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Immobilien: Europas Schönste – alles Fassade

Am Moabiter Spreeufer entstehen edle Wohnungen. Die Planer haben sich von anderen Städten am Wasser inspirieren lassen

Da kann man neidisch werden. Ein Arbeitgeber, der seinen Angestellten Luxuswohnungen mit Spreeblick bereitstellt. Mit Sicht auf Fernsehturm und Berlins Mitte. Nun ja, Condoleeza Rice persönlich hat den Kauf der Domizile genehmigt – für die Berliner Konsulatsbeamten der Vereinigten Staaten von Amerika.

Der Gedanke an den Verkauf der dreizehn Wohnungen am Bundesratufer zaubert ein Lächeln auf das Gesicht von Alexander Kindermann. Er ist Geschäftsführender Gesellschafter des Unternehmens HGG, das die Häuser errichtet hat: „Der Neubau war ein Experiment. Es ist gelungen.“ 60 Prozent der insgesamt 77 Wohnungen sind verkauft, 10 Prozent reserviert. Dabei ist die noble Anlage – bestehend aus sechs Häusern mit insgesamt 8000 Quadratmetern Wohnfläche – nicht einmal fertig. Erst im Frühjahr sollen die Bewohner mit Kisten und Koffern in das Ensemble einziehen können.

Das Projekt Bundesratufer 7 bis 9a/ Ecke Bochumer Straße 14 war ein Wagnis. Zwar kommt der Alt-Bezirk Tiergarten mit seinen Sozialdaten wie Nettohaushaltseinkommen und Arbeitslosenzahlen im Ranking nicht gut weg, wie das Amt für Statistik Berlin-Brandenburg jüngst ermittelte. Aber viele Bezirke sind im Umbruch, besonders in der Innenstadt. Ob rund um Turmstraße und Alt-Moabit nun gleich der Prozess der Gentrifizierung mit Massenzuzug besser verdienender Kunst- und Medienmenschen einsetzt wie in Prenzlauer Berg, kann niemand vorhersagen. Aber der Kiez war früher einmal bürgerlich. Davon zeugen denkmalgeschützte Gründerzeitbauten wie das Lessing-Haus und die Geschichte des Quartiers, in dem vor mehr als 100 Jahren die Dampfmühle auf dem Borsig’schen Fabrik- und Gartenterrain stand. Das war genau dort, wo heute Dortmunder und Bochumer Straße auf das Bundesratufer stoßen.

Die HGG wird an dieser Stelle einen kleinen Uferpark gestalten, die Gabelung der Straßen mit der Mittelinsel wird geschlossen. Das war Teil des Deals mit dem Senat und der Wohnungsbaugesellschaft WIR, von der die HGG Grundstücksgesellschaft das Areal mit den zwei leer stehenden Schwesternwohnheimen gekauft hat. Die Bausünden der sechziger Jahre wurden für die Neubauten abgerissen.

Erstaunlich, wie spät an manchen Stellen in der Stadt eine der größten Wohnsehnsüchte in Bauvorhaben umgesetzt wird: Wasserlage geht fast immer. Das fand nicht nur das HGG-Team, als es den Architekten-Wettbewerb für das Projekt ausschrieb. Der Gewinner, Arno Bonanni, Architekt und TU-Professor, traf mit seiner Idee den Nagel auf den Kopf. Wohnen am Wasser funktioniert auch in Budapest, Paris, Amsterdam, Barcelona, Wien und Stockholm. So gestaltete er für die 65 Meter lange Neubaufront am Bundesratufer sechs Fassaden, die das Typische der Architektur dieser Städte aufgreifen (siehe Kasten).

„Wir sind doch aber das rheinische Viertel“, monierten einige Alt-Anwohner während der ersten Infoveranstaltung das europäische Konzept. Inzwischen aber scheint die Aufwertung des Kiezes mit der kleinen Grünanlage und den Bänken am Spreeuferweg – der reicht bis zum Regierungsviertel – die Nachbarschaft überzeugt zu haben.

Für die großteils internationale Käuferschaft – mehr als die Hälfte sind Nichtberliner – steht das Konzept wohl außer Frage. Sie sind bereit, für Wohnungsgrößen von 77 bis 188 Quadratmetern bis zu 460 000 Euro zu zahlen. Dafür gibt’s dann großzügige Terrassen und Balkone, hochwertige Ausstattung mit Stäbchenparkett und Natursteinbelägen, Vorgärten und öffentliche Bootsanlegestellen direkt vor der Tür. Dazu Grundrisse, an denen Architekt und Projektentwickler Siegfried Wik lange gefeilt hat, damit Nutzungen und Proportionen der Zimmer stimmen und möglichst wenige gefangene Räume entstehen. Wer sich während der Bauzeit entscheidet, kann am Grundriss noch mitgestalten.

Über die anfängliche Skepsis gegenüber dem Projekt Bundesratufer können Kindermann und Wik heute locker hinwegsehen: „Nur Berliner haben eine so kritische Sicht auf ihre Stadt, international ist es für viele Menschen der Sehnsuchtsort Nummer eins.“

Und die Sonderwünsche der Amerikaner haben die Bauherren ohne viel Aufhebens erfüllt: Große Kühlschränke mit Eisbereiter sind dort Standard und größere Backöfen, damit die Thanksgiving-Truthähne hineinpassen. Am niedlichsten findet Alexander Kindermann ein kleines Detail im Bad, auf dem die Neuberliner aus Übersee bestehen: Die Wannenstöpsel müssen aus Gummi sein und – wie bei uns in den Sechzigern – an einem kleinen Kettchen hängen.

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