zum Hauptinhalt

Immobilien: Es gibt kein Entkommen

Wer vor Jahren Mietverträge über Büroräume zu hohen Preisen abschloss, kann sie nicht kündigen

Seit der ersten Euphorie nach der Wiedervereinigung sind die Mieten für Gewerberäume auf dem Berliner Markt zum Teil drastisch gefallen (siehe Artikel oben). Deswegen versuchen auch viele Mieter, die Anfang der neunziger Jahre langfristige Mietverträge abschlossen, aus dieser Bindung herauszukommen - und zwar mit juristisch gewagter Begründung. Zumeist wird argumentiert, bei der Vereinbarung des höheren Mietzinses im Jahre 1992 handele es sich um Mietwucher. Der Mietvertrag sei daher sittenwidrig und somit nichtig. Das Landgericht Berlin hat sich dem aber in einer Entscheidung aus diesem Jahr entgegengestellt.

Der Wuchertatbestand setzt ein auffälliges Missverhältnis zwischen dem tatsächlichen Wert der angemieteten Räume und der geschuldeten Miete voraus. Die ist nach Berliner Gerichten dann der Fall, wenn der vereinbarte Mietzins zumindest 100 Prozent über der marktüblichen Miethöhe zum Zeitpunkt des Vertragsschlusses liegt. Abzustellen ist hierbei auf den Zeitpunkt des Abschlusses des Mietvertrages im Jahre 1992 und nicht im Jahre 2002.

Im Gegensatz zu Mietverträgen über privaten Wohnraum ist bei der Geschäftsraummiete nicht die ortsübliche Vergleichsmiete, sondern die so genannte Marktmiete heranzuziehen. Der Unterschied liegt darin, dass sich die ortsübliche Vergleichsmiete aus dem Schnitt der Entgelte berechnet, die im jeweiligen Bezirk für vergleichbare Wohnungen in den letzten vier Jahren vereinbart wurden. Demgegenüber handelt es sich bei der Marktmiete um einen Zins, der zu einem konkreten Zeitpunkt bei der Vermietung zu erzielen ist - nicht vorher nicht nachher.

Noch deutlicher als bisher betont das Gericht die subjektive Komponente, die beim Vermieter erfüllt sein muss, damit von einer Sittenwidrigkeit des Mietvertrages aufgrund von Mietwucher gesprochen werden kann. Der Vermieter muss die ihm erkennbare Unerfahrenheit des Mieters ausgenutzt haben, um einen deutlich überhöhten Zins durchsetzen zu können. Die vorausgesetzte Unerfahrenheit der Mieter muss nach der Rechtsprechung des Landgerichts Berlin verneint werden, wenn diese Kaufleute oder Wirtschaftsunternehmen sind.

Im entschiedenen Fall hat das Gericht zudem auch eine Gemeinschaftseinrichtung der gesetzlichen Krankenkassen einem Wirtschaftsunternehmen gleichgesetzt. Die Kasse verfüge über einen Beraterstab und aus diesem Grunde könne sie nicht als wirtschaftlich unerfahren qualifiziert werden. Sofern ein gewerblicher Mieter nicht als wirtschaftlich unerfahren angesehen werden kann, müsse als Voraussetzung für die Verwirklichung des Wuchertatbestandes ein Überschreiten der bestehenden Marktmiete um zumindest 200 Prozent gegeben sein.

Im Ergebnis muss damit davon ausgegangen werden, dass Mietverträge über Gewerbeflächen aus der Zeit unmittelbar nach der Wiedervereinigung auch in Zukunft unverändert bis zu dem ursprünglich vereinbarten Auszugstermin Bestand haben werden. Dabei spielt es in den meisten Fällen keine Rolle, ob darin Konditionen vereinbart sind, die die heutige Marktmiete deutlich übersteigen. Jürgen Rodegra

Der Verfasser ist promovierter Rechtsanwalt in Berlin-Mitte.

NAME

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false