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Immobilien: Geld ist nicht gleich Geld

Viele Banken werben mit günstigen Baugeld-Krediten – doch die Angebote sind schwer zu vergleichen und oft ist ein Pferdefuß dabei

„50000 Euro Differenz bei der Restschuld nach zehn Jahren – da waren wir wirklich sprachlos!“ Kerstin Sielhoff und ihr Mann hatten sich einen Abend lang durch Zahlenkolonnen gebissen und schließlich die entscheidende Ziffer gefunden. Bei der Suche nach der richtigen Bank für die Finanzierung ihrer Eigentumswohnung in Berlin-Lichterfelde unterschieden sich die Angebote verschiedener Banken gewaltig. Die langjährige Hausbank des Neuberliner Paares, eine Commerzbankfiliale in Süddeutschland, hatte einen über 15 Jahre laufenden Hypothekenkredit mit einem Zinssatz von knapp fünf Prozent angeboten. Das Angebot einer Berliner Bank lag deutlich darüber und verlangte von den Sielhoffs den Abschluss eines Bausparvertrages und einer Lebensversicherung. Dafür jedoch, hatte der Berater versichert, werde ihnen 20 Jahre lang das gegenwärtige Zinsniveau garantiert.

Die Suche nach der maßgeschneiderten Immobilienfinanzierung gleicht noch immer einem Pfad durch einen Dschungel. Oft hilft nur ein Gespräch mit einem neutralen Berater, um die gröbsten Fallstricke zu vermeiden. Denn jeder Käufer oder Bauherr braucht sein eigenes Finanzierungsmodell. Für viele zahlt sich der Einsatz eines Bausparvertrages oder einer Lebensversicherung nicht aus. Und die Unterschiede bei den Konditionen sind riesig – nicht nur bei den Zinssätzen, sondern auch im Kleingedruckten.

„Als wir gemerkt haben, um welche riesigen Summen die Angebote voneinander abweichen, ist bei uns ist ein regelrechtes Jagdfieber ausgebrochen", sagt Kerstin Sielhoff. Die Jagd nach den günstigen Konditionen förderte Erstaunliches zu Tage. Orientiert man sich nur an den Zinsätzen für Hypothekenkredite, liegen die Internetbanken in der Regel vorn – zwischen 5,2 und 5,5 Prozent beträgt derzeit der Effektivzins bei einer Laufzeit von 15 Jahren und einem Beleihungswert von 60 Prozent. Beratung gibt es bei Internetbanken jedoch nicht, und da sie ihre Kunden zumeist gar nicht zu Gesicht bekommen, wird viel Wert auf Schriftliches gelegt. Und: Wer seine Unterlagen hinschick und ein Angebot erhält, dann liegt das oft mysteriöserweise 0,5 Prozent höher als versprochen. Auf Nachfrage werden dann fehlende Sicherheiten genannt – der Käufer kann dem meist nur schwer widersprechen.

Ganz anders bei den Sparkassen: Ihre Zinsen können mit den im Internet oder in der Zeitung veröffentlichten Hitlisten oft nicht mithalten. Dafür aber erweisen sich die Hausbanken, wenn sie ihre Kunden lange kennen, oft als erstaunlich kulant: Und lassen sich einige zehntel Prozentpunkte runterhandeln.

Dennoch ist auch gegenüber der Hausbank ein gesundes Misstrauen wichtig, denn viele Banken fielen bei anonymen Tests dadurch auf, dass sie zugunsten ihrer eigenen Kredite öffentliche Fördermittel wie diejenigen der Kreditanstalt für Wiederaufbau (KfW) unterschlagen hatten.

Und es drohen noch andere Fallstricke: Wie Kerstin und Thorsten Sielhoff erhalten viele Kunden Angebote, die ihnen empfehlen, neben einem Hypothekenvertrag einen Bausparvertrag oder eine Lebensversicherung abzuschließen. Eine solche Kombifinanzierung macht den Vergleich mit anderen Angeboten häufig unmöglich.

Eine Lebensversicherungsfinanzierung ist für eine selbst genutzte Immobilie jedoch in der Regel viel zu teuer. „Das wäre nur sinnvoll, wenn die Lebensversicherung mehr Ertrag bringt, als das Darlehen kostet“, sagt Jörg Sahr, Immobilienexperte bei Stiftung Warentest. Doch das ist schier unmöglich. Nur die Berater verdienen gut am Neuabschluss einer Lebensversicherung: Einige tausend Euro Provision sind die Regel – und erhöhen mit Zins und Zinseszins die Belastung des Käufers.

Auch eine Bausparsofortfinanzierung, bei der der Käufer erst beim Immobilienkauf einen Bausparvertrag abschließt und die Bausparkasse mit einem tilgungsfreien Kredit die Bausparsumme vorfinanziert, lohnt nur unter bestimmten Bedingungen – und auch dann nicht bei allen Anbietern. Der große Vorteil besteht darin, dass die Zinsen für den Kredit bis zur Zuteilung des Bausparvertrages stabil bleiben. Dafür aber sind die Zinsaufschläge meistens hoch. Vielen Kunden fällt das jedoch nicht auf, denn die Bausparkassen geben zumeist zwei Effektivzinse an, den einen für das Vorausdarlehen, den anderen für das Bauspardarlehen. „Der Kunde vermutet den echten Effektivzins irgendwo in der Mitte“, sagt Jörg Sahr. „Das ist jedoch falsch, er liegt meist höher, gegenwärtig bei sechs Prozent.“ Dadurch sind die Sofortfinanzierungsangebote der meisten Bausparkassen derzeit alles andere als ein Schnäppchen.

Jörg Sahr von der Stiftung Warentest ist sich sicher: „Ein normaler Hypothekenkredit mit laufender Tilgung ist meistens das Beste.“ Wichtige Kenngrößen, um die Angebote miteinander zu vergleichen, sind der Effektivzins und die Höhe der Restschuld nach einer bestimmten Zeit. Derzeit ist eine lange Zinsbindung über mindestens zehn Jahre sinnvoll. Wie lange der Kreditvertrag jedoch insgesamt laufen soll, hängt von der finanziellen Leistungsfähigkeit von Käufer oder Bauherren ab. Wer neben den Zinszahlungen nur eine Tilgung von einem Prozent aufbringen kann, steht nach zehn Jahren trotz jährlich sinkender Belastung vor einem Berg von rund 80 Prozent Restschuld. In einem solchen Fall sollte tatsächlich eine lange Zinsbindung gewählt werden, die das gegenwärtige niedrige Zinsniveau festschreibt. Sogar eine Bausparsofortfinanzierung kann sinnvoll sein. Wer jedoch seinen Kredit mit einer Tilgungsrate von drei oder vier Prozent mit hoher Sicherheit in 15 Jahren zurückzahlen kann, braucht selten einen Bausparvertrag.

Und es kann sogar Sinn machen, in der gegenwärtigen Niedrigzinsphase auf das Bauspardarlehen aus einem älteren Vertrag zu verzichten. Wer weiß, dass sein finanzieller Spielraum mit der Zeit sogar noch größer wird – weil das Gehalt steigt oder weil eine Erbschaft ins Haus steht, sollte sich bei Abschluss des Kreditvertrages das Recht auf Sondertilgungen einräumen. Aus angespartem Vermögen kann nach Ablauf des Kreditvertrages vielleicht auch ein großer Teil der Restschuld abgetragen werden.

Rita Gudermann

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