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Eigenbedarf: Die Sperrfrist geschickt umgangen

Darf eine BGB-Gesellschaft, die ein Mietshaus kauft, wegen Eigenbedarfs eines Mitglieds kündigen?

WAS STEHT INS HAUS?

Wir sind seit dem Jahre 1983 Mieter einer Wohnung in Berlin-Charlottenburg. Das Haus wurde von einer sog. Gesellschaft bürgerlichen Rechts – bestehend aus acht Gesellschaftern – erworben. Zweck der Gesellschaft ist die Eigennutzung der Wohnungen in dem Haus durch die Gesellschafter selbst. Jedem Gesellschafter ist entsprechend seinem Gesellschaftsanteil das Recht zur alleinigen Nutzung für bestimmte Wohnungen zugewiesen. Die Gesellschaft kündigte uns jetzt wegen Eigenbedarfs eines der Gesellschafter das Mietverhältnis zum 1. Oktober 2010. Müssen wir nun ausziehen? WAS STEHT IM GESETZ?

Ja, wenn dieser Gesellschafter wirklich einen anerkennenswerten Eigenbedarf hat, so hat der Bundesgerichtshof (BGH) mit Urteil vom 16.07.2009 – VIII ZR 231/08 – entschieden. Danach darf eine BGB-Gesellschaft als Vermieterin einem Mieter wegen Eigenbedarf eines ihrer Gesellschafter auch ohne Einhaltung der besonderen Kündigungssperrfrist, die in Charlottenburg-Wilmersdorf gilt, kündigen. In diesem Bezirk kann der Erwerber einer Wohnung nicht vor Ablauf von sieben Jahren wegen Eigenbedarf kündigen, wenn das Wohnungseigentum erst nach der Vermietung an den Mieter begründet worden ist, § 577a BGB. Der Berliner Senat hat eine solche Regelung nicht nur für Charlottenburg-Wilmersdorf, sondern auch für Friedrichshain-Kreuzberg, Pankow und Tempelhof-Schöneberg getroffen. In Ihrem Falle hat die BGB-Gesellschaft aber kein Wohnungseigentum, sondern das Haus als solches erworben. Eine entsprechende Anwendung der Vorschrift scheidet aus, so der BGH, weil nur bei Erwerb einer umgewandelten Eigentumswohnung der besondere Schutz gelten soll. Bei einem unabhängig von der Umwandlung in Wohnungseigentum bestehenden Eigenbedarf sei die Vorschrift nicht anwendbar. § 577a BGB wird auch nicht unzulässig umgangen. Dieser Paragraf schützt gerade nicht beim Kauf eines Hauses durch eine Mehrheit von Personen, wie beispielsweise einer Miteigentümergemeinschaft oder einer Gesellschaft bürgerlichen Rechts (BGB-Gesellschaft).

UND WIE STEHEN SIE DAZU?

Die Entscheidung kann erhebliche wohnungspolitische Konsequenzen haben. Es besteht die Gefahr, dass der Mieterschutz in Häusern aufgeweicht wird, die in Wohnungseigentum umgewandelt werden sollen. Nach diesem Urteil des BGH wird eine Gesellschaft bürgerlichen Rechts oder eine Miteigentümergemeinschaft behandelt wie ein einzelner Eigentümer, der ein ganzes Haus kauft. Die Gesellschaft kann zugunsten der einzelnen Mitglieder sofort wegen Eigenbedarf kündigen und danach durch eine Aufteilung Wohnungseigentum begründen. Im umgekehrten Falle, wenn also erst Wohnungseigentum begründet und dann die einzelne Wohnung veräußert würde, gäbe es zugunsten der Mieter die oben beschriebene Sperrfrist. Wenn der Gesetzgeber hier nicht eingreift, könnte als Konsequenz drohen, dass Mieter schneller verdrängt werden.

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