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Die Fachleute auf der Expo Real waren sich einig: Berlin braucht ein positives Neubauklima.

© promo Messe München

Der Wohnungsbau in Berlin boomt: Investoren glauben an das Potenzial Berlins

Auf der internationalen Messe Expo Real ist der Berliner Wohnungsmarkt ein großes Thema.

Lebhaft geht es zu in der Diskussionsrunde am Stand der immobilienwirtschaftlichen Spitzenverbände in Halle B2 der Münchner Messe. „Es gibt keinen Grund zu Alarmismus“, sagt Jürgen Michael Schick, Chef des Berliner Maklerunternehmens Schick Immobilien und Vizepräsident des Immobilienverbandes IVD. „Berlin ist nach wie vor ein erschwinglicher Wohnungsmarkt.“ Das aber lässt Berlins Stadtentwicklungssenator Michael Müller nicht gelten: Der von Schick angestellte Vergleich mit den Wohnkosten in anderen Städten helfe nicht weiter. „Wir haben eine andere soziale Situation und eine ganz andere Einkommensentwicklung“, betont der SPD-Politiker. „Deshalb bin ich skeptisch gegenüber der Einstellung, in Berlin sei alles ganz entspannt.“

„Strategien für bezahlbares Wohnen in Metropolen – Das Beispiel Berlin“ heißt die Runde auf der Immobilienmesse Expo Real. Dass sie ausgesprochen gut besucht ist, zeigt, dass das in Berlin intensiv diskutierte Thema, wie sich bezahlbares Wohnen sichern lässt, auch die überregionale Fachöffentlichkeit umtreibt. Denn die Expo Real, die diese Woche in München stattfand und 38 000 Besucher anlockte, ist keine Häuslebauer-Messe, sondern eine Veranstaltung für Immobilienprofis: Entscheidungsträger von Projektentwicklungsfirmen, Fondsgesellschaften, Maklerhäusern, Kommunen und Lobbyorganisationen treffen sich jährlich im Oktober an der Isar, um Geschäfte zu machen und Trends aufzuspüren.

Senator Müller nutzt die Gelegenheit, um das vor kurzem mit den sechs landeseigenen Wohnungsbaugesellschaften abgeschlossene Bündnis für bezahlbare Mieten zu loben. Und er appelliert an private Unternehmen, sich ebenfalls beim Wohnungsneubau zu engagieren: „Wir brauchen auch private Partner für mehr Wohnungen in Berlin.“

Doch die Angesprochenen konfrontieren den Senator in der Diskussionsrunde mit deutlicher Kritik. Thomas Zinnöcker, Vorstandsvorsitzender des börsennotierten Wohnungsunternehmens GSW, attackiert indirekt die Pläne des Senats, den Mieterhöhungsspielraum einzuschränken: „Wir müssen die Rahmenbedingungen für Investoren verbessern und dafür sorgen, dass sie eine angemessene Rendite erhalten“, sagt er, fügt aber gleich hinzu, dass das „kein Widerspruch zu sozialer Verantwortung“ sei.

Eine Kappung der Miethöhe wäre „kontraproduktiv“, sagt auch IVD-Vertreter Jürgen Michael Schick. Er plädiert stattdessen dafür, die Kräfte des Marktes walten zu lassen. Denn gerade Berlin zeige, dass der Markt „wie aus dem Lehrbuch“ funktioniere: „Jetzt, wo die Mieten steigen, steigt auch die Zahl der Baugenehmigungen.“ An die Versäumnisse der Vergangenheit erinnert Matthias Klussmann, Vorsitzender des Landesverbands Berlin/Brandenburg des Immobilienverbandes BFW: „Bis vor zwei oder drei Jahren haben wir vergeblich Wohnungsneubau gefordert“, erklärt er. „Keiner in der Politik wollte das Thema sehen, obwohl die Marktverknappung absehbar war.“ Jörg Franzen schließlich, Vorstand der landeseigenen Gesobau, bekennt sich zu dem mit dem Senat abgeschlossenen Mietenbündnis, räumt aber ein, dieses sei eine „unternehmerische Gratwanderung“.

Der „quirligste Markt“

Zuversichtlich. Berlins Stadtentwicklungssenator Michael Müller mit dem Vorsitzenden der Geschäftsführung Messe München Klaus Dittrich.
Zuversichtlich. Berlins Stadtentwicklungssenator Michael Müller mit dem Vorsitzenden der Geschäftsführung Messe München Klaus Dittrich.

© promo Messe München

In einem Punkt sind sich die Diskutanten jedoch einig: „Wir brauchen unbedingt ein positives Neubauklima in Berlin“, wie es Maren Kern, Vorstandsmitglied des Verbandes Berlin-Brandenburgischer Wohnungsunternehmen, formuliert. Dabei gelte es, der verbreiteten Einstellung nach dem Motto „Neubau ja – aber bitte nicht vor meiner Tür“ entgegenzutreten. Eine kürzlich vom BBU durchgeführte Auswertung habe gezeigt, dass gut ein Fünftel der genehmigten Wohnungen nicht gebaut werden.

Und neu bauen wollen viele Unternehmen. Denn gerade auch überregional tätige Firmen glauben an das Potenzial des hauptstädtischen Wohnungsmarkts. „Berlin spielt beim Wohnungsbau eine zunehmend große Rolle“, sagt beispielsweise Christoph Husmann, Chef der Immobiliensparte von Hochtief Solutions. Die zum Baukonzern Hochtief gehörende Gesellschaft hat gerade den Verkauf von 86 Eigentumswohnungen am Barbarossaplatz in Schöneberg gestartet – nach langen Kämpfen mit Mietern, die sich gegen den Auszug und den Abriss ihres Hauses wehrten. Die neuen Wohnungen, die im Durchschnitt 3850 Euro pro Quadratmeter kosten, finden offenbar reißenden Absatz: Am ersten Vertriebswochenende seien schon 30 Reservierungsvereinbarungen unterzeichnet worden, berichtet Gabriele Stegers, Pressesprecherin von Hochtief Solutions.

Ein weiteres auf der Expo Real vorgestelltes Projekt will die Sanus AG in Angriff nehmen: 142 Eigentumswohnungen auf einem jetzigen Garagengelände in der Rigaer Straße in Friedrichshain. Mit einem Durchschnittspreis von 3300 Euro pro Quadratmeter entsprechen sie nicht gerade der von Senator Müller erhobenen Forderung nach günstigen Neubauwohnungen. Aber die Nachfrage scheint vorhanden zu sein, wie Michael Ries, Vorstand des Immobilienunternehmens Pantera, bestätigt. Der verkauft gerade die neuen Wohnungen in den obersten Etagen eines ehemaligen Verwaltungsgebäudes auf der Halbinsel Stralau – die teuerste Einheit kostet dabei gut 7000 Euro pro Quadratmeter.

Und wie sieht ein unabhängiger Experte den Boom auf dem Berliner Wohnungsmarkt? Berlin sei in Deutschland „der quirligste Markt“, antwortet Manfred Binsfeld von der Ratingagentur Feri Eurorating Services. Das wirtschaftliche Umfeld habe sich in den letzten Jahren verbessert, so dass „das mittelfristige Potenzial von Berlin positiv zu bewerten“ sei. Und doch mahnt der Fachmann mitten im Messetrubel zu Besonnenheit: Grundsätzlich „sollte man nicht den Fehler begehen, die Entwicklung der Haushalts- und Wohnungszahl linear in die Zukunft zu extrapolieren“.

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