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Ein Bordell in der Nachbarwohnung dürfte die wenigsten Wohnungseigentümer erfreuen. Gegen den Störer klagen darf der einzelne Eigentümer nur selbst, wenn sein Sondereigentum unmittelbar betroffen ist.

© Patrick Seeger/dpa

Eigentümergemeinschaften: Ein BGH-Richter sieht rot

Eigentümer darf nicht individuell klagen, wenn Gemeinschaft Vorgehen gegen Bordell beschloss.

„My home is my castle“, sagt der Engländer. Wenn das Heim allerdings eine Eigentumswohnung ist und in Deutschland liegt, dann hat der Eigentümer deutlich weniger zu sagen als ein Schlossherr. Denn die anderen Wohnungseigentümer regieren mit. Diese Erfahrung musste jetzt auch ein Eigentümer aus dem Raum Erlangen machen, der sich auf eigene Faust gegen einen Bordellbetrieb in der Wohnanlage zur Wehr setzen wollte und den Eigentümer der entsprechenden Wohnungen auf Unterlassung verklagte.

Dass weder er noch die Gemeinschaft einen Rotlichtbezirk im privaten Anwesen dulden müssen, war dabei nicht umstritten. Aber die Eigentümerversammlung hatte beschlossen, gegen das Treiben vorzugehen. Dann geschah aber lange nichts, zu lange, fand ein Eigentümer. Deshalb klagte er im eigenen Namen auf Unterlassung. Damit scheiterte er vor allen Gerichten bis hin zum BGH.

Des Einzelne ist gegen Beschlüsse der Mehrheit machtlos

Hat die Gemeinschaft den Beschluss gefasst, auf Unterlassung zu klagen, erlischt das Klagerecht des Einzelnen. Kommt es zu untragbaren Verzögerungen bei der Umsetzung des Beschlusses, dann muss sich der Einzelne im Innenverhältnis wehren. Da auch nicht festgestellt wurde, dass die Gemeinschaft die Verfolgung der Ansprüche rechtsmissbräuchlich verzögert hat, ist die Klage unzulässig. Ein individuelles Klagerecht vor Gericht ist nicht möglich. Das aktuelle BGH-Urteil zeigt – weit über den Einzelfall hinaus – ein grundsätzliches Spannungsverhältnis in Eigentümergemeinschaften auf.

Einerseits verfügt der Einzelne über Privateigentum, andererseits ist er gegen Beschlüsse der Mehrheit oft machtlos – selbst wenn sein Eigentum tangiert ist. Auch der Eigentümer aus Bayern hatte ja einen plausiblen Grund, warum er die Prostitution möglichst rasch beenden wollte. Denn seine Immobilie war durch den bordellartigen Betrieb in dem Anwesen deutlich weniger wert. Der BGH entschied dennoch in letzter Instanz, dass auch bei Unterlassungsklagen die Mehrheit ein gemeinsames gerichtliches Vorgehen beschließen kann und der Einzelne dadurch sein Klagerecht verliert.

Bauliche Veränderungen bedürfen der Einstimmigkeit

Genauso wäre es übrigens auch gewesen, wenn die Mehrheit gegen Satelliten-Schüsseln auf den Balkonen vorgegangen wäre, weil sie die Fassade verschandeln. Auch dann geht das Klagerecht des unmittelbaren Nachbarn unter. Das neue Urteil dürfte manchem Eigenheimbesitzer ins Bewusstsein rufen, dass er sich tunlichst kundig machen sollte, was eine Eigentümergemeinschaft alles beschließen darf und was nicht.

Sie darf zum Beispiel mehrheitlich entscheiden, dass das Treppenhaus neu gestrichen und Risse entfernt werden, auch wenn das die Minderheit gar nicht für nötig und für zu teuer hält. Dasselbe gilt für Fassaden. Instandhaltung von Gemeinschaftseigentum untersteht dem Mehrheitsbeschluss, Einstimmigkeit ist nicht erforderlich. Nur wenn gleichzeitig An- oder Umbauten gemacht werden sollen, kann sich der Einzelne gegen die Mehrheit durchsetzen. Denn bauliche Veränderungen bedürfen der Einstimmigkeit.

Übrigens hat der BGH vor etwa einem Jahr auch entschieden, dass die Eigentümer gemeinsam die Installation von Rauchmeldern beschließen können. Hat einer bereits zur Privatinitiative gegriffen, muss er die Kosten für die Neuinstallation trotzdem anteilig übernehmen. Da Rauchmelder inzwischen in den meisten Bundesländern gesetzlich vorgeschrieben sind, gehört es sogar zur ordnungsgemäßen Verwaltung, wenn die Gemeinschaft die koordinierte Installation und Wartung beschließt.

Käufer sollten auch die Miteigentümer unter die Lupe nehmen

Seit der Reform des Wohnungseigentümergesetzes (WEG) im Jahr 2007 können wesentlich mehr Entscheidungen der Eigentümerversammlung mit Mehrheit statt– wie früher – nur mit Einstimmigkeit getroffen werden.

Dass es damit auch öfter zu Unstimmigkeiten oder gar Streit kommt, ist fast vorprogrammiert. Da muss es nicht erst um einen Bordellbetrieb im Anwesen gehen, wie im jüngsten Fall vor dem BGH. Inzwischen gibt es bereits Ratgeber, die Eigentümern Tipps für ein gutes oder zumindest gütliches Verhältnis zu den Miteigentümern geben.

Ein Rat an potenzielle Erwerber ist mit Sicherheit richtig: Wer mit dem Kauf einer Eigentumswohnung liebäugelt, sollte nicht nur die Wohnung unter die Lupe nehmen, sondern sich auch über das bei Eigentümerversammlungen herrschende Klima informieren. Nicht dass es statt „My home is my castle“ nach wenigen Jahren „My home is my hell“ heißt. (AZ.: Bundesgerichtshof V ZR 5/14)

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