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Immobilien: Die Mauer muss weg

Aus zwei kleinen Wohnräumen wird ein großer - aber Vorsicht bei tragenden Wänden

Mit Räumen ist das ganz seltsam: Je länger man darin wohnt, desto kleiner werden sie. Vielleicht, weil die Schrankwände oder Regale wachsen, die all die Dinge aufnehmen, die sich im Lauf der Zeit angesammelt hat. Wie auch immer: Das Wohnzimmer – oder, wie in diesem Fall: die Küche – ist zu klein – aber deshalb umziehen? Wo doch gleich nebenan beispielsweise ein Kinderzimmer liegt, das nicht mehr gebraucht wird. Da liegt es nahe, aus zwei Räumen einen großen zu machen.

Die Vergrößerung eines Raumes hat Vor- und Nachteile. Letztere als Warnung vorweg: Zunächst geht Stellfläche verloren, weil eine Wand oder ein Teil davon verschwindet. Außerdem braucht man starke Nerven, den Dreck, der während des Umbaus entsteht, auszuhalten. Empfindliche Geräte und Möbel sollten möglichst in eine andere Wohnung gebracht werden.

Die Vorteile hingegen sind leicht vorstellbar: Je nach der Größe und dem Zuschnitt der beiden Räume sowie nach der Breite des Durchbruchs verändert sich der Blick – das neu geschaffene Zimmer besitzt ja mehr Fenster, die es mit Licht durchfluten. Es wirkt viel großzügiger, seine Funktionen können erweitert werden.

Bis dahin ist es freilich ein beschwerlicher Weg – kein allzu teurer, aber ein mühsamer. Am besten geht es, wenn die überflüssige Wand keine tragende des Hauses ist. Den Unterschied erkennt man an der Dicke des Bauteils und an dem Material. Reine Trennwände bestehen meist aus dünneren Gipsplatten oder Gipskarton, seltener aus kräftigeren Kalksandsteinen oder, bei älteren Häusern, aus Schamotteplatten.

Kommt man mit der Bohrmaschine ganz leicht hindurch, verschwindet die Wand fast schon von allein. Diese Aufgabe kann von jedem Laien ausgeführt werden, der auch nur Erfahrung beim Verspachteln von Lücken und Kleben von Tapete besitzt. Die einzige Gefahr, etwas falsch zu machen, lauert bei den Strom- und Gasleitungen.

Bestehen jedoch auch nur ganz leise Zweifel am Aufbau der Wand, muss der Fachmann ran. Denn wer ohne Vorwissen an tragende Wände herangeht, riskiert den Einsturz der darüber liegenden Geschosse oder zumindest schwerste, meist irreparable Bauschäden.

Wer als Laie den Aufwand an einer tragenden Wand einschätzen will, sollte daher zunächst einen Architekten beauftragen oder sich von entsprechend spezialisierten Baufirmen Kostenvoranschläge einholen. Aber auch dann geht ohne das Gutachten eines Statikers gar nichts. Er schreibt nicht nur die Konstruktion verbindlich vor, mit deren Hilfe die darüber liegenden Lasten des Gebäudes abgefangen werden. Der Statiker legt auch die einzelnen Arbeitsschritte fest, die dafür notwendig sind. Dafür muss er untersuchen, ob und wo in den Bereichen darüber tragende Teile installiert sind. Möglicherweise gibt es in der Nähe auch Dachträger (Stiele), die während des Umbaus gesonders abgefangen werden müssen. Sind alle Gefahren erkannt und gebannt, geht es an die eigentliche Arbeit.

Bei unserem Beispiel handelt es sich um einen Durchbruch von 2 Meter 50, der in eine Wand aus 25 Zentimetern Ziegel-Mauerwerk gesetzt werden soll. Das Haus wurde in den 30er Jahren des vorigen Jahrhunderts gebaut.

Der Statiker hat hierfür den Einbau zweier Stahlträger („Doppel-T-Träger“) vorgeschrieben, die nebeneinander waagerecht über den künftigen Ausschnitt eingebaut werden müssen. Sie dürfen an den Endpunkten, dort, wo sie sich auf dem übrig bleibenden Mauerwerk abstützen, aber nicht direkt auf den Steinen liegen. Hier soll eine untergelegte Stahlplatte den bündigen Kraftschluss sicherstellen. Also werden erst einmal die wenigen Steine entfernt, die für diese Auflager nötig sind. Die Platten, 20 Zentimeter lang, 24 Zentimeter tief und 1,6 Zentimeter stark, werden sorgfältig in die Hohlräume einbetoniert. Sie müssen mit der Wasserwaage präzise ausgerichtet werden, damit die Querträger später wirklich plan aufliegen.

Drei bis vier Tage braucht der Beton zum Durchhärten. Dann wird auf einer Seite ein Streifen Steine herausgebrochen und zwar so, dass ein Hohlraum entsteht, der den ersten Träger aufnimmt. In diesem Fall ist er 2 Meter 90 lang, 16 Zentimeter hoch und 8,2 Zentimeter breit. Das Herausbrechen geschieht sehr vorsichtig, damit sich das Mauerwerk darüber nicht bewegt oder gar aus dem Verbund löst. Da die andere Hälfte der Mauer noch unberührt bleibt, ist diese Gefahr aber vergleichsweise gering. Liegt der Träger ordentlich in seinem Ausschnitt, muss er zum oben liegenden Mauerwerk hin sorgfältig vermörtelt werden. An unserer Baustelle wird dafür Quellmörtel verwendet, der beim Abbinden und Trocknen nicht schrumpft, sondern an Volumen gewinnt. Damit wird sichergestellt, dass die Auflagelast des Mauerwerks tatsächlich „kraftschlüssig“ auf den Träger wirkt.

Wiederum vier Tage später ist die andere Seite der Mauer an der Reihe, der zweite Träger wird eingesetzt und mit dem ersten an drei Stellen verbunden – zwölf Millimeter starke Bolzen samt Unterlegscheiben halten die beiden Querträger nun fest zusammen. Weitere vier Tage darauf kann das Mauerwerk darunter herausgenommen werden. Anschließend müssen die Wände ordentlich verputzt werden. Die von oben in den Raum hineinragenden Träger verschwinden unter einer Abhängung, die die Decke des ganzen Raums bildet – am Ende ist also eine durchgängige Fläche zu sehen.

Um die drei Tonnen Mauerwerk samt Putz und Mörtel mussten die Arbeiter zur Bauschutt-Annahme im Westhafen karren. Der zeitliche Aufwand für den eigentlichen Umbau hielt sich mit zusammengerechnet etwa vier Tagen durchaus in Grenzen, auch die Kosten fürs Material waren erträglich, sie lagen deutlich unter 1000 Euro. Jetzt, da alles verputzt und gestrichen ist, kommt der Lohn der Mühe zum Vorschein: Eine schöne große Küche mit viel Platz zum Wohlfühlen.

Gideon heimann

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