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Einzelhandel: Noch viel Platz am Alex und in der City-West

Eine aktuelle Studie zum Einzelhandel zeigt: In Top-Lagen wird weiter neu gebaut und vermietet.

Als vor einigen Jahren das portugiesische Unternehmen Sonae Sierra seine Pläne für ein Einkaufszentrum am Alexanderplatz vorstellte, war die Skepsis der Fachwelt groß. Wie nur, rätselten die Experten, wollten es die Portugiesen schaffen, die Kunden vom unwirtlichen Alexanderplatz über die viel befahrene Grunerstraße in ihren auf den Namen Alexa getauften Einkaufstempel zu locken?

Heute wissen es alle: Es ist gelungen – und wie. „Das Alexa verzeichnet einen glänzenden Umsatz“, sagt Nicole Römer, Einzelhandelsspezialistin im Berliner Büro des Maklerunternehmens Jones Lang LaSalle (JLL). Davon profitieren alle Vermieter am Alexanderplatz: Die Mieten für Ladenflächen stiegen in den vergangenen fünf Jahren um 75 Prozent und betragen jetzt in der Spitze 175 Euro pro Quadratmeter und Monat, wie in einem soeben von JLL veröffentlichten Bericht über den Berliner Einzelhandelsmarkt nachzulesen ist.

Davon wollen weitere Grundstückseigentümer profitieren. So plant zum Beispiel Redevco – das ist die Immobiliengesellschaft des C&A-Konzerns – westlich des S-Bahnhofs, gegenüber vom Cubix- Kino, ein Geschäfts- und Wohnhaus mit vier Einkaufsebenen. Wer dort künftig seine Waren verkaufen wird, ist noch nicht bekannt. C&A wird es nach Angaben der JLL-Experten aber nicht sein, da das Textilkaufhaus direkt auf dem Alexanderplatz bereits eine Filiale betreibt.

Ein Neubau entstehen könnte nach Informationen von JLL auch auf dem Baufeld D3. Dabei handelt es sich um das derzeit provisorisch genutzte Grundstück zwischen dem Park-Inn-Hotel und dem Geschäftshaus „die mitte“. Die Investmentgesellschaft Blackstone überlegt laut JLL ernsthaft, dort ein Einzelhandelsgebäude zu errichten. „Ich bin sicher, dass sich dort etwas tun wird“, sagt auch Andreas Malich, Einzelhandelsexperte beim Maklerhaus CB Richard Ellis. Und das mit gutem Grund: „Der Alexanderplatz verträgt weitere Verkaufsfläche.“

Im Aufwind ist auch der Hackesche Markt. Dem Bericht von JLL zufolge sind hier die Mieten von 50 bis 75 Euro pro Quadratmeter im Jahr 2006 auf bis zu 125 Euro pro Quadratmeter gestiegen – Beträge, die sich häufig nur noch internationale Modeanbieter leisten können, die unbedingt am Hackeschen Markt Präsenz markieren wollen. Denn dieser, sagt Rüdiger Thräne, Leiter der Berliner JLL-Niederlassung, sei „eine bundesweit einmalige Trendlage“. Die Folge, so Thräne: „Für den lokalen Handel und die kreative Szene rücken vermehrt Lagen wie die Mulackstraße, die Rosa-Luxemburg-Straße und die Weinmeisterstraße in den Fokus.“ Eine noch weiter gehende Verschiebung beobachtet Andreas Malich: „Einige kleine Labels sind sogar nach Friedrichshain gezogen, wo sich die Wühlischstraße als neuer, szeniger Modeschwerpunkt etabliert.“

Und was tut sich in der City-West? Ebenfalls eine Menge. Schon heute gibt es an der Tauentzienstraße und am Kurfürstendamm gut 320 Läden mit zusammen 276 000 Quadratmeter Verkaufsfläche, wie die JLL-Fachleute in ihrem Marktbericht feststellen. Durch die Revitalisierung des Bikini-Hauses und den Neubau des Zoofensters wird das Angebot in der City-West in nächster Zeit weiter zunehmen. Sogar das vom Architekten Christoph Langhof bereits 1996 vorgestellte Atlas-Hochhaus am Standort des Schimmelpfeng-Hauses ist wieder einmal im Gespräch: Laut JLL-Expertin Nicole Römer hat sich ein „bonitätsstarker Projektentwickler“ eine Option auf das Vorhaben gesichert, das neben einem Hotel auch bis zu 7000 Quadratmeter Verkaufsfläche umfassen soll.

Andreas Malich von CB Richard Ellis hofft darauf, dass auch die Sanierung von Haus Cumberland und der Umbau des Ku’damm-Karrees bald beginnen werden. „Diese Projekte sind für den oberen Bereich des Ku’damms enorm wichtig“, sagt er. „Denn ab Uhlandstraße Richtung Westen gibt es in letzter Zeit mehr Vakanzen, und die Mieten stagnieren.“

Immer noch eine der wichtigsten Berliner Einkaufsstraßen ist mit 345 Läden und 165 000 Quadratmetern Verkaufsfläche die Steglitzer Schlossstraße. Auch dort wird das Angebot bald wachsen, ist doch mit dem Boulevard Berlin, dem 54 000 Quadratmeter großen Neubau am früheren Karstadt-Standort, ein riesiges Einkaufszentrum im Werden. Seine für 2012 erwartete Fertigstellung wird die Schlossstraße stark verändern, vermuten die Experten: Der Passantenstrom, so Rüdiger Thräne von JLL, werde dann vorrangig zwischen dem Einkaufszentrum Das Schloss im Süden und dem Boulevard Berlin verlaufen. „Der nördliche Abschnitt mit dem Forum Steglitz und dem Schloss-Straßen-Center wird es schwieriger haben“, folgert Andreas Malich.

Insgesamt, meint der Experte, konzentriere sich der Berliner Einzelhandel verstärkt auf die City-West und die City-Ost, während die Stadtteillagen wie zum Beispiel die Müllerstraße in Wedding an Bedeutung verlören. Das wiederum hängt mit einer Besonderheit des Berliner Marktes zusammen: Touristen sind für fast ein Viertel des gesamten Einzelhandelsumsatzes verantwortlich. „Und Touristen“, so Malich, „kaufen in der Regel nicht in Stadtteillagen ein.“

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