zum Hauptinhalt

Immobilien: Der Bauherr und sein Meister

"Wenigstens zur Bauabnahme hätte er pünktlich kommen können - das war wohl das Mindeste, was wir erwarten durften." Ausgerechnet der Architekt hatte gefehlt, obgleich Familie Wulff ihn ausdrücklich mit der Bauüberwachung ihres Hauses beauftragt hatte.

"Wenigstens zur Bauabnahme hätte er pünktlich kommen können - das war wohl das Mindeste, was wir erwarten durften." Ausgerechnet der Architekt hatte gefehlt, obgleich Familie Wulff ihn ausdrücklich mit der Bauüberwachung ihres Hauses beauftragt hatte.Das Paar hatte sich das Grundstück der Großeltern nördlich von Berlin auserkoren, um sich einen Traum zu erfüllen: Das Sommerhaus.Ihre Wahl fiel auf das Blockhaus eines österreichischen Herstellers.Der schickte zwar einen Zurichter zur Montage der Holzteile, die Wulffs aber wollten darüberhinaus zu ihrer Sicherheit einen Architekten hinzuziehen.Der aber ließ sich in der Planungsphase nur ein Mal auf der Baustelle blicken, war danach kaum erreichbar, und am Tag der Bauabnahme kam er anderthalb Stunden nach dem anberaumten Termin.

"Ich sehe nicht die Leistungen, die die Honorarforderungen des Architekten rechtfertigen würden", sagt Bauherrin Karin Wulff.Auch Burkhard Kehr kann ein Lied singen von solchen Fällen.Sie füllen die prallen Ordner in seinem Büro.Kehr unterhält bei der Architektenkammer Berlin ein "Sorgentelefon" für Bauherren, die Ärger mit Architekten haben.Seine Aufgabe ist es, die Konfliktparteien zu beraten und eine außergerichtliche Schlichtung anzubahnen."Natürlich gibt es auch in unserer Branche graue und schwarze Schafe", sagt Kehr, obwohl er selbst als Architekt arbeitet.Immerhin sei aber das Terrain zwischen Bauherren und Architekten kein juristischer Dschungel, denn Architektenleistungen unterliegen dem Werkvertragsrecht.Dadurch können Geschädigte ihren Baumeister - auch rückwirkend - als Gesamtschuldner in Regreß nehmen, vorausgesetzt, die Mängel am Bau fallen tatsächlich in dessen Verantwortungsbereich.

"Weil der Architekt das weiß, muß ihm daran gelegen sein, eine einwandfreie Arbeit abzuliefern", sagt Kehr.Nicht mehr diesem Werkvertragsrecht unterliegen Fertighausfirmen oder Leistungen von Unternehmen, die den Bau des Hauses einschließlich aller Nebenleistungen als Paket anbieten.So will es ein Urteil des Bundesgerichtshofs vom Mai 1997 (VII ZR 290/95).Demnach sind Unternehmen, die Häuser in Kombination mit Bauleistungen verkaufen, von den rechtlichen Bindungen der Honorarordnung für Architekten und Ingenieure (HOAI) entbunden.

Darüberhinaus enthalten die Verträge von Fertighausfirmen oft Klauseln: Sie begrenzen ihre Haftung auf die Zeit bis zur Einreichung des Bauantrags.Werden danach noch Nachbesserungen fällig, beispielsweise wenn das Bauamt Umbauten verlangt, dann trägt der Kunde die Kosten.Dadurch kann sich die vermeintliche Kostensicherheit eines Alles-Inklusive-Angebotes leicht als Illusion erweisen.Für alle Angebote - gleich ob von Architekten oder Bauträgern - gilt es darauf zu achten, ob sie Nebenkosten enthalten.Mancher Bauträger berechnet Hausanschlüsse für Wasser und Gas gerne extra, wie auch die Honorare für Haustechnik-Ingenieure, Statiker und Bodengutachter.

Daher besteht unter Bauexperten Einigkeit darüber, daß Architektenhäuser nicht teurer als Fertighäuser oder Bauträgerhäuser sein müssen, sofern im Vorfeld der Kostenrahmen festgesteckt ist."Oft werden Architektenhäuser sogar viel billiger", sagt Mathias Kemmer.Er strickt bei der Investitionsbank Berlin Finanzierungskonzepte für Bauherren.Einsparungen bietet das Architektenhaus deshalb, weil der Bauherr zusammen mit seinem Baumeister schon in der Entwurfsphase seine Mitarbeit als Eigenleistung einplanen kann.Vor allem aber Bauherren mit vielen Sonderwünschen fahren mit einem Architektenhaus meistens besser.Als Pluspunkt kommt hinzu, daß gemauerte Häuser als langlebiger gelten im Vergleich zu Fertigbauten.Bei einem Weiterverkauf erzielen sie daher zumeist höhere Preise.

Wenn die Kosten nicht höher sind, warum ist die Hemmschwelle von Bauherren, einen Architekten zu beauftragen, so hoch? Vielleicht weil die meisten Menschen ein Haus nur einmal in ihrem Leben bauen.Dafür aber einen vertrauenswürdigen Architekten zu finden, ist nicht ganz einfach.Die Architektenkammer kann bei der Suche nach "dem Richtigen" aber nicht direkt helfen: "Aus verständlichen Gründen möchten wir keine Empfehlungen aussprechen", sagt Sprecherin Ingrid Kuldschun.Auch dürfen Architekten nicht werben.So muß der Bauherr bei der Kammer das Mitgliederverzeichnis anfordern oder es dort einsehen.Das enthält die Adressen von 600 Berliner Baumeistern einschließlich Portraits ihrer Büros und Vermerke über deren Spezialisierung.

Der wichtigste Vorzug eines Architekten ist aber wohl, daß er das Haus auf die ganz konkrete Lage zuschneiden kann: Er paßt es ans Ortsbild an und berücksichtigt die Besonderheit des Grundstückes, seine Umgebung, die Beschaffenheit des Geländes und natürlich dessen Zuschnitt.Daß es indes am wichtigsten Vorzug des Architekten, der persönlichen und umfassenden Betreuung des Bauherren, bisweilen hapert, das weiß Schlichter Kehr nach 10 Jahren Erfahrung mit Bauherrenkummer.Er versichert aber: "Von der Mehrzahl der Kollegen kann man diese Qualitäten erwarten."

Dennoch schwimmen den Architekten die Felle davon: "Viele unserer Mitglieder halten sich nur mit Mühe über Wasser, vor allem junge, unbekannte Architekten kommen kaum an Aufträge ran."

Jacqueline Braune, Sprecherin des Bundesverbandes Fertigbau, kämpft hauptberuflich gegen das Klischee vom Fertighaus als vorgestanzter Papp-Hütte: "Das Fertighaus von der Stange gibt es nicht mehr", lautet ihr Credo.Moderne Fertighäuser besäßen nur noch wenige, meist statisch bedingte feste Module, der große Rest ist nach den Vorstellungen des Bauherren variabel veränderbar.Auch für Fertighauskunden, die mit der Leistung eines Anbieters nicht zufrieden sind, gibt es ein Sorgentelefon: die Ombudsfrau des Fertigbau-Verbands.Voraussetzung ist allerdings, daß die Firma Mitglied im Verband ist, und das sind derzeit nur 34 von über 50 Unternehmen am deutschen Markt.

Die größte Konkurrenz der Architekten sind aber nicht die klassischen Fertighäuser, sondern Komplettangebote von Bauträgern, die Häuser einschließlich aller Bauleistungen verkaufen.Deren Erfolgsgeheimnis ist für Architektensprecherin Kuldschun, "daß sie den Leuten die Furcht vor dem Paragraphenwust, vor dem finanziellen Risiko und anderen Unwägbarkeiten des Bauens nehmen".Dabei sei gerade das der Part, den traditionell der Architekt unerfahrenen Bauherren abnehmen sollte.Viele junge Architekten versuchten inzwischen, auf dem Markt für vorgefertigte Häuser Fuß zu fassen.Sie übernehmen Teilleistungen wie die Unterkellerung und gingen bei der Betreuung weit über die Grenzen der reinen HOAILeistungen hinaus.Allerdings, so die Architektensprecherin weiter, zähle das "Zusammenstecken von Fertighäusern und das Gießen von Fundamenten, nicht zu dem, was sich Architekten gemeinhin unter ihrem Beruf vorstellten", sagt Kuldschun.Wann eine anspruchsvolle Eigenheimarchitektur hierzulande ihre Renaissance erfährt, das steht allerdings noch in den Sternen.FRANK

Wichtige Adressen für Bauherren: Honorar- und Vertragsberatung der Architektenkammer Berlin: Andrea Lossau Tel: 2933 0712; Burkhard Kehr, Tel: 306 2642.Verband privater Bauherren Tel: 711 4135.Ombudsfrau Bundesverband Deutscher Fertigbau: Friederike Schwarz, 02224/937724

Architektenverzeichnis der Architektenkammer Berlin, Forum Verlag, 28 DM, Informationen unter Tel: 293 3070.

PETER JÄGER

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false