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Fabriketagen: Die nächste Vorstellung heißt „Wohnen im Loft“

Berlin hat die Dekorationswerkstätten der Komischen Oper verkauft.

Die „Filetstücke“ aus dem Berliner Staatsbesitz sollte der Liegenschaftsfonds Berlin von 2006 an unter die eher wohlhabenden Leute bringen – dieses eine Filetstück ist inzwischen wirklich lang genug abgehangen, immerhin: Die Dekorationswerkstätten der Komischen Oper Berlin sind seit Anfang 2011 in neuen Händen. An der Grenze der Szeneviertel von Mitte und Prenzlauer Berg will der Immobilien-Investor Optima-Aegidius „Opernlofts“ aus den historischen Gebäuden machen. Vorhang auf für Wohnen im Stil einer Galapremiere: Es wird eine Inszenierung für 25 Millionen Euro.

Grundstücksgeschäfte dieser Größenordnung laufen selten glatt geradeaus. Der Liegenschaftsfonds Berlin hatte die Opernwerkstatt nach einem internationalen Bieterverfahren einem britischen Investor zugeschlagen – für den 2008 allerdings ein Schaltjahr der besonderen Art war. Er und übrigens auch die anderen Mitbieter hatten in der Wirtschaftskrise lernen müssen, wie es ist, kurz vor dem Ersten kein Geld mehr zu haben. Die Opern-Immobilie ging dann in der freihändigen Vergabe zum Verkehrswert, wie die Direktvermarktung amtlich heißt, an die Münchner Immobilien-Investorengruppe Optima-Aegidius. Welcher Kaufpreis nun die Finanzlage Berlins bessert, liegt noch im Bereich des Diskreten. Auch bei Optima-Aegidius in München schweigt man höflich zu dieser Frage.

Die Optima-Firmengruppe bezeichnet sich selbst als „größeren inhabergeführten Projektentwickler“ und spannt den Bogen über zwei Kontinente: München, Berlin, Toronto, Montreal und Cadiz. Im Markt aktiv ist das Unternehmen seit vierzig Jahren. Die Bilanzsumme beträgt nach eigenen Angaben aktuell 350 Millionen Euro. Die Firmengruppe beschäftigt rund fünfzig Mitarbeiter, ein Drittel davon am Standort Berlin. Optima-Aegidius hatte sich in Berlin in schon mehr als einem Dutzend Großprojekten engagiert, augenfällig sind besonders die Spreeresidenzen, die das Charlottenburger Stadtbild an der Dovestraße bestimmen. Weitere Leistungsbeweise sind die Brunnenresidenz in Pankow, die Gutenberghöfe oder das Humboldt-Palais.

Aus den Werkstätten der Komischen Oper lässt sich einiges machen. An die 6000 qm Bruttogeschossfläche sollten für fünfzig Wohnungen reichen, in guter Lage: Die Immobilie liegt im Schnittwinkel von Rosenthaler Vorstadt, Spandauer Vorstadt und Prenzlauer Berg; alle drei Quartiere sind Szeneviertel, sprich Immobilien-Adel. Die Nachbarschaft der Opernwerkstätten gilt als aufgeschlossen; Schüler und Eltern der Oberschule gegenüber setzten den Namen John-Lennon-Gymnasium für ihre Lehranstalt durch. „Beatle statt Bebel“ ist beispiellos in Deutschland.

Das unter Denkmalschutz stehende Objekt ist ein frühes Beispiel einer Etagenfabrik – eine Bau-Spezialität aus alten Berliner Tagen, wie sie zum Beispiel auch in Pankow mit der ehemaligen Zigarettenfabrik Garbáty zu bewundern ist. Entlang den Straßen wurden Wohngebäude errichtet, in den Innenhöfen die Gewerbeeinheiten – kurze Wege zum Arbeitsplatz waren die Regel, die S-Bahn noch kein Muss in der Stadt. Im Fabrikkomplex im Innenhof der Zehdenicker Straße 12 B wurde zunächst eine Großwäscherei betrieben, nach dem Zweiten Weltkrieg übernahm die Komische Oper die Anlage als eigene Kostümschneiderei und Kulissenwerkstatt. Solchen Luxus darf sich die „Komische“ nicht mehr leisten; sie muss seit 2008 wie andere auch auf die Zentralwerkstätten der Berliner Kulturbetriebe zurückgreifen.

Weil sich unsere Vorfahren in der Gründerzeit generell nicht lumpen ließen, macht auch diese Etagenfabrik einiges her: Die Fassade aus gelben Ziegeln ist mit Ornamenten aus roten Klinkern gegliedert, trägt Segmentbogenfenster und Traufgesimse. Die Treppenhäuser sind aufwendig gestaltet, vom Geländer bis zu den Gewölbekappendecken. Und bei Geschosshöhen von 2,80 bis 4,10 Meter leuchten die Architektenaugen: Lofts sind derzeit die beliebteste Wohnform.

An der Zehdenicker Straße leuchten die Augen von Ingo Pott und seinen Architekten-Kollegen. Pott konnte spätestens 1999 bei den Berlinern landen, weil er zusammen mit Sir Norman Foster die Kuppel des Reichstags als neues Wahrzeichen der Stadt so schick hinbekommen hat.

Zuletzt hatten Pott und seine Mitarbeiter in Groß Borstel, einer gesuchten Hamburger Lage, der alten Schokoladen-Manufaktur zu einem zweiten Leben als modern-elegantes Loft verholfen. In Hamburg sichert man sich damit Mieten um die 13 Euro je Quadratmeter. Kalt, ohne Nebenkosten und Parkplätze. In Berlin werden solche Einheiten gewöhnlich in der Preisgruppe 5000 plus geplant. Als Kaufpreis in Euro je Quadratmeter gerechnet.

Allerdings, ohne repräsentative Straßenfront bleibt es ein Luxuswohnen im diskreten Rahmen. Von der braven Zehdenicker Straße aus wird man vom Wohlstand der künftigen Loft-Bewohner nicht viel mitbekommen – zu versteckt ist die Lage im Innenhof. Dafür bietet das Anwesen eine angenehm breite Zufahrt und sichere Stellplätze für standesgemäße Fahrzeuge. Das ist kein Nachteil in einem Berlin, wo das Parken brandgefährlich sein kann.

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