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Wohnungsnot. Damit in Berlin und anderen Großstädten das Angebot nicht weiter schrumpft, soll mehr gebaut werden.

© Christoph Schmidt/dpa

Bundesweiter Leerstandsindex: Wechselwirkung: Geringer Leerstand lässt Mieten steigen

In Berlin sind nur noch 2,3 Prozent der Wohnungen auf dem Markt. Experten plädieren für Neubau.

Der Wohnungsleerstand in Berlin ist in den letzten Jahren kontinuierlich zurückgegangen und betrug Ende 2011 nur noch 2,3 Prozent. Dies geht aus einem bundesweiten Leerstandsindex hervor, den die Immobilienberatungsunternehmen CBRE und Empirica diese Woche vorgelegt haben. In den nächsten Jahren dürfte das Angebot an Wohnungen noch geringer werden: „Wir rechnen damit, dass der Leerstand in Berlin jedes Jahr um etwa ein Zehntel zurückgeht“, sagt Empirica-Vorstandsmitglied Reiner Braun. Demnach dürften momentan noch rund zwei Prozent der Berliner Wohnungen auf dem Markt sein.

Dass parallel zum Rückgang des Leerstands die Wohnungsmieten markant gestiegen sind, ist laut Braun kein Zufall: „Steigende Mieten hängen mit sinkendem Leerstand zusammen.“ Zwischen 2004 und 2012 reduzierte sich laut Empirica und CBRE die Zahl der leer stehenden, vermietbaren Wohnungen in Berlin um 52 Prozent, während die Mieten um 32 Prozent zulegten. Dass das Prinzip auch umgekehrt funktioniert, zeigt das Beispiel der kriselnden Stadt Gelsenkirchen: Dort nahm der Leerstand zwischen 2004 und 2012 um 33 Prozent zu – die Mieten sanken um drei Prozent.

Diese Zahlen beziehen sich auf den sogenannten marktaktiven Leerstand. Darunter verstehen die Experten diejenigen Wohnungen, die zwar leer stehen, aber sofort oder nach geringen Renovierungsarbeiten vermietet werden können. Nicht erfasst ist der sogenannte dysfunktionale Leerstand: Wohnungen, die wegen ihres desolaten baulichen Zustands oder aus anderen Gründen dem Markt mittelfristig gar nicht zur Verfügung stehen. Berücksichtigt man auch diese derzeit nicht vermietbaren Wohnungen, so kommt man für Berlin auf einen Leerstand von 5,7 Prozent (Ende 2011). Die Werte für 2012 wollen CBRE und Empirica im Herbst vorlegen.

Bundesweit lag der marktaktive Leerstand Ende 2011 bei 3,4 Prozent. Dabei zeigen sich große Unterschiede zwischen wirtschaftlich starken Regionen und Gebieten, die mit Bevölkerungsrückgang kämpfen. Während in Schrumpfungsregionen 6,4 Prozent der Wohnungen leer stehen, sind es in Wachstumsregionen lediglich 2,2 Prozent – mit sinkender Tendenz: 2006 betrug der marktaktive Leerstand noch 3,2 Prozent.

Viel dramatischer als in Berlin ist die Situation etwa in München, wo gerade mal 0,6 Prozent der Geschosswohnungen kurzfristig zur Vermietung stehen, sowie in Hamburg (0,7 Prozent) und Ingolstadt (0,8 Prozent). Auch in Potsdam ist das Angebot für Mieter mit 1,5 Prozent deutlich geringer als in der Hauptstadt. Komplett anders ist das Bild in Salzgitter und Chemnitz, wo 11,7 beziehungsweise 10,4 Prozent aller Wohnungen sehnsüchtig auf einen Mieter warten. Dass sich die Situation gerade in den Ballungszentren verschärft, zeigt der Umstand, dass der Rückgang der Leerstandsquote in Berlin und München besonders markant ausgefallen ist: In beiden Städten reduzierte sich die Quote zwischen 2009 und 2011 um einen ganzen Prozentpunkt.

Unsichere Zahlen

Allerdings sind die genannten Zahlen „mit hohen Unsicherheiten behaftet“, räumt Reiner Braun von Empirica ein. Eine offizielle Leerstandsstatistik wird in Deutschland nicht geführt. Und die Zusammenarbeit von Empirica mit dem Heizgeräteableser Techem, die jahrelang einen als relativ zuverlässig geltenden Leerstandsindex erbrachte, endete 2009. Um diese Lücke zu schließen und Investoren wieder mit möglichst aussagekräftigen Zahlen für alle 402 deutschen Landkreise und kreisfreien Städte zu versorgen, zapften CBRE und Empirica diverse Quellen an. Dazu gehören die Bewirtschaftungsdaten von 600 000 Wohnungen, die CBRE vorliegen. Hinzu kommen Analysen und Schätzungen auf Grundlage einer von Empirica geführten Datenbank sowie des vom Statistischen Bundesamt verantworteten Mikrozensus.

Gut möglich ist es laut Braun, dass der Leerstand in Wirklichkeit niedriger ist. Denn laut Mikrozensus gilt eine Wohnung als unbewohnt, wenn der Interviewer bei mehrmaligem Besuch niemanden antrifft; vielleicht ist der Bewohner ja aber nur länger im Urlaub.

Trotz methodischer Unsicherheiten: Dass der Leerstand in Berlin gesunken ist, ist unstrittig. Der Verband Berlin-Brandenburgischer Wohnungsunternehmen (BBU) bezifferte ihn diese Woche bei seinen Mitgliedsunternehmen auf 2,3 Prozent – die gleiche Quote, die Empirica und CBRE für das Jahr 2011 errechnet haben. Allerdings vermutet die Investitionsbank Berlin (IBB) in ihrem Wohnungsmarktbericht 2012, dass die durchschnittliche Leerstandsquote in Berlin höher sein dürfte als in den vom BBU repräsentierten Anlagen. Diese Wohnungen seien nämlich überwiegend gut gepflegt und würden im unteren und mittleren Preissegment angeboten, so dass die Nachfrage besonders groß sei.

Damit das Angebot in Berlin und anderen Großstädten nicht weiter schrumpft, sprechen sich die Experten von CBRE und Empirica für mehr Neubau aus. Die Ankündigung der Berliner Senatsparteien, die landeseigenen Wohnungsbaugesellschaften zu verstärkten Neubauaktivitäten zu verpflichten, bezeichnet CBRE-Bewertungsspezialist Michael Schlatterer als „sehr gute Maßnahme“, auch wenn sie sich erst in einigen Jahren auswirken werde. Außerdem dürfe man nicht vergessen, dass der Wohnungsmarkt sehr unterschiedlich sei: Während es in Prenzlauer Berg bei Besichtigungen zu langen Schlangen kommen könne, „sind Sie in Spandau vielleicht der einzige Bewerber für eine Wohnung“.

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