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Wer erbt die Finca? Die neue EU-Verordnung gilt ab 17.8.2015. An wen der Nachlass geht, richtet sich dann nach dem Recht des Landes, in dem der Erblasser zuletzt lebte.

© Hypostar/epr/fotolia/Nienhaus

Erbrecht: Böses Erwachen auf den Balearen

Neue EU-Verordnung zum Vererben: Wer dauerhaft im Ausland lebt, sollte sein Testament überprüfen.

Während hierzulande in diesen Tagen Mützen und Schals angesagt sind, springt Christoph Albeck mit leichtem Sakko bekleidet in seinen Porsche Cayenne. Er ist unterwegs zu Kunden, einem älteren deutschen Ehepaar, das eine Finca auf Mallorca kaufen möchte. Der Makler hat mehrere Objekte im Auge, die er ihnen zeigen will. Der aus Süddeutschland stammende Albeck hat sich nach seinem VWL-Studium auf Mallorca niedergelassen, ist mit einer mallorquinischen Frau verheiratet und hat zwei Söhne. Albeck lebt von Deutschen, die Häuser und Wohnungen auf der Insel kaufen – um hier Urlaub zu machen oder ihren Lebensabend im sonnigen Süden zu verbringen.

Doch nicht nur für Albeck, auch für alle anderen rund 300 000 Deutschen, die bis auf wenige Wochen im Jahr auf den Balearen und dem spanischen Festland leben, tickt die Uhr. Ab 2015 tritt eine neue EU-Verordnung für Erbfälle in Kraft – und die hat ihre Tücken. Um künftigen Erben böse Überraschungen zu ersparen, besteht schon heute Handlungsbedarf. „Jedes Testament gehört auf den Prüfstand“, rät Christoph Oehler, Mitglied des Vorstands der Notarkammer Berlin. „Sonst kann bei den Residenten eines Tages mallorquinisches Erbrecht zur Anwendung kommen. Egal, ob der Erblasser das wollte oder nicht.“

Die neue EU-Verordnung gilt für alle Erbfälle, die nach dem 17.8.2015 eintreten. An wen der Nachlass des Verstorbenen geht, richtet sich dann grundsätzlich nicht mehr nach der Staatsangehörigkeit des Erblassers, sondern nach dem Land oder der Region, wo er seinen letzten gewöhnlichen Aufenthalt hatte. Für die vielen deutschen Ruheständler in Spanien bedeutet dies beispielsweise, dass ihre künftigen Erben sich mit spanischem Erbrecht, mallorquinischem Recht oder sogar den Erbvorschriften einzelner Regionen herumplagen müssen. Mit der Folge, dass sie im schlimmsten Fall leer ausgehen. „In einigen Regionen weicht das Recht sehr deutlich vom nationalen spanischen Recht ab“, warnt Rechtsanwalt Günter Menth, der Kanzleistandorte in Würzburg und in Manacor im Osten Mallorcas leitet.

Bisher gilt: Stirbt ein deutscher Staatsangehöriger, der seinen Nachlass nicht geregelt hat, greift nach dem Bürgerlichen Gesetzbuch (BGB) die gesetzliche Erbfolge. War der Erblasser zum Beispiel verheiratet und hatte zwei Kinder, erhält die Ehefrau nach deutschem Recht im Regelfall die Hälfte des Vermögens, die Kinder je ein Viertel. Dies gilt, nach jetzigem Recht, auch für die Villa an der Costa Brava oder die Ferienwohnung in Madrid.

In Zukunft soll sich das ändern: Hat der Erblasser keine Regelung getroffen und hatte er seinen gewöhnlichen Aufenthalt zuletzt im EU-Ausland, also etwa in Spanien, gilt spanisches Recht – und zwar nicht nur für die Immobilien dort, sondern auch für das Einfamilienhaus in Berlin oder das Aktiendepot bei einer deutschen Bank, kurz: für das gesamte Vermögen. Danach hat die Ehefrau nur eine sehr schwache Position. Statt hälftige Miteigentümerin des Nachlasses zu werden, erhält sie nur ein Nießbrauch- beziehungsweise Nutzungsrecht an den Immobilien. Eigentümer werden allein die Kinder.

Die Staatsangehörigkeit spielt keine Rolle

Zwar gelten auch nach bisherigem Recht bereits Sonderregeln, wenn die Immobilien statt in Spanien oder Italien in Großbritannien oder den USA liegen. Allerdings werden nur die dortigen Immobilien nach dem ausländischen Recht vererbt – nicht das Vermögen in Deutschland. „Erbfälle mit Immobilien im Ausland führen bei einigen Ländern zu Nachlassspaltungen, die immer kompliziert sind“, erklärt Axel Warda, Notar in Gangelt am Niederrhein. Er beurkundet oft Testamente und Erbverträge, bei denen es um Objekte im grenznahen Holland und Belgien geht.

Um Zwist in der Familie zu vermeiden und dafür zu sorgen, dass der überlebende Ehepartner ab August 2015 beim Erben nicht mehr oder weniger leer ausgeht, sollten bestehende Testamente jetzt überprüft und angepasst werden. Meist wünschen Ehegatten, dass zunächst der überlebende Partner den gesamten Nachlass erhält und erst nach dessen Tod die Kinder an der Reihe sind. Sie verfassen ein sogenanntes Berliner Testament.

Um klarzustellen, dass ab August 2015 der gesamte Nachlass – inklusive des spanischen, belgischen oder italienischen Ferienhauses – nach deutschem Recht auf den Ehepartner übergeht, hilft folgende Klausel im Testament. „Für meinen gesamten Nachlass soll deutsches Erbrecht gelten“, erklärt Jan Bittler, Geschäftsführer der Deutschen Vereinigung für Erbrecht und Vermögensvorsorge (DVEV). Ohne Testament und ohne ausdrückliche Erklärung gilt für den gesamten Nachlass im In- und Ausland ab 17.8.2015 das Erbrecht des Staates, in dem der Erblasser vor seinem Tod seinen gewöhnlichen Aufenthalt hatte.

Die Staatsangehörigkeit spielt keine Rolle mehr. Doch nicht nur deutsche Auslands-Ruheständler müssen aktiv werden, meint Francesco Senatore, der als Rechtsanwalt für deutsch-italienische Erbfälle zwischen Hamburg und Mailand tätig ist. Auch Italiener, die sich wegen der schlechten Wirtschaftslage zu Hause zunehmend in Berlin niederlassen, sollten ihr Testament überprüfen. Denn auch sie können wählen, welches Erbrecht gelten soll. „Nach deutschem Recht lässt sich ein neuer Lebens- oder Ehepartner gegenüber Pflichtteilsberechtigten in Italien zum Beispiel besser absichern“, erklärt Senatore.

Wird es einem Italiener dann allerdings zu kalt an der Spree und geht er zurück in seine Heimat, verliert eine solche Wahl-Klausel ihre Wirksamkeit. Dasselbe würde für Christoph Albeck auf Mallorca gelten: Ginge er dauerhaft zurück nach Deutschland, käme allein deutsches Recht zur Anwendung. Das allerdings ist vorerst kaum zu erwarten. Erst vorgestern schickte er „sonnige Grüße von der schönsten Insel der Welt“.

Ruth Bohnenkamp

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