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Immobilien: Behandlung erster Klasse

Erste Details stehen jetzt fest: Wie die Baugemeinschaft das alte Urban-Krankenhaus in einen Kreuzberger Wohnpark verwandeln will

Angesichts dieses Bauensembles dürfte das Herz eines jeden Bauträgers frohlocken. Backsteingebäude aus dem späten 19. Jahrhundert, zwei- bis dreigeschossig auf einem weitläufigen Parkareal verteilt, das Ganze in der Nähe des Landwehrkanals und mitten im beliebten Kreuzberger Kiez von Grimm-, Körte- und Dieffenbachstraße – so präsentiert sich das alte Krankenhaus Am Urban.

Dumm nur für Investoren, die das große Geschäft wittern: Das Ensemble ist schon weg. Der landeseigene Klinikkonzern Vivantes hat es verkauft – und zwar an eine Baugemeinschaft rund um das im Kiez ansässige Architektenpaar Georg Graetz und Mary-France Jallard Graetz. Nun sind Baugemeinschaften in Berlin längst nichts Neues mehr. Doch an solche Dimensionen hat sich noch keine Baugemeinschaft gewagt: Ein Areal von 26 000 Quadratmeter Fläche, 19 Gebäude mit 17 000 Quadratmeter Nutzfläche, ein Investitionsvolumen von mindestens 36 Millionen Euro. Diese Größenordnung würde selbst kommerzielle Projektentwickler ins Schwitzen bringen.

Ursprünglich hatte sich das Ehepaar Graetz das alles ein paar Nummern kleiner vorgestellt. Schon lange, erzählen sie, waren sie erfolglos auf der Suche nach einer neuen Wohnung in ihrem Kiez. Als die beiden erfuhren, dass Vivantes den denkmalgeschützten Klinikkomplex zum Verkauf ausschrieb, bewarben sie sich; zunächst um ein einziges Haus, dann, zusammen mit einer anderen Baugruppe, um drei Gebäude. Damit aber hatten sie keine Chance, da Vivantes das Ensemble komplett veräußern wollte. Warum also nicht den großen Wurf wagen? „Wenn wir denken, dass es gut ist“, schildert Mary-France Jallard Graetz die damalige Überlegung, „werden wir doch auch andere Leute finden, die Interesse haben.“

Und so war es auch. Mittlerweile sind rund 70 Parteien an der als GmbH & Co. KG firmierenden Gesellschaft beteiligt, die Anfang November den Kaufvertrag mit Vivantes unterzeichnete. Gefunden wurden die künftigen Miteigentümer zunächst durch Mundpropaganda, später auch durch Anzeigen im Internet. Dabei, betont Jallard Graetz, „haben wir die Interessenten immer darauf hingewiesen: Hier kaufen Sie nicht einfach eine Wohnung, sondern beteiligen sich an einem Projekt, das Sie mitgestalten können.“

Ein gewichtiger Vorteil dieser Mitgestaltungsmöglichkeit: Die Wohnungen kosten etwas über 2000 Euro pro Quadratmeter und damit deutlich weniger, als wenn sie ein kommerzieller Bauträger anbieten würde. „Der würde mindestens 3000 Euro verlangen“, schätzt Architekt Graetz. Im Gegenzug müssen die Interessenten aber viel Engagement und auch Geld einbringen: Zeitweise trafen sie sich zwei Mal wöchentlich zu Besprechungen, und jeder hat bereits jetzt, Monate vor Beginn der Bauarbeiten, je nach Größe seiner künftigen Wohnung zwischen 15 000 und 25 000 Euro in das Vorhaben gesteckt – für Projektentwicklungs- und Planungskosten sowie als Anzahlung auf den an Vivantes zu entrichtenden Kaufpreis von 13,5 Millionen Euro.

Damit die Finanzierung nicht scheitert, hat zudem jeder Interessent eine Bonitätsprüfung über sich ergehen zu lassen. Für manche ist das kein Problem, wie die Initiatoren berichten: Unter den Mitgliedern der Baugemeinschaft Am Urban sind Professorenpaare ebenso wie junge Leute, die geerbt haben, aber auch viele Selbstständige mit wechselndem Einkommen. Die meisten haben Kinder und wohnen schon jetzt im Kiez. Gemeinsam ist ihnen eine „Homogenität im Geiste“, wie es Georg Graetz ausdrückt: der Wille, sich in den Kiez einzubringen und soziale Verantwortung zu übernehmen.

Und außerdem natürlich der Wunsch, angenehm zu wohnen. Nach Darstellung von Graetz sind die Klinkerbauten, 1887 bis 1890 von Hermann Blankenstein errichtet, für Wohnzwecke bestens geeignet. Sie sind nämlich so konstruiert, dass es im Inneren keine tragenden Wände gibt; die Wohneinheiten können also flexibel angeordnet werden. So wird es Townhouses ebenso geben wie Geschosswohnungen unterschiedlichster Größe und einige neu errichtete Penthäuser. Fast alle Gebäude – darunter der ehemalige Operationssaal und die einstige Leichenhalle – sind Wohnzwecken vorbehalten; Gewerbe wird lediglich eine untergeordnete Rolle spielen.

„Das werden keine Wohnungen von der Stange“, sagt Erwin Meyer, einer der künftigen Bewohner. Besonders gefragt sind den Initiatoren zufolge relativ kleine (und damit preiswerte) Townhouses mit fünf Zimmern und 120 Quadratmeter Wohnfläche. Bereits Einigkeit mit den Denkmalbehörden erzielt haben Architekt Graetz und sein Team bei der Gestaltung der Fassaden: In den Hofsituationen muss jeweils eine Fassade eines Gebäudes unverändert bleiben, während die andere Balkone erhalten darf.

Voraussichtlich im Sommer 2009 wird der Bebauungsplan rechtskräftig sein. Bis dahin sind weitere Mitglieder der Baugemeinschaft willkommen; insgesamt sind bis zu 120 Wohneinheiten zu vergeben. Ebenfalls im Sommer beginnen werden die Abrissarbeiten an einem Bunker im Zentrum des Areals. Parallel dazu wird Vivantes seine jetzt noch auf dem Gelände ansässigen Abteilungen verlagern, so dass bei optimalem Verlauf im Frühjahr 2010 die ersten Bewohner in ihre Wohnungen einziehen können.

Bleibt die Frage, warum sich die Baugemeinschaft bei diesem attraktiven Grundstück gegen viel kapitalkräftigere Interessenten durchsetzen konnte. Vivantes-Pressesprecher Uwe Dolderer hält sich zurück: Den Ausschlag hätten Preis und Nachnutzungskonzept gegeben, sagt er lediglich. So darf spekuliert werden, ob die Finanzmarktkrise den Kreuzbergern in die Hände gespielt haben könnte. Gut denkbar ist es jedenfalls, dass große Mitbewerber weniger geboten haben, als sie es in besseren Zeiten getan hätten. Die Baugemeinschaft Am Urban dagegen leidet nach eigenen Angaben keineswegs unter der Zurückhaltung der Banken: In Kürze, heißt es, werde die Finanzierungsvereinbarung unterzeichnet.

www.am-urban.de

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