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Immobilien: Erdwärme fürs Eigenheim

Es gibt bereits drei technisch ausgereifte Verfahren, um aus dem Erdinnern Energie zu erzeugen. 300 Anlagen laufen in Berlin

Der Literpreis für Heizöl hat sich seit Anfang vergangenen Jahres gut verdoppelt und ein Ende der Steigerung ist nicht abzusehen. Für immer mehr Menschen ist das ein Grund, den Kopf in den Sand zu stecken – auf der Suche nach Wärme. Andere gehen dabei sogar ins Wasser – ins Grundwasser. So unproblematisch ist das jedoch nicht, von den Kosten ganz zu schweigen. Man muss dafür meist tief in den Boden, je nach vorherrschender Geologie mindestens 50 bis 60 Meter. Außerdem ist das Grundwasser die Quelle unseres wichtigsten Lebensmittels, die Vorräte dort unten dürfen also nicht beschädigt werden. Doch trotz des großen Aufwands laufen in Berlin bereits etwa 300 genehmigte Anlagen, ihre Zahl dürfte schnell weiter wachsen.

In Berlin und Umgebung ist es nicht so einfach wie in anderen Gegenden, an die Erdwärme heran zu kommen. Technisch geht das mit Hilfe von Wärmepumpen. Das sind Aggregate, wie wir sie von Kühlschränken her kennen, sie können Wärme an der einen Seite abziehen und an einer anderen Stelle gleichsam konzentriert abgeben.Immerhin nimmt der Einfluss der Witterung auf die Temperatur des Bodens schon recht früh ab. Spätestens in 20 Metern unterhalb der Erdoberfläche verharrt die Temperatur sommers wie winters beständig so im Bereich von etwa acht Grad Celsius. In einer Tiefe bis 100 Meter sind es dann ungefähr zehn bis zwölf Grad Celsius. Das ist gut genug für die Wärmepumpe. Sie verbraucht zwar elektrischen Strom, doch wenn die Quelle im Boden großzügig ist, kommt im Vergleich zur Öl- oder Gasheizung dennoch eine positive Bilanz heraus.

Drei Verfahren sind technisch inzwischen ausgereift. Wer auf einem ohnehin abgeräumten Grundstück neu baut, kann flach installierte Sammler nutzen. Sie liegen in so geringem Abstand zur Geländeoberfläche, dass sich hier noch die Wärme der Atmosphäre sowie die Sonneneinstrahlung bemerkbar machen. Da ihre Ausbeute an Erdwärme aber eben wegen der geringen Tiefe mäßig ist, müssen sie großflächig ausgebreitet werden.

Auf bereits bebauten Grundstücken mit schützenswertem Baumbestand werden daher Systeme bevorzugt, die mit Erdlanzen auskommen. Dafür werden bis in eine Tiefe von 80 bis 100 Metern Bohrungen abgeteuft und mit diesen Lanzen bestückt. In ihnen zirkuliert eine Flüssigkeit, die sich unten im Boden erwärmt, verdampft und diese Energie an die Wärmepumpe abgibt.

Noch weitgehend unbekannt in Berlin ist eine Technik, die vor allem in der Schweiz seit mehr als 20 Jahren stärker eingesetzt wird. Sie holt das (auch im Winter) etwa elf Grad warme Grundwasser aus dem Boden, entzieht ihm rund drei bis fünf Grad für die Heizung und die Brauchwassererwärmung. Danach wird das Grundwasser wieder dem Boden zugeführt. Und wenn man eine solche Anlage entsprechend erweitert, kann man sie im heißen Sommer auch zur Raumkühlung verwenden.

Eine Verringerung der Heizkosten um 80 Prozent verspricht beispielsweise Tobias Viernickel, der mit dem „Geohil“-Verfahren bereits einige Gebäude in Berlin und im Umland ausgestattet hat. In einem Mariendorfer Vierfamilienhaus arbeitet die Anlage seit drei Wintern nach Auskunft von Bewohnern problemlos. 40 000 Euro kostete allein die Technik samt Brunnen, nicht gerechnet die Investitionen in den ohnehin notwendigen Wärmeschutz des Altbaus. Doch reduziere sie die Energiekosten auf ein knappes Viertel – gemessen am heutigen Ölpreis würden je nach Strenge des Winters etwa 4000 Euro gespart. Und damit sei die Technik auch für größere Gebäude interessant – in Planung ist sie für Wohnhäuser in der Innenstadt oder auch für das Pastor-Braune-Haus des Evangelischen Jugendfürsorgewerks in Lankwitz, zum Beispiel.

Welches Verfahren wirklich wirtschaftlich ist, muss man sich möglichst präzise ermitteln lassen – sonst heizt man winters fast nur mit Strom. Bei der „Geohil“-Technik schenkt man daher viel Aufmerksamkeit der Geologie und den geförderten Bohrschlämmen, um exakt die richtige Stelle des Grundwasserleiters zu treffen. Überdies wird man künftig auch die Umgebung im Auge behalten müssen – saugen bereits sehr viele Nachbarn am natürlichen Erdspeicher, könnte es zumindest in derselben Schicht auf längere Sicht knapper werden. Abstände zu benachbarten Brunnen müssen also eingehalten werden. Doch auch das Anzapfen des Grundwassers selbst ist nicht unproblematisch, wie übrigens jede Bohrung, die in die dort Wasser führenden Schichten gelangt. Denn die Wasserversorger gewinnen da ihren Rohstoff, der nicht verunreinigt werden darf. In Tiefen zwischen 60 und 200 Metern finden sie schließlich unser Süßwasser, das wir zum Leben brauchen.

Doch was sagen die amtlichen Umweltschützer dazu, dass das Erdreich zu Heizzwecken angebohrt wird? „Prinzipiell ist ein solcher Weg, der die Verbrennung fossiler Stoffe und damit den Ausstoß an klimaschädlichem Kohlendioxid reduziert, positiv zu sehen“, sagt der Hydrogeologe Alexander Limberg von der Berliner Senatsverwaltung für Stadtentwicklung. Hinzu kommt, dass das Grundwasser unter der Berliner Innenstadt ohnehin etwas wärmer ist als es eigentlich sein dürfte – eine Auswirkung großer Baumassen und der Bodenversiegelung. Und das Geohil-Verfahren in Mariendorf wird bei der Wasserbehörde als Pilotprojekt genauer betrachtet, ergänzt die zuständige Mitarbeiterin, Kerstin Hähnel. Man erwarte nähere Erkenntnisse darüber, wie es sich langfristig verhält.

Manche Bundesländer wie Nordrhein-Westfalen und Hessen haben ihre geologischen Erkenntnisse bereits dazu genutzt, „Wärme-Atlanten“ anzufertigen, auch die Berliner Verwaltung wird demnächst eine Karte zum geothermischen Potenzial vorstellen.

„Alle Arbeiten dürfen nur von zertifizierten Betrieben ausgeführt werden, die die Gefahren genau kennen“, betont Limberg. Zudem braucht der Bauherr eine Genehmigung der Wasserbehörde.

Was dabei alles zu beachten ist – geologisch und rechtlich – wurde von der Behörde jetzt in einem Leitfaden zusammengefasst. Er ist im Internet unter http://www.stadtentwicklung.berlin.de/ umwelt/wasser/wasserrecht/merkblatt.shtml erhältlich.

Auch der Verein Deutscher Ingenieure bietet mit der VDI-Richtlinie 4640 eine Anleitung darüber, welche Daten bei der Erdwärmenutzung zu prüfen sind und worauf bei einer Installation zu achten ist.

Gideon Heimann

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