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Immobilien: Den Strom machen wir uns selbst

Umweltbewusste Interessenten kaufen nur, wenn das Energiekonzept stimmt: Für die Engelhöfe in Kreuzberg plant der Investor ein Blockheizkraftwerk

Im Kreuzberger Kiez leben. Lässig und mittendrin, wie Herr Lehmann in Sven Regeners Erfolgsroman. Aber bitte nicht ohne mitte-typischen Schick. Komfortabel soll es sein. Kinderfreundlich. Und umweltbewusst. Mit genau dieser Mischung versucht man es jetzt nahe des Engelbeckens. Gleich mehrere Investoren wagen sich auf dem Areal zwischen Dresdener Straße, Waldemarstraße und Legiendamm an kompakte Neubauvorhaben: Allesamt hochwertig ausgestattet, mit Terrassen, Balkonen oder Gärten, Tiefgaragen und Fahrstühlen, mit geradlinigen, hellen Fassaden und jeder Menge Glas.

Eines dieser Projekte sind die „Engelhöfe“ an der Dresdener Straße 34 und 35. Gerade hat der Bezirk sein Okay unter den Bauantrag gestempelt. Demnächst starten auf dem 5000 Quadratmeter großen Grundstück die Arbeiten für das 23 Millionen Euro teure Projekt, für die die Planungsgesellschaft von Kathen und Wall „skulpturale Entwürfe“ gezeichnet hat. In der Mitte eines aus fünf Häusern bestehenden Ensembles sind eine Piazza mit Spielplatz und Brunnen vorgesehen. Die Wohnungsgrößen variieren zwischen 78 und 200 Quadratmetern.

Investor Michael Weise und sein Geschäftspartner von der „BWD Objektgesellschaft V“ sind optimistisch, dass sich die 82 Wohnungen schnell verkaufen lassen – ein Vertriebsplan, der bei Preisen von bis zu 3200 Euro je Quadratmeter als ambitioniert gelten darf. Weises Verkaufsargumente sind nicht nur die szenige Nachbarschaft rund um die Oranienstraße und der frisch entstandene Grünstreifen am Engelbecken. Das Besondere der Engelhöfe: die fünf- bis siebengeschossigen Gebäude werden ihren Energiebedarf selbst decken – über ein eigenständiges Blockheizkraftwerk.

Damit rennen die Investoren bei einer speziellen Zielgruppe offene Türen ein. Gemeint sind etablierte, in stabilen finanziellen Verhältnissen lebende Familien, gebildet und umweltbewusst – die Köhlers zum Beispiel. „Schon als Schülerin habe ich mich bei Greenpeace engagiert. Jetzt, als zweifache Mutter, denke ich natürlich noch weiter, was wir den Kindern hinterlassen“, sagt Petra Köhler, die sich mit ihrem Mann Jan schon mal an den Engelhöfen umgesehen hat. Für die beiden Steglitzer, die schon etliche Objekte besichtigt haben, geht es darum, „drei Fliegen mit einer Klappe“ zu schlagen: Sie wollen „zentral und doch kinderfreundlich wohnen, umweltbewusst leben und langfristig auch die Betriebskosten kalkulieren können." Das Paar hofft, nach einem Umzug bis zu 40 Prozent der aktuellen Energiekosten zu sparen. „In unserem hohen Altbau heizen wir jetzt bestimmt jede Menge Geld zum Fenster hinaus.“ Das soll sich ändern – die Zauberformel heißt BHKW, das steht für ein Blockheizkraftwerk (BHKW), mit dem man unabhängig von regionalen Stromerzeugern wird.

Wie das funktioniert? Im Fall der Engelhöfe beginnt alles mit Zuckerrübenpressschnitzeln, wie Jens Zinke, Niederlassungsleiter der Firma Getec, erklärt. Das Abfallprodukt der landwirtschaftlichen Zuckergewinnung wird in der Nähe von Magdeburg zu Biogas umgewandelt. Mit diesem günstigen, weil subventionierten Brennstoff wird das BHKW in Kreuzberg betrieben. Nach dem Prinzip der Kraft-Wärmekopplung erzeugt ein Verbrennungsmotor mechanische Leistung, die von einem Generator in elektrische Energie transformiert wird. Der so produzierte Strom lässt sich direkt in den Engelhöfen nutzen. Die durch den Verbrennungsmotor entstehende Wärme wird genutzt, um damit zu heizen und Wasser zu erwärmen. Das ist sparsamer als die herkömmliche Kombination von lokaler Heizung und Energiebeschaffung aus zentralem Großkraftwerk. Schließlich gibt es keine energetischen Transportverluste. Experten sprechen daher von einer hoch effizienten Technologie, die zudem auch die CO2-Emission gegenüber herkömmlichen Anlagen verringert. Die im Vergleich höheren Anfangsinvestitionen sollen sich binnen weniger Jahre amortisieren, denn überschüssiger Strom wird ins öffentliche Stromnetz eingespeist – gegen einen Geldbetrag mit dem schönen Namen „Rückspeisevergütung“. Wie viel Geld sich mit einem BHKW für einen Haushalt auf Dauer sparen lässt, darauf wollen sich Fachleute nicht festnageln lassen. Das hängt nicht nur von Verbrauch und Überschuss ab, sondern auch von den energetischen Eigenschaften des Hauses, der Qualität der Wärmedämmung oder der Fenster.

Sollten sich die Köhlers wie geplant dazu entschließen, eine Wohnung in den Engelhöfen zu kaufen, kämen sie gegen Aufpreis auch in den Genuss eines Leitungssystems, das noch einmal die Betriebskosten reduzieren kann. Die sogenannte intelligente Haustechnik (EIB steht für Europäischer Installationsbus) verbindet Geräte und Anlagen zu einem wirtschaftlichen System. Der EIB steuert zum Beispiel die Beleuchtung und Jalousien, die Heizung sowie die Schließ- und Alarmanlage. Durch das EIB-System werden, so sagen Fachleute, bis zu 40 Prozent an Heizkosten gespart.

Dem Trend zur Sparsamkeit in Sachen Energie folgen auch andere Bauherren auf dem Areal. An der Ecke Dresdener Straße und Waldemarstraße 1 etwa baut die Archigon ein Niedrigenergie-Lofthaus.

Über die Engelhöfe kann man sich am morgigen Sonntag von 14 bis 18 Uhr an der Dresdener Straße informieren – beim Familiennachmittag unter dem Motto „Hallo Nachbarn“.

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