zum Hauptinhalt

Immobilien: Ein Bauernhaus für 10000 Euro

In Brandenburg gibt es eine große Zahl verlassener Höfe zu sehr niedrigen Preisen. Doch der Kauf ist der Beginn einer teuren Leidenschaft: Der Aufbau der idyllischen Anwesen ist kostspielig

Am Wochenende ruft Maria Mayer, Juristin, ihre Freunde zusammen. Zu Fünft steigen sie in den blauen BMW und machen sich bei offenem Schiebedach auf den Weg nach Brandenburg. Dieses Mal hat sie einen Stapel Verkaufsexposés dabei: Alte Bauernhäuser, Landgüter und Dreiseithöfe sind darunter. „In London fahren die Leute Stunden zu ihrem Landsitz – und obwohl der weit entfernt ist, haben sie dafür ein Vermögen bezahlt“, sagt die frühere Angestellte einer Düsseldorfer Großkanzlei. Der Hof in Bückwitz bei Neuruppin, die erste Station auf der Immobilienreise ins Berliner Umland, hat einen Verkehrswert von 50000 Euro – und liegt auch noch direkt an einem See.

Der Zuschlag für Stallgebäude und Scheune aus rotem Backstein sowie 3600 Quadratmeter Land wird zu einem Bruchteil des Verkehrswertes erfolgen. Denn das Immobilien-Angebot im Umland ist viel größer als die Nachfrage. Da sich beim ersten Auktionstermin kein Käufer fand, könnte der Hof beim nächsten Mal auch an einen Interessenten gehen, der nur die Gerichtskosten bezahlt. Diese betragen zehn Prozent des Verkehrswertes. Weil der Markt so schlecht ist, haben auch spezialisierte Makler manchen Hof für wenig Geld im Angebot. Diese sind nicht ganz so billig, doch die ländliche Idylle lässt das Herz auf den ersten Blick höher schlagen. Auch wenn sich der Kaufpreis bei genauem Hinsehen nur als eine kleine Anzahlung auf eine Leidenschaft erweist, die den Erwerber viel Zeit und Geld kosten wird.

Die billigste brandenburger Immobilie im Angebot von Makler Klaus Vehlow ist ein kleines Bauernhaus mit über 700 Quadratmeter großem Grundstück. Es handelt sich um ein ehemaliges Schulgebäude, das im Stil eines Bauernhauses errichtet wurde. Gelegen ist es mitten in einem Dorf in der Prignitz. Die genaue Anschrift will der Chef von B&P-Immobilien nicht verraten. Er will sich nicht um seine Kaution bringen lassen. Doch den Preis für die Immobilie nennt er: 10000 Euro. Verhandlungsbasis.

Immobilien wie diese liegen eine gute Autostunde von Berlin entfernt. Bei den Preisen gilt grundsätzlich: Je näher das Objekt an der Stadt gelegen ist, desto mehr kostet es. Grundstücke mit Schienenanschluss – S-, Regional- oder Fernbahn – sind gefragter als solche, die nur mit dem Auto erreichbar sind. Und Vorsicht, Immobilien entlang der zentralen Bundesstraßen sinken im Kurs: Seit Einführung der Maut weichen viele LKW auf Landstraßen aus. „Die donnern mit großem Gewicht über die holprigen Straßen und schütteln die Lehmfachwerkhäuser kräftig durch“, sagt Makler André Erpel. Schäden an der Bausubstanz drohen.

Zu den schönsten Immobilien in Erpels Angebot zählt ein Haus in einem Landschaftsschutzgebiet einschließlich 9000 Quadratmeter großem See. Vom Wintergarten aus blickt man auf die spiegelglatte Wasserfläche – mit etwas Glück kann man den Eisvogel beobachten, der in der Nähe nistet. Die Liegenschaft ist etwa 60 Kilometer von Berlin entfernt, in der Nähe der Beetzsee-Kette gelegen. Für das private Wasser- und Landschaftsbiotop muss man so viel bezahlen, wie für ein besseres Reihenhaus in Berlin: 250000 Euro.

„Natürlich gibt es auch die ganz billigen Immobilien ab 10000 Euro“, sagt Erpel. Doch mit so wenig Geld handle man sich entweder ein Lage- oder ein Bauproblem ein. So beliefen sich die Kosten für den Abriss eines durchfeuchteten Hauses auf 20000 Euro – zusammen mit dem Kaufpreis ergebe sich in der Summe ein gar nicht mehr so günstiger Grundstückspreis. Für wenig Geld außerdem zu haben: in den Dörfern gelegene Häuser. Für die Berliner mit Drang ins Grüne kommt das selten in Frage – „die suchen meistens nach einem allein stehenden Objekt“, sagt Erpel.

Außergewöhnliches kommt dabei auch gerne in Frage: Eine Mühle zum Beispiel mit eigenen Wasserrechten und 4355 Quadratmeter großem Grundstück. „Man muss nur noch einen Generator an das Mühlenrad anschließen und kann mit dem Strom das Haus versorgen“, so Makler Klaus Vehlow. Die Lage ist gut: Von der nahe gelegenen Stadt fahren stündlich Regionalzüge nach Berlin. Der Preis: 75000 Euro; verhandeln ist erlaubt. Und dabei „geht es oft zu wie auf dem Basar“, sagt Vehlow, „weil das Geld nicht mehr so locker sitzt.“

Vier bis fünf Höfe verkauft die Firma B&P-Immobilien im Monat. Die Nachfrage sei stabil und konzentriere sich auf Landgüter zu niedrigsten Preisen. „Die Käufer gehen dabei mit gehemmter Sanierungsfreude in kleinen Etappen zu Werke“, sagt Vehlow. Das beobachtet der Makler mit Skepsis. Besonders wenn Laien zur Tat schreiten: „Mit intensiver Manneskraft allein ist so eine Sanierung nicht zu bewerkstelligen. Man braucht handwerkliche Fähigkeiten. Und Geld.“

Sein Maklerkollege Erpel beziffert die Kosten für die Instandsetzung leer stehender Häuser auf mindestens 50000 Euro – „aber nur wenn man auf Freunde und Verwandte zählen kann und die Nachbarschaftshilfe funktioniert.“ Noch nicht berücksichtigt sind in dieser Summe Aufwendungen für die Versorgung des Hauses mit Wasser und Abwasser, Strom, Gas und Telefon. Und: Sollte die Straße, die zum Hof führt, erneuert werden, sind meistens Anliegerbeiträge fällig. Diese richten sich oft nach der Grundstücksgröße. Da kommen schnell einige zehntausend Euro zusammen.

„Ich will ja kein Spielverderber sein“, sagt Architekt Andreas Deuter, „aber 100000 Euro kosten Trockenlegung und Eindeckung dieses Hofes mindestens.“ Er gehört zu der kleinen Gruppe der Berliner Ausflügler, die die Ställe aus roten Klinkersteinen in Bückwitz begutachtet. Deuter hat selbst einige Jahre den Traum vom Landgut in Brandenburg geträumt. Doch er hat sich von dem Projekt verabschiedet. Heute genügt ein Anruf, und Deuter bekommt die Schlüssel für ein Landgut, das Freunde von ihm kurz nach der Wende erworben hatten. Die Eigentümer fahren selbst nur noch selten hin – und sie sind froh, wenn jemand anderes mal nach dem Rechten sieht.

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false