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Ehemalige Zigarettenfabrik Garbáty: Geraucht wird nur noch auf der Loggia

In das denkmalgeschützte Produktionsgebäude werden 160 Wohnungen eingebaut.

Am Ende bleibt die Erinnerung. Als Kind war Thomas Garbáty hier aufgewachsen. Doch das Erbe antreten? Auf Rückübertragung der im Zuge nationalsozialistischer Rassenpolitik verlorenen Zigarettenfabrik pochen? Nein, das hatte er nach der Wende ausgeschlossen. Mit diesem Teil der Familiengeschichte, dem operativen, hatte der Enkel des Firmengründers längst abgeschlossen. Auch der Besuch des letzten technischen Direktors dieser zu DDR-Zeiten als VEB betriebenen Fabrik mit 500 Beschäftigten hatte daran nichts geändert: Ein politisches Gesellschaftssystem löste sich eben in Rauch auf. Was sollte Thomas Garbáty da machen? Und was sollte er, der Professor für Englische Literatur des Mittelalters an der Universität von Michigan, auch mit einer Fabrik? Einer Fabrik zudem, deren Maschinen im Vergleich zu modernen westdeutschen Anlagen in Zeitlupe produzierten? Doch ideell fühlte sich „Tom“ Garbáty diesem Familienerbe am Ende seines Lebens besonders verbunden. Er kam mehrfach nach Berlin.

„Ich muss diesen Brief an Dich diktieren, weil es mir nicht gut geht“, schrieb Thomas Garbáty im November 2008 aus den USA an eine Freundin in Berlin, die sich um das kulturelle Erbe der Familie kümmert: „Für mich ist es eine Freude zu hören, dass die Firma Hilpert so gute Pläne hat mit dem Fabrikgebäude. Sage dem Herrn Hilpert, dass sie große helle Wohnungen bauen sollen für Familien mit Kindern und einen Spielplatz nicht vergessen sollen. Den hatten wir auch für den Garbáty-Kindergarten. So wird es wieder Leben geben in der Fabrik und das freut mich unendlich.“ Es war dies die letzte schriftliche Äußerung zur Zukunft des ehemaligen Familienbesitzes. Thomas Garbáty verstarb am 29. Juli 2009 (*10. Januar 1930). Als Mitglied des Kuratoriums des Vereins der Förderer und Freunde des ehemaligen Jüdischen Waisenhauses in Pankow e. V. erlebte er noch die Wiederherstellung des Gebäudes und finanzierte den Schriftzug am Giebel der Fassade. Doch die in Pankow produzierten Zigarettenmarken „Königin von Saba“ (die erste ägyptische Zigarette in Berlin), die „Garbáty Kalif“ und die ebenfalls erfolgreiche „Kurmark“ sind Geschichte. 1993 scheiterte ein letzter Versuch der „Lübecker Zigarettenfabrik GmbH“, die Produktion fortzuführen. 1995 ging die Firma in Konkurs, das Werk wurde geschlossen.

Gegenwärtig sieht es auf dem Gelände noch ziemlich staubig aus, die Zukunft immerhin soll glänzend werden. Der Würzburger Projektentwickler Wilhelm Hilpert lässt 160 Wohnungen in den Fabrikblock einbauen. Hell sind sie – insofern kommt Thomas Garbátys Wunsch zum Tragen. Doch ob hier viele Familien einziehen werden? Eher nicht. Die meisten Wohnungen liegen in der Spanne zwischen 40 und 70 Quadratmeter. Etwas für Anleger. Nur um die 30 Wohnungen sind noch zu haben. Werbung musste Hilpert für die Vermarktung der insgesamt 10 000 Quadratmeter Wohnfläche nicht treiben. „Es sind vor allem Kapitalanleger aus dem In-, seltener aus dem Ausland“, sagt er. Nur ein einziges Bauschild zeugt vor der Fassade von der guten Absicht, hier ein Objekt wieder zur Blüte zu bringen. Die Quadratmeterpreise für den unter Denkmalschutz stehenden Ausbau im Bestand liegen um die 3200 Euro. 25 Prozent des Preises müssen beim Kauf bezahlt werden, der Rest bei Fertigstellung. Der erste Bauabschnitt soll im Frühjahr 2011 bezugsfertig sein, der zweite ein Jahr später, sagt Hilpert. Noch gibt es keine Musterwohnung zu besichtigen, noch arbeiten Bagger, um die Fundamente des fünfgeschossigen, mit weißen Fliesen gekachelten Baus freizulegen.

Hilpert baut auf Exklusivität. Im Eingangsbereich wird es eine Videokontrolle geben, Loggien sollen Orte der Abgeschiedenheit und des Rückzugs markieren. Jedes Stockwerk bietet bis zu 18 Wohneinheiten Platz. Der Innenhof soll entsiegelt, teilweise überdacht und mit einem Garten versehen werden. Zu guter Letzt erhält jeder Eigentümer ein Buch zur Geschichte des Gebäude-Ensembles, so Hilpert: „Wohnen hat etwas mit Grundbedürfnissen des Menschen zu tun. Hier geht es um starke emotionale Faktoren. Es geht darum, sich mit der Wohnung zu identifizieren.“

An den Namen Garbáty erinnern in Pankow schon heute der „Garbátyplatz“ – der Bahnhofsvorplatz beim S-Bahnhof Pankow – und ein ebendort aufgestellter Schriftzug. Ergänzend wurde eine Schrifttafel in den Boden eingelassen, die auf den für seine Zeit außergewöhnlichen sozialen Einsatz des Großindustriellen hinweist. Für die rund 1600 Beschäftigten gab es neben Pausenräumen und Betriebskantine auch eine Bibliothek, einen Werkschor, einen Sportclub, eine Wäscherei und eine Betriebszeitung. Daran soll auch im umgebauten Fabrikgebäude erinnert werden. Der Schwiegersohn der Pankower Schriftstellerin Christa Wolf, der Grafiker Martin Hoffmann, wird der Eigentümerversammlung Vorschläge machen, wie und womit im Eingangsbereich an die Firmen- und Familiengeschichte erinnert werden könnte.

Weitere Informationen unter:

www.ansichtskarten-pankow.de

und bei der ROMI Immobilien GmbH, Chausseestraße 104, 10115 Berlin

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