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Immobilien: Gefährliche Untermieter

Schimmelpilze lassen sich durch angemessene Raumtemperatur und richtiges Lüften verhindern

Ohne Pilze wäre das Leben zweifellos ärmer: Es gäbe keine Champignon-Pizza, aber auch keine Antibiotika wie Penicillin, und die Wälder wären ohne diese Recycling-Facharbeiter längst nicht so gut aufgeräumt. Aber es gäbe dann auch keine Schimmelpilze in Häusern. Denn diese Lebewesen – sie sind biologisch weder den Pflanzen, noch den Tieren zuzuweisen – können sich von vielerlei Substanzen ernähren. In der Natur gelten Pilze als genügsame Erstbesiedler: Selbst wenn asketische Pflanzenarten noch keine Chance zur Ansiedlung haben, sind sie schon da und bereiten den Boden, wenn er nur feucht genug ist.

In Wohnungen freilich sind sie unerwünschte Untermieter. Sie befallen organische Baustoffe wie Tapeten und Holz, aber auch auf Kunststoffen wie Duschvorhängen und Fliesenfugen-Silikon sowie auf Putz lassen sie sich nieder. Auf dem Speisezettel der Kleinstlebewesen stehen alle möglichen organischen Substanzen, also auch Staub (Pollen), Fette, feinste Hautschuppen. Sind davon auch nur Spuren vorhanden, können sich die Pilze ansiedeln. Ihre Sporen wiederum können bei empfindlichen Menschen Allergien auslösen. Die diesem Verursacher zugeschriebenen Krankheitsbilder reichen von Hautrötungen bis hin zu neurologischen Störungen.

In Deutschland sollen mehr als sieben Millionen Wohnungen von Schimmelpilz betroffen sein. Die Ursachen sind vielfältig, sie haben jedoch stets mit einer zu großen Feuchtigkeit im Raum zu tun. Besonders „attraktive“ Nährböden sind zum Beispiel nasse Keller, in die Grundwasser von außen oder Leitungswasser nach einem Rohrbruch eingedrungen ist. In solchen Fällen hilft nur eine fachgerechte Intensivtrocknung.

Fachleute schätzen, dass es 250 000 Arten von Pilzen gibt, von denen erst 100 000 klassifiziert sind. Etwa 200 lassen sich gern in Gebäuden nieder. Die meisten von ihnen wachsen bei einer relativen Luftfeuchtigkeit von 80 Prozent (direkt an der Wandoberfläche) und einer Temperatur ab 20 Grad Celsius am stärksten, haben Wissenschaftler des Stuttgarter Fraunhofer-Instituts für Bauphysik untersucht. Noch bevor die Sporen sesshaft werden und auskeimen, holen sie sich das nötige Nass aus der Luft.

Die Ansiedlung geschieht vergleichsweise schnell, erläutert Fraunhofer-Forscher Johann Reiß: Fünf aufeinander folgende Tage, an denen die Luftfeuchte über 75 Prozent liegt, können je nach Untergrund und Nahrungsangebot ausreichen, die hässlichen Besucher anzulocken. In oberirdischen Wohnräumen hilft dem Schädling vor allem jener Wasserdampf, der sich im Raum sammelt, wenn zu selten oder falsch gelüftet wird. Ab 65, spätestens bei 70 Prozent relative Luftfeuchte muss gelüftet werden. Wie berichtet, hilft ein Hygrometer, den richtigen Moment dafür abzupassen.

Aber auch eine genaue Beobachtung des Gebäudes kann helfen: Es geht um Stellen in der Wohnung, die kälter sind als andere. Das können die gefürchteten „Wärmebrücken“ sein, oder ganz einfach Außenwände, vorrangig dort, wo Vorsprünge Kanten und Winkel bilden. Hier schlägt sich die Luftfeuchtigkeit unter bestimmten Umständen sehr schnell als Wasser nieder.

Gerade Außenwände sollten an ihrer Innenseite daher gut belüftet und nicht von großen Möbelstücken verstellt sein. Sollten solche Außenwände gewöhnlich viel Regen abbekommen, muss der Fassadenputz regelmäßig auf Risse kontrolliert werden, sonst kann die Feuchtigkeit von draußen in die Wohnung eindringen. Sobald nur der Verdacht besteht, der Raum könnte von den Pilzen befallen sein, sollte ein Fachmann gerufen werden. Der kann nämlich die Zahl der Sporen in der Luft messen. Stellt sich dabei tatsächlich ein Befall heraus oder sind bereits die typischen dunklen Flecken zu sehen, muss nach der Ursache gesucht werden. Wo auch immer sie zu finden ist, sie muss beseitigt werden, sonst hat das Wachstum des Schimmels nie ein Ende. Mit der Luft herangetragene Sporen finden dann wieder eine aufnahmebereite Gaststube vor.

Anschließend geht es um die Beseitigung – und die ist je nach Ausbreitung und Eindringtiefe des Wurzelgeflechts (Mycel) nicht unbedingt einfach. In ganz leichten Fällen reicht es aus, die Stellen mit einer fünfprozentigen Essiglösung abzuwischen. Aber Vorsicht: Das kann die Pilze zwar entfernen, aber die Oberfläche des Gegenstands ruinieren. Andere Chemikalien enthalten Wasserstoffperoxid und Silbersalze oder Fruchtsäuren. Hierbei entstehen keine für den Menschen gefährlichen Rückstände. Von Präparaten auf Chlorbasis hingegen wird abgeraten.

Ist der Befall schon zu groß geworden, hilft nur eine großflächige Beseitigung des betroffenen Materials. Da sich der Pilz nicht nur von Tapeten, sondern auch vom Kleister ernähren kann, lösen sich Tapeten wie von selbst – schnell wird eine komplette Renovierung fällig. Denn Fungizide und die Überreste des abgetöteten Materials, die sie hinterlassen, können ebenfalls Verfärbungen hervorrufen. Wasserstoffperoxid zum Beispiel ist ein kräftiges Bleichmittel.

Wie auch immer: Bei starker Pilzbildung - häufig als schwarze rußähnliche Staubablagerung an Wänden sichtbar – ist die Hilfe vom Fachmann notwendig. Er hat auch die beste Technik zur Beseitigung des Schadens. Meist werden die betroffenen Räume „ausgefoggt“, wie das Neudeutsch heißt. Das pilztötende Mittel wird dabei in einen feinen Sprühnebel verwandelt. Und der kann auch in ganz versteckte Ecken gelangen, dorthin, wo man selbst gar nicht herankommt, ohne zusätzliche Zerstörungen anzurichten.

Angeschimmelte Matratzen, Teppiche, Regale und Bücher dürften reif für den Müll sein, denn eine spezielle Reinigung gibt es zwar für Textilien, doch ist sie sehr teuer. Das lohnt sich nur bei überaus wertvollen Stücken, die von den Pilzen noch nicht allzu stark zerstört worden sind. Im Zweifel kann man es – etwa bei Kleidung – mit Desinfektionsmitteln versuchen, die auch in Krankenhäusern eingesetzt werden.

Gideon Heimann

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