zum Hauptinhalt
Bei der energetischen Gebäudeerneuerung geht es hauptsächlich um das Zusammenspiel von Fassadendämmung und Fenstern.

©  Jens Wolf/dpa

Energetische Gebäudesanierung: Der Staat schaut in Zukunft auf die Fassade

Das Bundeskabinett hat strengere Energiestandards für Neubauten abgesegnet.

Neubauten in Deutschland müssen künftig mit weniger Energie auskommen. Wie berichtet, segnete das Bundeskabinett am vergangenen Mittwoch in Berlin endgültig eine Neufassung der Energie-Einsparverordnung (EnEV) ab, die entsprechende Minimalstandards für Immobilien verbindlich festschreibt. Demnach reduziert sich der zulässige Primärenergiebedarf 2014 und 2016 in zwei Stufen um je 12,5 Prozent, die Anforderungen an die Dämmwirkung der Gebäudehülle steigen im Schnitt um zehn Prozent. Für bereits bestehende Immobilien ändert sich hingegen nichts.

Auch ohne die gesetzliche Neureglung rücken schnell steigende Energiekosten das Thema Wärme in deutschen Wohnstuben einmal mehr in den Fokus. Mithhilfe von energetischer Gebäudesanierung sollen sowohl das Klima als auch das Portemonnaie geschont werden. Die Wärmedämmung an Fassaden gilt dabei als probates Mittel. Fachleute rechnen mit einem Einsparvolumen von weit mehr als fünfzig Prozent.

Der Architekt Werner Scholz hat bei der Sanierung eines Zehlendorfer Mehrfamilienhauses mit neuen Fenstern und einer Wärmedämmung sogar 75 Prozent der Verbrauchskosten eingespart. „Allerdings“, sagt er, „kommt es immer auf das Gesamtkonzept an.“ Jedes Haus müsse genau geprüft werden, für welche Art der Dämmung es sich eigne.

Bei Altbauten sind große Fensterflächen ein Problem. An den Laibungen kommt es oft bei der Dämmung zu Wärmebrücken mit der Folge von Schimmelbildung. Der Architekt Scholz verwendet deshalb bei „schwierigen Fassaden“ gern ein Dämmmaterial von innen, Wohnklimaplatten aus Kalziumsilikat, die sowohl die Wärme dämmen als auch die Feuchtigkeit in den Räumen regulieren. Der gefürchtete Schimmel bleibt so außen vor.

Hervorragend geeignet sind die Platten auch bei denkmalgeschützten Gebäuden wie Fachwerkbauten, deren Fassaden nicht verändert werden dürfen. Der Architekt hat damit bei der Sanierung der Beelitzer Heilstätten in Brandenburg und auch bei Berliner Altbauten gute Erfahrungen gemacht.

Doch hauptsächlich geht es bei der energetischen Gebäudeerneuerung um das Zusammenspiel von Fassadendämmung und Fenstern. Wobei zahlreiche Details zu beachten sind, wie mögliche Bauschäden bei fehlerhaftem Anbringen der Styroporplatten, Brandgefahren und Oberflächenbefall durch Algen. Gar nicht so selten kommt es vor, dass Vögel die relativ dünne Putzschicht auf dem Material durchpicken und es sich anschließend im Dämmstoff gemütlich machen. So schön rankender Efeu die Fassade ziert, so wenig verträgt er sich mit einem komplexen „Wärmedämmverbundsystem“ (WDVS).

Ökologen raten raten unbedingt zur Wärmedämmung

Bei der von außen anmontierten Wärmedämmschicht kommt es auf die ersten an der Wand anliegenden Zentimeter an. Zu dickes Material kann schnell zu viel des Guten sein. Der im Wärmeschutz versierte Architekt Scholz nennt die Faustformel: „Die klassische Außendämmschicht mit Styropor etwa an einer Brandwand sollte zwischen 140 und 180 Millimeter stark sein.“

Bei sanierten Fassaden mit neuen Fenstern ist unbedingt auf eine gute Durchlüftung der Wohnräume zu achten. Baubiologen weisen hier gern auf die gesundheitlichen Gefahren von „stehender Luft“ hin. Falls Wohnungsnutzer aus beruflichen Gründen nicht dreimal am Tag das berühmte „Stoßlüften“ selbst in die Wege leiten können, bieten Hersteller inzwischen pfiffige Luftmengenregler in der Art eines Ventils an der Fensterrahmung an. „Wenn ich dämme, muss ich dafür sorgen, dass die Raumluftfeuchte abgeleitet wird, sonst droht Schimmelbildung“, mahnt der Architekt.

In der aktuellen Klimaschutzdebatte hat die energetische Sanierung der Gebäudehülle einen hohen Stellenwert, weil bis zu 40 Prozent der Heizenergie eines Haushalts über die Außenwände an die Umwelt abgegeben werden, wie die Initiative „Wärme im Dialog“ feststellt. Deshalb raten auch Ökologen unbedingt zur Wärmedämmung. Sie geben natürlichen Stoffen wie Hanf, Flachs, Holzweichfaser, Zellulose oder Kork den Vorzug.

Doch spielen bei der Wahl der Dämmung meist auch Kostenüberlegungen eine Rolle. Tanja Loitz von der gemeinnützigen co2online GmbH plädiert für eine „fachgerechte“ Wärmedämmung. Diese Investition „macht Mieter und Eigentümer unabhängiger von stetig steigenden Energiepreisen“, sagt sie.

Angesichts des Trends hin zur energetischen Gebäudesanierung gibt es allerdings auch Ängste vor einer neuen Kostenlawine. Dieser Sorge ist jüngst die Deutsche Energie-Agentur GmbH (dena) entgegengetreten. Ihr Sprecher Stephan Kohler verwies auf staatliche Förderungen für energetische Sanierungen und stellte die Prognose auf: „Wenn gar nicht saniert wird, ist das für den Mieter die teuerste Variante, da seine Warmmiete durch die steigenden Energiepreise erheblich stärker steigen wird, als wenn sein Haus saniert wird.“

Die dena (dena.de) geht davon aus, dass „eine energetische Top-Sanierung eines Einfamilienhauses“ rund 73 000 Euro kostet. Trotz des derzeitig „sehr mäßigen Sanierungstempos“ glaubt die Energieagentur, dass bis zum Jahr 2050 bei sinnvollen Schritten mit Augenmaß „ein nahezu klimaneutraler Gebäudebestand“ erreicht werden könne.

Aber wie wirkt sich die Wärmedämmung konkret in der individuellen Wirtschaftlichkeitsberechnung aus? Hier gibt es in der Tat eine große Spannbreite. Je nach der konkreten Situation werden zum Beispiel vom Deutschen Institut für Wirtschaftsforschung (DIW) in Berlin Amortisations-Zeiträume von 3 bis 24 Jahren genannt, ein Szenario, das viele Architekten bestätigen. Wobei die ganz reale Entwicklung der Energiekosten weiterhin schwer vorhersehbar ist.

Als Nutznießer gilt jedoch der Klimaschutz: Beim DIW hat man errechnet, dass der CO2-Ausstoß eines Einfamilienhauses einer vierköpfigen Familie durch energetische Dämmung jährlich um zwei Tonnen gesenkt werden kann.

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false