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Ein verlockendes Angebot. Immobilienmakler werben am Kurfürstendamm in russischer Sprache für ein ausgezeichnetes Leben in Berlin. Inzwischen haben viele Firmen ihren Service auf diese Kundengruppe ausgerichtet.

© Imago/Pemax Berlin

Berliner Immobilienmarkt: Der Rubel rollt nach Berlin

Der Ukraine-Konflikt sorgt für Kapitalflucht aus Russland – und führt Immobilienanleger an die Spree.

Wer an russische Immobilienkäufer denkt, vermutet meist Oligarchen, deren Vermögen oft aus dubiosen Quellen stammt. Sie kaufen en bloc Mietshäuser, errichten spektakuläre Villen oder renovieren ehrwürdige Altbauten in der Berliner Innenstadt. Doch die alten Klischees stimmen nicht immer. „Die Oligarchen investieren ihr Geld in London. Nach Berlin kommen eher die einfachen Millionäre“, sagt Corvin Tolle von Rohrer Immobilien schmunzelnd. Und liegt mit seiner Einschätzung gar nicht mal so falsch.

Denn die Zahl der Berliner Immobilieneigentümer mit russischem Pass wächst. Bei Blacklabel Immobilien beobachte man seit 2013 eine verstärkte Nachfrage russischer Interessenten nach Wohnimmobilien in der City West. „Charlottenburg, Dahlem, Steglitz und Grunewald sind besonders beliebt“, sagt Geschäftsführer Achim Amann.

Mein Auto, mein Boot, meine Berliner Immobilie

Inzwischen haben viele Bauträger und Makler ihren Service voll auf diese Kundengruppe ausgerichtet. Wie Kate Lehmann von L & B Immobiliya. Seit 2009 verkauft die junge Berliner Unternehmerin mit ihrer Geschäftspartnerin Lyubov Baumgärtner deutsche Immobilien vor allem an russische Käufer.

„Unsere Kunden gehören zur gut gebildeten Mittelschicht. Es sind Verwaltungsdirektoren, Anwälte und erfolgreiche Mediziner“, sagt die Maklerin. Bis zu 200 russische Interessenten betreut ihr Team im Monat. Da rollt der Rubel. Gekauft wird neben luxuriösen Neubauwohnungen zu Quadtratmeterpreisen von 10 000 Euro und aufwärts alles, bis hin zu kleinen Appartements aus Altbestand in Berlin und bundesweit.

Die Gründe für gutverdienende russische Käufer sich an der Spree Immobilien zuzulegen sind vielfältig. Der soziale Klassenhabitus gehört sicherlich dazu. Dimitri Baranow (Name geändert), leitender Mitarbeiter einer Zuckerfabrik aus Woronesch, einer Stadt mit knapp einer Million Einwohner zirka 500 Kilometer südöstlich von Moskau gelegen, bringt es auf den Punkt: „Meine Freunde kauften in Berlin, also machte ich es auch.“ Mein Auto, mein Boot, meine Berliner Immobilie: Dieses Anspruchsdenken motiviert viele Russen.

Russen suchen einen sicheren Hafen

Aber auch der derzeitige Ukraine-Konflikt und die angespannte wirtschaftliche Lage in Russland tragen dazu bei, dass russische Investoren verstärkt ihr Geld in Deutschland investieren. „Noch vor wenigen Jahren waren hochwertige Immobilien zur Eigennutzung in deutschen Urlaubs- und Skigebieten etwa an der Grenze zu Österreich, im Bayerischen Wald oder am Bodensee sehr gefragt“, sagt Kate Lehmann. Heute investierten die Russen überwiegend in Gewerbeimmobilien. „Sie wollen Geschäfte machen in einem sicheren politischen Umfeld“, sagt Lehmann.

Zu den spektakulärsten Deals russischer Investoren gehören Beteiligungen an großen Investmentfirmen. „Eine der größten Investitionen in hochwertige Berliner Gewerbeimmobilien war die Beteiligung von O1 Properties aus Moskau an der börsengelisteten CA Immo AG, die wir im vergangenen Oktober beraten haben“, sagt Ulf Buhlemann von Colliers International. Acht Bürohäuser, darunter der Spreebogen in Alt-Moabit, das „Tour Total“ Hochhaus und das im Bau befindliche „John F. Kennedy Haus“ am Hauptbahnhof gehören zum Portfolio.

Derzeit prüften einige Investoren den Erwerb von großvolumigen Gewerbeimmobilien in Berlin als Direktinvestment. Dabei werden selten Gebäude unter 50 Millionen Euro unter die Lupe genommen, sagt Buhlemann. Im Fokus stünden vielmehr große Gebäudekomplexe von mehr als 100 Millionen Euro in guten Lagen.

Der Kunde ist König

Ein verlockendes Angebot. Immobilienmakler werben am Kurfürstendamm in russischer Sprache für ein ausgezeichnetes Leben in Berlin. Inzwischen haben viele Firmen ihren Service auf diese Kundengruppe ausgerichtet.
Ein verlockendes Angebot. Immobilienmakler werben am Kurfürstendamm in russischer Sprache für ein ausgezeichnetes Leben in Berlin. Inzwischen haben viele Firmen ihren Service auf diese Kundengruppe ausgerichtet.

© Imago/Pemax Berlin

Doch die Ukraine-Krise beschert Maklern auch andere Kunden. „Wir bekommen viel mehr Anfragen von Ukrainern“, sagt Lehmann. Bei der Mittelschicht sei die Angst vor steigenden Inflationsraten groß. „Ukrainer sind Patrioten, die eher ungern im Ausland investieren. Aber jetzt fürchten sie, dass sie alles verlieren“, sagt Lehmann. Deutsche Immobilien gelten als sichere Geldanlage in turbulenten Zeiten.

Inzwischen haben Investoren aus der ganzen Welt Berlin – als noch günstig – entdeckt und finden hier Wohnimmobilien alternativ zu New York, London oder Paris als ein Must-have. Ähnlich sieht man das wohl auch in Russland. „Es genügt ein Blick auf die Landkarte“, sagt Corvin Tolle. Berlin sei die erste westliche Metropole in Europa. Außerdem bietet die Stadt Russen ein gewisses Heimatgefühl, weil es hier alles fürs „russische Leben“ gibt, in vielen Geschäften wird russisch gesprochen.

Sprachbarrieren gibt es für die beiden Geschäftsfrauen von L&B Immobiliya als „native Speakers“ ohnehin nicht. Man ist vorbereitet auf die anspruchsvolle Kundschaft, mit einem ganzen Bündel von Dienstleistungen und Netzwerkkontakten zu Hausverwaltungen, Anwälten, Steuerberatern und Notaren.

Alle wichtigen Unterlagen finden sich in kyrillischer Schrift. Auch der Verkauf beginnt an der Basis, in der Heimat der Interessenten. Oft bekommen die Frauen Vollmachten von ihren Kunden und vertreten sie bei der Kaufabwicklung. Die Rund-um-Betreuung ist kein Selbstzweck, sondern dient der Kundenbindung. Und: Es ist die Dienstleistung, die honoriert wird. Maklerprovision wirkt da auf die russische Seele oft vulgär, sagt Kate Lehmann.

Geschäfte machen - jenseits der Vorurteile

Dass im Umgang mit russischen Interessenten eine gewisse Sensibilität gefordert ist, weiß auch Nicole von Klencke. „Gerade die russischen Käufer sehen sich oft mit Misstrauen und Vorurteilen konfrontiert“, sagt die Geschäftsführerin von Unusual Spaces, die seit über 22 Jahren exklusive Immobilien in Berlin, Köln und New York vermittelt. So forderten die Verkäufer häufig viel mehr persönliche Informationen als üblich.

Dabei hätten russische Interessenten sehr genaue Vorstellungen von der gewünschten Immobilie. Sobald das passende Objekt gefunden sei, gehe die Transaktion in einer für Deutschland unüblichen Geschwindigkeit vonstatten. „Ich konnte kürzlich Kunden aus St. Petersburg eine Altbauwohnung in bester City West-Lage vermitteln. Die Kundin hat sich in die Wohnung verliebt und sofort gekauft, was in diesem Segment nicht die Regel ist“, erzählt von Klencke. Anders als viele Investoren aus Ländern mit strauchelnder Ökonomie, kauften ihre russische Kunden beispielsweise größtenteils zum Eigenbedarf als Erst- oder Zweitwohnsitz und seltener, um ihr Geld „in Sicherheit zu bringen“.

Der Immobilienerwerb durch russische Staatsbürger ist zunächst einmal nicht komplizierter als für deutsche Kunden. Auch Kredite für Immobilien an Russen werden zwar vergeben, seien aber tendenziell wenig nachgefragt, heißt es bei den Maklern. Denn erforderliches Eigenkapital sei bei Russen meist reichlich vorhanden. „Schon vor der Krise wurden nicht benötigte Vermögensteile in Devisen geparkt“, sagt Alexander Scheinin vom Büro Allgemeine Immobilien-Börse Berlin. Allein in den vergangenen zwei Jahren hat er Wohn- und Gewerbeimmobilien für mehr als 40 Millionen Euro an russische Kunden verkauft. Ein Trend, der weiter anhalten dürfte.

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