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Immobilien: Erhalten durch Aufessen

Nur eine starke Verbrauchernachfrage kann alte Obst- und Gemüsesorten aus dem Nischendasein befreien

Viel Abwechslung hat der Supermarkt bei Obst und Gemüse meist nicht zu bieten: Makellose Äpfel neben wohl geformten Salatgurken, die üblichen Strauchtomaten und einige Erzeugnisse aus biologischem Anbau. Alte, fast vergessene Obst- oder Gemüsesorten sind aus wirtschaftlichen Gründen aus den Sortimenten des Erwerbsanbaues nahezu verschwunden und werden meist nur noch auf regionalen Märkten oder in Hofläden angeboten. So dürften sich all diejenigen glücklich schätzen, die einen alten „Kaiser Wilhelm“ oder eine „Goldparmäne“ als Belag für ihren Apfelkuchen oder eine Bauernpflaume verarbeiten können.

Doch zum Pflanzen einer alten Sorte ist es nie zu spät. Spezialisierte Baumschulen bieten eine interessante und vielfältige Auswahl von Obstsorten an, die teilweise seit Jahrhunderten bekannt sind. Der Kunde kann die Sorten nach gewünschten Eigenschaften (beispielsweise Standortansprüche, Geschmack, Reifezeit) auswählen. Dem Vergleich mit der einheitlichen Hochglanzware halten sie allein durch die individuellen Geschmacksrichtungen allemal stand, außerdem sind sie robust und regional anpassungsfähig. Bei den meisten Hobby-Gärtnern dürfte der Wohlgeschmack der Früchte bei der Auswahl vermutlich im Vordergrund stehen. Einigen wird es auch um die Erhaltung der Sortenvielfalt gehen. Wie auch immer: Die Nachwelt wird solch einen Baum zu schätzen wissen.

Wer noch unentschlossen ist, welche Sorte Obst es sein soll, dem hilft vielleicht der bereits 2003 erschienene „Farbatlas Alte Obstsorten“ aus dem Verlag Eugen Ulmer weiter. Das Nachschlagewerk stellt detailliert und mit Farbfotos illustriert 275 alte Obstsorten vor. Den größten Raum nehmen entsprechend der Bedeutung und Verbreitung mit 150 Sorten die Äpfel ein, gefolgt von mehr als 90 Birnensorten und ergänzt durch die wichtigsten alten Pflaumen- und Kirschsorten. Allerdings wird das süddeutsche Sortiment durch den dort vorhandenen Streuobstanbau etwas bevorzugt.

Naturnah, aber aufwändiger ist dagegen ein Trip Richtung Norden. Mitten im Angelner Hügelland zwischen der Flensburger Förde und der Schlei liegt in Sörup im Ortsteil Winderatt die Baumschule „Alte Obstsorten“ samt Obstmuseum. Im Sortengarten des Familienbetriebes werden auf einer Fläche von annähernd 4,1 Hektar 700 verschiedene lokale, regionale und überregionale alte Obstsorten gezeigt, davon 530 Apfelsorten, darunter einige, die bis zu 2400 Jahre alt sein sollen. Doch neben Kern- und Steinobst wachsen dort auch Wal- und Haselnuss sowie verschiedene Beerensträucher. Zurzeit herrscht auf dem Gelände allerdings noch Winterruhe.

Doch nicht nur alte Obstsorten gilt es zu erhalten, sondern auch seltenes Wurzel- und Blattgemüse oder Salatpflanzen. Während Teltower Rübchen dem Namen nach zumindest regional bekannt sind, werden nur wenige Hobby-Gärtner etwas mit den heimischen, für den Verzehr geeigneten Wildpflanzen „Guter Heinrich“ oder „Erdbeerspinat“ anfangen können. Helfen kann in solchen Fällen der Verein zur Erhaltung der Nutzpflanzenvielfalt (VEN). Er hat es sich zur Aufgabe gemacht, möglichst viele Gene alter Pflanzensorten zu bewahren. In den letzten 20 Jahren wurden in der Datenbank des Vereins 4500 Sorten gespeichert; allein 500 verschiedene Tomatensorten – von sauer bis süß. Wer Samen ganz bestimmter alter Gemüsesorten sucht, sollte in die neue Liste des Vereins schauen, die im Februar erscheinen soll.

Hobby-Gärtner können die verdienstvolle Arbeit unterstützen. Denn Schwerpunkt für das Jahr 2007 ist die Rekultivierung und Erhaltung alter Gartensalat- und Tomatensorten. Interessenten haben die Möglichkeit das Saatgut, das es beim Verein gibt, in ihren Hausgärten anzubauen und eine Patenschaft für das Gemüse zu übernehmen. Das bedeutet unter anderem, dass mindestens fünf Jahre die Eignung der Pflanzen an den regionalen Standorten getestet werden muss.

Die nachhaltige Nutzung alter Regional- und Landsorten ist Ziel des Vereins zur Erhaltung und Rekultivierung von Nutzpflanzen in Brandenburg (VERN). Das schließt auch die Pflege der Anbautraditionen sowie die Umsetzung alter Verarbeitungsmethoden mit ein. Mitglieder sind Privatpersonen, Landwirte, Gärtner und Institutionen. Auf nicht-kommerzieller Basis wird aus den eigenen Erhaltungsbeständen Saat- und Pflanzgut abgegeben.

Ein Beispiel für die regionale Vermarktung ist das so genannte Champagnerbrot aus alten Brotgetreidesorten. Es wird leider nur für besondere Veranstaltungen gebacken, wie beispielsweise im vergangen Jahr zur Grünen Woche. Dieses Brot besteht aus dem einstmals stark verbreiteten und dann als unwirtschaftlich eingestuften „Norddeutschen Champagnerroggen“, der auf einigen landwirtschaftlichen Betriebsflächen, beispielsweise in der Uckermark, wieder angebaut wird. Aus einem alten Feldbestand von „Kuwerts Ostpreußischem Dickkopf“, einer Winterweizensorte, wurde aus dem Mehl der beiden „alten Preußen“ das „Champagnerbrot“ kreiert.

Testweise werden die alten Gemüsesorten auch an die Nobelgastronomie in Berlin oder an interessierte Bioläden geliefert. Die Nachfrage sei weitaus größer als das vorhandene Angebot, heißt es beim Verein. Das lässt hoffen. Denn alte Obst- und Gemüsesorten lassen sich langfristig nur aus ihrem Nischendasein herausholen und erhalten, wenn für einen gut funktionierenden Markt gesorgt wird.

Weiteres im Internet:

www.nutzpflanzenvielfalt.de www.vern.de

www.alte-obstsorten.de

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