die Mieten auf den regionalen Märkten seien stabiler; die Renditen liegen konstant zwischen eins bis 1,5 Prozentpunkte über den westeuropäischen Durchschnitt.

Mietrenditen von 8,5 Prozent – utopisch in Deutschland

Eine lukrative Geldanlage sind derzeit auch polnische Wohnimmobilien, vor allem im Luxussegment. Davon dürfte sich Catella Wohnen Europa überzeugt haben. Bereits im Juli 2016 kaufte der deutsche offene Wohnimmobilienfonds 72 Einheiten in dem neuen Hochhaus von Daniel Libeskind „Zlota 44“ im Zentrum von Warschau. Rund 6600 Euro müssten Käufer im Schnitt für den Quadratmeter bezahlen. Laut der Immobilienberatungsfirma Reas sind die Preise in London achtmal, in Paris dreimal und in Moskau zweimal so hoch. Dabei liegt die Mietrendite in Warschau durchschnittlich bei 7,5 Prozent. Das sind 2,6 Prozent mehr als in Berlin und 4,3 mehr als in München.

Obwohl der Markt für Wohnimmobilien in Polen noch unterentwickelt ist, bietet er insgesamt viel Potenzial. Wohnungen sind knapp. Rund drei Millionen fehlen derzeit. Doch der Markt öffnet sich für institutionelle Investoren und den professionellen Vermietungsmarkt. Hier sind die Perspektiven auf attraktive Renditen rosig: bis zu 8,5 Prozent sind zu holen – utopisch in Deutschland.

Die PiS-Politik sorgt für Unsicherheit

Trotzdem gibt es seit dem Regierungswechsel 2015 verstärkt Warnsignale im Hinblick auf die innenpolitischen Entwicklungen. Für Unsicherheit bei internationalen Investoren sorgte vor allem der Vorstoß der umstrittenen nationalkonservativen PiS-Regierung, höhere Steuern für Banken und große Einzelhändler einzuführen. „Die Unklarheit bei der Auslegung der Steuergesetze und die Langzeitfolgen von Sozialreformen führten zu Verzögerungen beim Abschluss einiger Transaktionen“, sagt Anna Staniszewska, Head of Research bei BNP Paribas Real Estate Central Eastern Europe. Ist der Spuk jetzt vorbei? Schon im Dezember 2016 hob Standard & Poor’s Polens Rating-Ausblick von „negativ“ auf „stabil“ an. Im Mai 2017 stufte auch Moody's die Bonitätsnote des Landes hoch. „Im Moment sind die Aussichten positiv“, sagt Staniszewska. Der Immobilienmarkt profitiere vom Wirtschaftswachstum.

Das spürt man auch in Westpommern. „So viel Interesse von Investoren gab es hier noch nie“, sagt Andrzej Kail, Marketingdirektor der Sonderwirtschaftszone nahe Greifenhagen. Dort scheint das politische Tauziehen in Warschau weit entfernt zu sein. Die Investoren hätten ohnehin andere Sorgen: Wie schnell sind die Genehmigungsverfahren? Ist das Grundstück voll erschlossen? Gibt es Fachkräfte? „Der Zugang zum Arbeitsmarkt und die Beschäftigungskosten sind entscheidend“, sagt Tomasz Miler. Damit könne Polen besonders gut punkten.

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