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Auf so manchem Bausparkonto wächst das Guthaben mit schöner Regelmäßigkeit.

© Denis Junker/Fotolia

Bausparkassen wollen teure Kunden loswerden: Klagewelle schwappt in die nächste Instanz

Viele Sparer wollen auf satte Zinsen aus Altverträgen nicht verzichten und rufen Darlehen nicht ab. Nun ist der Weg zu einer Grundsatzentscheidung des Bundesgerichtshofs offen.

Der Streit über die Kündigung von Bausparverträgen durch Banken geht in die nächste Runde: Die Wüstenrot Bausparkasse – Deutschlands zweitgrößte Bausparkasse – nimmt das jüngste Urteil des Oberlandesgerichts (OLG) Stuttgart einer Mitteilung zu Folge zur Kenntnis und behält sich Rechtsmittel vor.

Wie berichtet, hatte das Gericht Ende März als erstes Berufungsgericht zugunsten einer Bausparkundin entschieden: Die Bausparkasse Wüstenrot habe kein Recht, den Vertrag zu kündigen, sagte Richter Thomas Wetzel in Stuttgart (AZ.: 9 U 171/15). Der Vertrag sei fortzusetzen. Die Bausparerin müsse auch weiterhin die Möglichkeit haben, das Darlehen in Anspruch zu nehmen, auch wenn sich das derzeit bei einem Zins von fünf Prozent nicht rechne.

Das gesetzliche Kündigungsrecht, auf das sich Wüstenrot berief, gelte nicht. Das wäre nur der Fall gewesen, wenn die Bausparkasse die Sparerin aufgefordert hätte, weiter Beiträge zu zahlen, und diese der Forderung nicht nachgekommen wäre.

Bisher unterlagen die meisten Kläger

Das Urteil überraschte. Denn in den fünf Fällen, die bisher bei Oberlandesgerichten gelandet waren, hatten die Sparer jeweils den Kürzeren gezogen (OLG Hamm, OLG Koblenz, OLG Köln, OLG Celle, OLG München).

Zugrunde lag der ersten Entscheidung eines Oberlandesgerichtes zugunsten einer Sparerin eine Kündigung durch die Bausparkasse: Die Kundin habe das angesparte Geld seit 22 Jahren auf dem Konto liegen gelassen und drei Prozent Zinsen eingestrichen, statt das Darlehen abzurufen, argumentierte Wüstenrot. Dies entspreche aber nicht Sinn und Zweck eines Bausparvertrages, hatten die Anwälte von Wüstenrot gesagt. Aus ihrer Sicht sei der Verzicht auf das Darlehen eine Zweckentfremdung des Bausparvertrages mit dem Ziel der Kapitalanlage.

Bundesweit gibt es inzwischen etwa 200 Urteile rund um die Kündigung von Bausparverträgen durch Finanzinstitute. In der Regel obsiegten die Kassen. Und so wertet Wüstenrot das Urteil so, dass sich in der Rechtsprechung trotz der Entscheidung des OLG Stuttgart insgesamt immer deutlicher abzeichne, „dass Bausparkassen Kündigungen aussprechen dürfen. Zumal auch über 100 positive Urteile von verschiedenen Landgerichten zur Wirksamkeit der Kündigungen nach Paragraf 489 Abs. 1 Nr. 2 BGB seitens der Bausparkassen vorliegen – davon allein 17 durch das Landgericht Stuttgart“.

Nach dem genannten Paragrafen aus dem Bürgerlichen Gesetzbuch (BGB) dürfen Darlehensnehmer zehn Jahre nach vollständigem Empfang einer Leistung kündigen. In der Sparphase sehen sich die Finanzinstitute als Darlehensnehmer, da sie ja  Geld der Sparer bekommen und hierfür Zinsen zahlen. Aus Sicht von Bausparern hingegen greift der strittige Paragraf 489 nicht. „Der Paragraf wurde zum Schutz von Verbrauchern gegenüber Banken eingeführt und nicht umgekehrt“, sagt Anwalt Thomas Basten, der sich 2015 in einem Verfahren vor dem Landgericht Stuttgart gegen die Bausparkasse Wüstenrot durchsetzen konnte.

In den 80-er und 90-er Jahren lockten Bausparkassen Kunden mit Guthabenzinsen von bis zu fünf Prozent – die Institute brauchten Geld, um es als Darlehen weiter zu vergeben. Inzwischen aber sind die Zinsen gegen null gesunken oder sogar ins Minus gerutscht. Deshalb legten viele Sparer ihre Bauspardarlehen auf Eis. Schließlich sind Einzelkredite inzwischen häufig günstiger außerhalb des Bausparvertrags. Die Institute kündigen deshalb nun Verträge, die mindestens zehn Jahre zuteilungsreif waren: Sie sind zur Belastung geworden. Von rund 200.000 solcher Kündigungen war 2015 die Rede. Viele Kunden zogen deshalb vor Gericht.

Ewige Gewinne sind nicht Bestandteil der Wette

Die Lage ist unübersichtlich, auch aus juristischer Sicht. Für den Stuttgarter Richter war entscheidend, dass die Bausparkasse ein vertragliches Kündigungsrecht nicht genutzt habe, als die Einzahlungen schon vor längerer Zeit aufhörten – der Vertrag ruhte also. Indem die Bausparkasse das zuließ, hatte sie ihr gesetzliches Kündigungsrecht dem Urteil zufolge gewissermaßen verwirkt.

Rein formal gesehen wurde in Stuttgart über einen Einzelfall entschieden, die Bausparkassen bleiben bei ihrer Argumentationslinie.

Wüstenrot werde nun eine Revision gegen das Urteil vor dem Bundesgerichtshof prüfen, erklärte deren Anwalt Herve Edelmann. Davon geht auch das OLG Stuttgart aus. „Entschieden werden muss es vom BGH“, sagte der Richter.

Mit einem öffentlichen Urteil anstelle eines schriftlichen Beschlusses wolle er den Weg zum obersten deutschen Gericht ebnen. Es gehe schließlich um Millionen Spargelder, sagte Richter Thomas Wetzel. Dass der BGH den Bausparern Recht gibt, wäre aus Sicht der Hohenheimer Juraprofessorin Christina Escher-Weingart durchaus möglich, schließlich habe es vor Gerichten und in Fachaufsätzen unterschiedliche Urteile und Meinungen gegeben.

Escher-Weingart hält die Kündigungen aber für legitim. Beim Bausparen gehe es auch um den Solidargedanken, dass es also Sparer und Darlehensnehmer unter den Bausparkassen-Kunden gebe. Gebe es nur Sparer, werde das Kollektivkonzept unterhöhlt. Der Abschluss einer langfristig verzinsten Geldanlage sei immer auch „eine Wette auf die Zinsentwicklung der Zukunft“. Diese Wette haben die Altvertrags-Kunden gewonnen und daraus seit vielen Jahren Gewinne eingefahren – dass dies ewig so weitergehe, sei keineswegs Bestandteil der Wette gewesen, so die Juristin. (mit dpa)

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