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Immobilien: Bei Klage mindestens ein Jahr mietfrei

Vermieter haben auf dem Berliner Immobilienmarkt im Augenblick keinen guten Stand – auch nicht, wenn die Mieter einfach nicht mehr zahlen

Ein solcher Fall ist weder der Eigentümerin noch deren Rechtsanwältin bislang untergekommen: Gut zwei Jahre dauerte es, bis sie den Nutzer der Gewerberäume in der Pfuhlstraße in Kreuzberg per Räumungsklage aus dem Haus bekamen. Die Mietschulden beliefen sich mittlerweile auf mehr als 35000 Euro, ein rechtskräftiges Urteil war lange nicht in Sicht. Der Grund: Der säumige Mieter, eine islamische Moschee, kennt alle Kniffe professioneller Prozesstaktik: Durch immer neue Tatsachenbehauptungen musste es mehrfach neue Termine zur Vorlage von Schriftstücken geben, dann hatte er Einsprüche aller erdenklichen Art erhoben, schließlich reichte er Befangenheitsanträge gegen die Richter ein.

Einer solchen Strategie können Vermieter und Justiz wenig entgegensetzen. Denn im Interesse des Rechtsschutzes kann viel Zeit zwischen Klage und Urteilsvollstreckung vergehen. Und das heißt, dass säumige Mieter noch jahrelang in einer Immobilie bleiben, auch wenn die Lage ziemlich eindeutig ist.

Der islamische Verein hatte eines Tages einfach aufgehört, Miete zu zahlen. Die Räume wollte er aber dennoch nicht aufgeben. „Der Verein hat nur ein Ziel, die Gewerberäume möglichst lange mietfrei zu nutzen“, glaubt Rosemaria Bujewski-Schultz, Rechtsanwältin der Vermieterin inzwischen. Abdu Rahim Vural, Justiziar der Islamischen Föderation, kennt den Fall und bestreitet dies vehement: „Der Verein hat keine Mietschulden.“ Es seien nur Kosten für Einbauten verrechnet worden mit Mietzahlungen, nachdem dem Verein vom Vermieter gekündigt worden war.

Dieser Fall ist ein besonders extremes Beispiel für Streitigkeiten zwischen Mietern und Vermietern von Gewerberäumen. Ein Einzelfall ist es jedoch keineswegs: Die Rezession hat die Zahl der Firmeninsolvenzen in Berlin auf Rekordniveau hochschnellen lassen. Wer pleite geht, zahlt auch keine Miete mehr. Und wer kurz vor der Insolvenz steht, versucht gelegentlich am Rande der Legalität, seine Kosten zu senken.

Hinzu kommt, dass auch Gewerbemieter, wenn sie dann ausziehen, immer häufiger einen Trümmerhaufen hinterlassen. Für Immobilieneigentümer ist das ein harter Schlag ins Kontor, denn am Markt herrschen ohnehin schon Überangebot und Dumpingpreise. Und diese Lage nutzen nun auch Mieter mit noch laufenden Verträgen aus, um in Nachverhandlungen auch diese eigentlich verbindlichen Preise noch einmal zu drücken.

Theoretisch, sagt Hubertus Crasemann, Geschäftsführer beim Maklerhaus Engel&Völkers, gelten bei Gewerbemietverträgen strenge Regeln für säumige Mieter: Zahlen diese drei Monate ihre Miete nicht, dann kann man eine Räumungsklage anstrengen. Doch die Praxis sieht oft anders aus. Bis der Vermieter den Räumungstitel in der Hand hält und den Gerichtsvollzieher losschicken kann, ist schnell ein Jahr vergangen. Ein Jahr, in dem der Eigentümer weder Miete noch Nebenkosten erhält.

Crasemann berichtet von einem Fall, in dem ein Nutzer von Gewerberäumen nicht einmal einen unterschriebenen Vertrag vom Immobilieneigentümer erhalten hatte und dennoch ein Jahr lang die Gewerberäume nutzen durfte. Dass das Gericht so mieterfreundlich urteilte, lag daran, dass die Hausverwaltung dem Kandidaten schon einen Schlüssel gegeben hatte – weil der Eigentümer mündlich einen Vertrag in Aussicht gestellt hatte. Zu diesem Zeitpunkt wusste der Immobilienbesitzer aber noch nichts von zweifelhaften Geschäften des Bewerbers.

Als er davon erfuhr, war es für einen Rückzieher zu spät. Obwohl der Mietvertrag nicht unterschrieben war, sahen die Richter in der Übergabe der Schlüssel eine stillschweigende Anerkennung des Mietverhältnisses. Das musste er teuer bezahlen: Ein Jahr lang bekam er nicht einen Cent. „Solche Fälle gibt es immer mal wieder“, sagt Crasemann. Doch an der Tagesordnung seien sie nicht.

Normal sein aber, dass sich Immobilieneigentümer eher mit Mietern herum, die „aufgrund der wirtschaftlichen Lage klamm sind“. Wer kein Geld hat, muss seine Ausgaben senken, und da die meisten Firmen in der Dienstleistungsbranche tätig seien, könnten sie nur an zwei Kostenschrauben drehen: beim Personal und bei den Mieten.

Dabei ist es von Recht wegen gar nicht möglich, unterschriebene Mietverträge für Gewerberäume vorzeitig zu kündigen. Denn die Verträge haben in der Regel Laufzeiten von fünf oder sogar zehn Jahren. Ein vorzeitiger Ausstieg ist nicht erlaubt: Vertrag ist Vertrag. Auch der Mietpreis ist fest vereinbart, Korrekturen sind nicht vorgesehen.

Vor Gericht hätte ein Mieter also keine Chance. Aus diesen Zwängen helfen sich jedoch manche Geschäftsleute mit einem einfachen Trick heraus: Sie machen eine Mietminderung geltend und begründen diese mit mehr oder minder stichhaltigen Mängeln. Zwanzig bis fünfzig Prozent Abschlag von der vereinbarten Miete seien keine Seltenheit, sagt Makler Crasemann, obwohl „mancher Mangel nur vorgeschoben“ sei.

Dennoch zögen die wenigsten Immobilieneigentümer deshalb vor Gericht. Trotz der teilweise beträchtlichen finanziellen Einbußen, versuchten die Eigentümer auf ihre Mieter zuzugehen. Sie wollten sie nicht verlieren, denn sie fürchteten noch höhere Kosten durch Leerstand. Der Hintergrund: Die Nachfrage nach Gewerbeflächen ist gering, mehr als 1,5 Millionen Quadratmeter Bürofläche stehen in der Stadt leer, weil es dafür keine Nutzer gibt. „Neue Mieter stehen heutzutage nicht gerade Schlange“, so Crasemann.

Diese Situation nennen Marktprofis einen „Mietermarkt“, und dieser macht die Nutzer von Gewerbeimmobilien zunehmend selbstbewusst. Auch wenn die Mieter über bestehende Verträge verfügen, die noch Jahre laufen, treten sie vorzeitig in Verhandlungen mit den Eigentümern der Fläche ein. Ihr Ziel ist es, sofort weniger zu zahlen. Im Gegenzug bieten sie dafür eine vorzeitige Verlängerung des Vertrages um weitere Jahre an.

Dies kann durchaus auch im Interesse des Vermieters sein. Dieser muss dann zwar auf einen Teil der bisher eingenommenen Miete verzichten, dafür braucht er jedoch nicht die deutlich höheren Kosten zu fürchten, die der Auszug seines Mieters nach sich ziehen würde. Denn dann müsste der Vermieter nicht nur längere Zeit einen neuen Mieter suchen, sondern die Räume auch noch auf eigene Kosten so ausbauen, wie der neue Mieter es verlangen würde. Dieses Entgegenkommen ist am Mietermarkt heute üblich.

Die gegenwärtigen Probleme der Vermieter sind jedoch keine Besonderheit hier zu Lande. „Im europäischen Vergleich ist Berlin kein besonders wildes Pflaster“, sagt Frank Orten. Dem Berater der Firma City-Report zufolge könnten sich Immobilieneigentümer vor den wirtschaftlichen Risiken, die mit „wackeligen Kandidaten“ einhergehen, beispielsweise durch eine höhere Kaution absichern. Wenn dies zu viel Liquidität binde, sei stattdessen auch der Einsatz eines Bürgen zur Absicherung der Mietverpflichtungen möglich. „Das freie Vertragsrecht auf dem gewerblichen Immobilienmarkt eröffnet einen nahezu unbegrenzten Gestaltungsspielraum“, sagt Orten. Im Ernstfall sei gegen die lockere Zahlungsmoral eines Gewerbemieters jedoch auf die Schnelle nichts auszurichten, meint der Experte: „Gewitzte Leute bekommt man selten in weniger als einem Jahr aus dem Haus.“

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