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Immobilien: Drei Juristen - vier Theorien

Mietrechtliche Entscheidungen gelten oft nur im EinzelfallVON ANDREAS LOHSE Etwa 300.000 Mietstreitigkeiten werden alljährlich in Deutschland vor Gericht ausgetragen.

Mietrechtliche Entscheidungen gelten oft nur im EinzelfallVON ANDREAS LOHSE Etwa 300.000 Mietstreitigkeiten werden alljährlich in Deutschland vor Gericht ausgetragen.Bei rund 22 Millionen bestehenden Mietverhältnissen sei diese Zahl allerdings auch ein Beleg dafür, daß "viele Meinungsverschiedenheitenzwischen Mieter und Vermieter außergerichtlich und gütig beigelegt"würden, meint man beim Deutschen Mieterbund (DMB) in Köln. Doch könnten die mehr als 600 Amts- und über 100 Landgerichte weit stärker entlastet werden, wenn Mieter und Vermieter ihre Rechte und Pflichten besser kennten - eine mitunter nicht leichte Aufgabe: "Drei Juristen - vier Meinungen" pflegt man in diesem Berufszweig gern verschmitzt über sich selbst zu witzeln. Anhaltspunkte darüber, wie es um ein mietrechtliches Problem bestellt ist, bieten natürlich die Gesetzbücher.Doch angesichts der Vielfalt mietrechtlicher Konflikte sind oftmals im Gesetz keine direkten und eindeutigen Antworten auf individuelle Fragen zu finden. Auch die alljährlich rund 3.000 veröffentlichten mietrechtlichen Entscheidungen - sonntäglich auszugsweise auch im Tagesspiegel auf dieser Seite als "Leitsätze" von Urteilen zu finden - können nur helfen, sich einem speziellen Problem zu nähern, niemals jedoch dazu dienen, es zu lösen: "Mieterrecht ist Richterrecht", gibt Rudolf Breuermann, Richter am Amtsgericht Tiergarten, in der Zeitschrift "Grundeigentum" dem Sachverhalt eine Formel.Urteilt beispielsweise ein Amtsgericht, die Mietminderung sei in einem Fall in bestimmter Höhe gerechtfertigt, meint dasselbe Amtsgericht einige Urteile später, daß eine Mietminderung in einem ähnlich gelagerten Fall mitnichten angemessen, ja möglicherweise sogar gänzlich auszuschließen wäre. Die Annahme, ein Gericht müsse in einem vergleichbaren Fall auch gleich entscheiden, ist falsch.Denn "zu jedem Amtsgericht gehören mehrere Amtsgerichtsabteilungen", erklärt Frank Maciejewski vom Berliner Mieterverein.In den 12 Berliner Amtsgerichten beispielsweise gibt es rund 120 Abteilungen mit jeweils einem Richter oder einer Richterin.Ihren Entscheidungen komme "für die Allgemeinheit deshalb nur insoweit Bedeutung zu, als noch kein höherrangiges Gericht zum fraglichen Rechtsproblem Stellung genommen" habe, so der Fachjurist. Bis 1980 konnte jedes Landgericht seine eigene Ansicht vertreten - kein Gericht war an das Urteil eines anderen gebunden.Seitdem jedoch müssen Landgerichte zumindest in schwierigen und umstrittenen Mietrechtsfragen von grundsätzlicher Bedeutung ihr zuständiges Oberlandesgericht (OLG) einschalten.Dessen Antwort - der "Rechtsentscheid" - ist für andere Gerichte verbindlich. Hält ein anderes Landgericht nun diesen Entscheid für absolut falsch, muß es seinerseits diesen mietrechtlichen Streitfall seinem zuständigen Oberlandesgericht vorlegen. Wollen dessen Richter wiederum von der Entscheidung eines anderen OLG abweichen, kann nur der Bundesgerichtshof den Rechtsentscheid ändern.Somit "stärken Rechtsentscheide zwar den Rechtsfrieden", heißt es beim DMB.Gleichwohl dürfe man nichtübersehen, daß "unterschiedliche Sachverhalte immer noch zu unterschiedlichen Ergebnissen führen".Auch befinde sich die Rechtsprechung mittlerweile im "Zeitstrudel", und bei der Vielzahl der Mietrechtsentscheidungen könne sich "schnell etwas ändern".Frank Maciejewski: "Alles ist im Fluß..." Eine Broschüre mit "200 Grundsatzurteilen für Mieter und Vermieter" ist erhältlich beim Berliner Mieterverein, Wilhelmstraße 74, 10117 Berlin (nahe Brandenburger Tor), 7,50 DM. Häufigste StreitpunkteJedes Jahr werden in Deutschland rund 300.000 Mietrechtsprozesse geführt. Über die häufigsten Streitpunkte der letzten drei Jahre führte der Deutsche Mieterbund Statistik: 77.000 Prozesse (25,9%) betreffen allgemeine Vertragsverletzungen, beispielsweise Streitigkeiten um Reparaturen, Wohnungsmängel, Mietminderung, unpünktliche Mietzahlung. 66.000 Prozesse (21,5%) drehen sich um Mieterhöhungen. 46.800 Prozesse (15,6%) behandeln das Thema Nebenkosten. 30.000 Prozesse (10%) liegt eine Eigenbedarfskündigung des Vermieters zugrunde. 25.200 Prozesse (8,4%) werden aufgrund von Mietkautionen geführt. 15.600 Prozesse (5,2%) dienen der Klärung, ob eine fristlose Kündigung rechtens ist. 13.500 Prozesse (4,5%) behandeln sonstige Kündigungen wie Verwertungs- oder Teilkündigungen. 10.500 Prozesse (3,5%) drehen sich ausschließlich um Schönheitsreparaturen. 3.600 Prozesse (1,2%) betreffen Modernisierungen. alo

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