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Immobilien: Der röhrende Hirsch als originelle Provokation

Als nutzlos abgetane Deko-Artikel erleben eine Renaissance. Denn zum nüchternen Minimalismus gehören auch gefühlsbetonte Gegenstände

Die Sperrgut-Abfuhr schien in den vergangenen Jahren die wichtigste Dienstleistung für viele Haus- und Wohnungsbesitzer zu sein: „Weg mit dem Ballast“ hieß die Devise in den Wohnratgebern. „Neun Zehntel des Inventars sind überflüssig“, mahnte der britische Einrichtungs-Guru Terence Conran. „Reduziertes Wohnen“ forderten Trendmessen. Also flogen die Staubfänger raus: die Beistelltische, Vitrinen, Vasen, Kerzenleuchter, Kissenberge und alle Arten von hübschen, aber an sich nutzlosen Deko-Artikeln. Jetzt heißt es: Kommando zurück. Reduzieren bedeute nicht, dass auf Dekoration völlig verzichtet werde, räumt selbst Tom Dixon ein, Hausdesigner der für ihren Purismus bekannten Einrichtungskette Habitat mit Deutschlandsitz in Hamburg. Dixon betont, dass zum „nüchternen Minimalismus“ auch eine Auswahl „gefühlsbetonter Gegenstände“ gehöre, wenn man sich in den eigenen vier Wänden heimisch fühlen wolle.

Welche Gegenstände das sind, und wie viel man sich davon erlauben darf, lässt sich allerdings schwer verallgemeinern. Natürlich gibt es Dekor-Trends wie in der Kleidermode: Der unverwüstliche Landhausstil etwa oder dessen exotische Spielart „Ethno“, bei dem die Wohnung mit Leopardenmustern, Flechtwerk oder Asien-Dekor in eine fernöstliche Welt verwandelt wird oder Verspielt-Witziges für die unverdrossenen Anhänger der Spaßgesellschaft: Kleinmöbel aus Konfekt oder Keksen zum Beispiel und Leuchten in Form von Jojos.

Grundsätzlich lebt das Dekorieren aber „vom persönlichen Geschmack“, betont Graziela Preiser, Chefredakteurin des in Hamburg erscheinenden Magazins „Schöner Wohnen decoration“. Die Menschen wollen „warm und freundlich“ wohnen, sich mit Lieblingsstücken umgeben. Dabei komme es nicht darauf an, ob es teure Designerware, Porzellan aus Meißen oder schlicht Selbstgebasteltes sei.

Wer also barocke Spiegel mag und das nötige finanzielle Polster hat, sollte sich ruhig damit umgeben. Wem Blümchenmuster à la Laura Ashley behagen, liegt mit dieser Vorliebe keinesfalls außerhalb des guten Geschmacks. „Je individueller und kreativer die Auswahl, desto besser“, rät Preisers Kollege Andreas Lichtenstein, Stylist und Kreativdirektor der Zeitschrift „Living at Home“ aus Hamburg. Selbst gegen den berüchtigten „Röhrenden Hirschen“ an der Wand ist nichts einzuwenden: In das Haus eines Hobbyjägers passt er gewiss. „Und auch als originelle Provokation in einer ansonsten modernen Wohnung kann er seinen Platz finden", sagt Stefanie Neumann von Ikea Deutschland. „Anything goes" – alles ist möglich, laute mittlerweile das Motto, und grundsätzlich gelte: „Der Minimalismus geht zurück“. „Noch vor wenigen Jahren beherrschte die Wohnungen fast ausschließlich Schwarz, Weiß und Stahl", sagt Annette Rikus vom traditionsreichen Kölner Einrichtungshaus Pesch. „Jetzt fragen die Kunden nach Orange, Rot, Bordeaux und sogar Messing.“ Alles werde weicher: die Farben, die Materialien, die Stoffe. „Renner sind Decken und Kissen mit Bezügen zum Beispiel aus Filz – und keinesfalls nur in Grau", erzählt Rikus. Fransenwolldecken in Pastelltönen oder Cashmere-Plaids verwandeln eine coole Ledercouch in eine Kuschel-Oase. Nahezu einen Boom hat die Deko-Beraterin bei Tischdecken und Tischläufern festgestellt: „Essen am nackten Glastisch ist definitiv passé.“

Ein großes Thema – auch beim Einrichten – sei inzwischen das Stichwort „Wellness“ geworden. „Das Zuhause wird zur Erholungszone", so Rikus. Duftlampen und aromatisierten Kerzen kommt damit gleich zweierlei Nutzen zu: Sie sehen hübsch aus und fördern das Wohlgefühl.

Bilderrahmen, schlicht oder opulent, Vasen, nicht mehr nur aus transparentem Glas, sondern ebenfalls in Farbe, und Leuchten, elektrische wie mit Kerzen bestückte, sind weitere Mittel, die Wohnung nach dem persönlichen Geschmack zu gestalten. Gerade Kerzen sind unverzichtbar geworden – beileibe nicht nur in der dunklen Jahreszeit: „Inzwischen verlässt wohl kein Kunde mehr eines unserer Häuser ohne Teelichte oder andere Kerzen“, heißt es bei Ikea.

Sinn fürs Dekorieren macht aus einer Wohnung nicht nur ein außergewöhnliches Zuhause, er sorgt auch für Abwechslung. Das muss nicht teuer sein, denn auch mit preiswerten Dingen lässt sich ein neues Umfeld schaffen. dpa / gms

Frank Rumpf

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