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Immobilien: Gesünder Wohnen

Die meisten modernen Baustoffe und neu errichtete Häuser sind arm an Schadstoffen. An die Stelle der alten sind aber neue Risiken getreten: Schimmel, Elektrosmog, Lärm – und handwerkliche Fehler

Zunächst klagte sie über Antriebslosigkeit. Kopfschmerzen kamen hinzu. Unter Schlafstörungen litt sie ebenfalls. Und manchmal verdüsterte sich ihre Stimmung – Anzeichen einer Depression. Die Suche nach der Ursache dieser Symptome war lange erfolglos. Bis die Betroffene auf die Forschungen von Umweltmediziner Gerd Oberfeld stieß. Der Salzburger Arzt fand heraus: In der Wohnung seiner Patientin hatten Stromleitungen und Funktelefone ein großes elektrisches Feld erzeugt. Ein Umzug brachte Linderung. Schlagartig spürte sie so viel Energie, „wie sie ihr Leben lang noch nicht gehabt hatte“, so Oberfeld.

Die großen Gesundheitsisiken der 70er Jahre, als Gifte in Baustoffen und Lacken das Wohnen gefährlich machten, spielen heute keine Rolle mehr. Die Menschen leben gesünder – meinen die Experten. Doch Gefahren bleiben: Elektrosmog belastet die Gesundheit, weil Computer, schnurlose Telefone und Haushaltsgeräte viele Strom und hohe Spannungen benötigen. Auch Schimmel in Wohnungen nimmt zu. Die für Menschen giftigen Sporen nisten sich wegen der verbesserten Wärmedämmung oft in Neubauten ein. Weitere Nebenwirkung des Energie sparenden Dämmens: Hohe CO2-Konzentrationen in der Raumluft – auch das eine Gefahr für die Gesundheit.

Entwarnung gibt es dagegen bei den meisten Baustoffen, Farben und Lacken. Diese enthalten nur selten größere Mengen giftiger Lösemittel. Doch Vorsicht: In Altbauten sind diese Stoffe noch anzutreffen. Und: Auch neueste Produkte können toxisch sein, wenn sie nicht fachgerecht eingesetzt werden. Das fanden Forscher über die Wechselwirkung von „Bauen, Wohnen und Gesundheit“ heraus. Das ist auch der Name eines Kongresses, den der Tagesspiegel mit Haacke-Natur veranstaltet (siehe Kasten).

„Die meisten Gifte sind in den vergangenen 15 Jahren aus den Baustoffen verschwunden“, sagt Tunga Salthammer, Chemiker am Fraunhofer-Institut WKI. Doch es gebe auch eine schlechte Nachricht: Handwerkliche Fehler könnten auch Produkte mit dem Gütezeichen „Blauer Engel“ zu einer Gefahrenquelle machen. Wenn etwa ein Teppichkleber zu früh, auf einem noch nicht ganz ausgetrocknetem Estrich aufgetragen wird, kann sich der Haftstoff lösen und ungesunde Stoffe an die Raumluft abgeben.

Außerdem sind viele Partikel in der Luft. Sie sind gut zu beobachten, wenn die Sonne scheint: Staubkörner tanzen im Gegenlicht. Ist das Gebäude schlecht gedämmt, hinterlassen sie Spuren. Dieses Phänomen der „schwarzen Wohnungen“ ist so zu erklären: Die Luft kühlt sich an einer kalten Wand ab und gibt die Partikel wieder ab, die sie von Teppichen, Büchern oder Möbeln aufgenommen hatte. Ob diese gesundheitsgefährdend sind, hängt vom Wohnungsinventar ab.

Aufgrund des zunehmenden Gesundheitsbewusstseins kommt es eher in Einzelfällen zum Nachweis von Giftstoffen. Der Arzt Wolfgang Baur nennt es den üblichen „Schadstoff-Cocktail“. Darin enthalten sind Chromate aus Lederwaren, Formaldehyd aus Spanplatten sowie Weichmacher in Möbeln und Teppichen.

Am ehesten noch wird man Giftstoffe in Häusern antreffen, die vor 1980 gebaut wurden. Hier können einst handelsübliche Holzschutzmittel giftige Lösemittel enthalten. Diese verursachen Müdigkeit, Konzentrationsschwäche und schlimmstenfalls Krebserkrankungen.

Für Klaus Sedlbauer, Professor am Fraunhofer-Institut für Bauphysik, ist die Frage gesundheitsgefährdender Stoffe verbunden mit der Behaglichkeit in den Räumen. Entscheidend dafür sind Wärme, Schall, Licht und Geruch. Wie beeinträchtigend Lärm aus einer angrenzenden Wohnung oder Gerüche aus der Küche eines griechischen Lokals sein können, zeigen zahlreiche strittige Fälle, die oft erst vor Gericht geschlichtet werden.

Weniger bekannt unter Laien, aber für die Experten schon lange ausgemacht, ist die krankheitsauslösende Wirkung von Lärm. Klaus Fiedler, Professor bei der Gesellschaft für Hygiene und Umweltmedizin in Berlin nennt bei der Aufzählung krank machender Umwelteinflüsse Lärm an erster Stelle. Denn dessen Folgen seien Schlaflosigkeit, Stress und Bluthochdruck. Bemerkenswert ist auch das Urteil mehrerer Experten in diesem Punkt: Einen großen Teil der Gesundheitsgefahren in Wohnungen und Büros sind leicht auszuschalten. So setzt der Arzt Wolfgang Baur die Küche und dort die Herdplatten sowie scharfe Kanten und Ecken am Hausrat ganz oben auf seiner Liste der Gefahrenquellen beim Wohnen. Und, wenn sich Kinder im Haushalt befinden, seien die Abzäunung des Gartens von der Straße sowie die Prüfung des Bewuchses auf Pflanzengifte wichtig.

Und Tunga Salthammer rät dazu, „ordentlich zu lüften, besonders in gut gedämmten Neubauten“. Schon wenn mehrere Personen ein Fußballspiel schauen ist noch vor dem Abpfiff die Raumluft derart mit CO2 angereichert, dass Kopfschmerzen und Übelkeit drohen. Ganz zu schweigen von den Folgen, wenn Raucher anwesend sind: „Im Gegensatz dazu sind viele andere Gifte fast unbedenklich“, sagt Arzt Klaus Fiedler.

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