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Coole Kreative siedeln sich gern in Kreuzberg an. Besonders die alten Gewerbehöfe sind heiß begehrt - ohne Wartezeit bekommen dort Gründer kaum noch Flächen.

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Gewerbevermietung: Alte Gemäuer für junge Unternehmen

Der Gewerberaumvermieter Orco-GSG profitiert vom Berlin-Boom.

Für die Unternehmensberater von McKinsey steht fest, dass Berlin hervorragende Chancen hat, sich zur führenden Gründermetropole Europas zu entwickeln. Ein Potenzial von 100 000 neuen Arbeitsplätzen bis zu Jahr 2020 attestieren sie in einer unlängst veröffentlichten Studie der deutschen Hauptstadt. „Die Kreativen kommen gern nach Berlin“, bestätigt Robert-Christian Gierth, Geschäftsführender Gesellschafter des Maklerhauses Colliers International Berlin. „Hier ist Leben, und die jungen Unternehmen können noch immer recht günstige Flächen anmieten.“ Besonders in alten Loftgebäuden fühlen sich junge Unternehmen laut Gierth wohl.

Nicht wenige dieser Start-ups landen in Immobilien, die der Gewerbesiedlungs-Gesellschaft Orco-GSG gehören. „Gründerzeitgebäude mit historischer Architektur und einem lebendigen Umfeld - das ist genau das, was die Gründer haben wollen“, sagt Oliver Schlink, kaufmännischer Geschäftsführer von Orco-GSG. Besonders die Gewerbehöfe in Kreuzberg sind nach seinen Worten so begehrt, dass dort ohne Wartezeit kaum mehr Flächen zu bekommen sind.

Unter den Mietern von Orco-GSG sind diverse Unternehmen, die zumindest bei ihrer Zielgruppe bestens bekannt sind. In der Lobeckstraße in Kreuzberg hat zum Beispiel die Internet-Parfümerie Flaconi ihren Sitz. In der Blücherstraße, ebenfalls in Kreuzberg, bedient der Online-Modeanbieter Modomoto seine Kunden, die im Internet ihre Wünsche angeben und dann ein Paket mit individuell auf ihre Bedürfnisse abgestimmten Kleidungsstücken zugestellt bekommen. Und in der Schlesischen Straße basteln die Entwickler von Aeria Games an ihren Computerspielen – übrigens auf einer Fläche, die früher ein Tischler nutzte.

Diese Flächenflexibilität ist für Geschäftsführer Schlink ein großer Vorteil der Gewerbehöfe: Sie bieten Raum für alle denkbaren Nutzungen von der Druckerei bis zum Büro. Dabei gibt es je nach Lage der Gewerbehöfe unterschiedliche Schwerpunkte. Am Südkreuz zum Beispiel lassen sich laut Schlink gern dienstleistungsorientierte Firmen nieder, während in Charlottenburg die Nähe zur Technischen Universität, zum Fraunhofer-Institut und zu anderen wissenschaftlichen Einrichtungen vor allem technologieorientierte Unternehmen anzieht.

Noch vor zwei Jahren hatte das Unternehmen mit Problemen zu kämpfen

Insgesamt waren Ende vergangenen Jahres rund 84 Prozent der 815 000 Quadratmeter Mietfläche von Orco-GSG vergeben; drei Jahre zuvor hatte die Auslastung erst 76 Prozent betragen. Auch die Miete ist gestiegen und beträgt jetzt im Durchschnitt 5,40 Euro pro Quadratmeter. Dabei ist die Bandbreite groß: Während für eine komplett hergerichtete Bürofläche in Kreuzberg mehr als 10 Euro pro Quadratmeter fällig werden können, gibt es nicht ausgebaute Räume in Gewerbeparks in weniger prestigeträchtigen Lagen bereits ab 2,50 Euro pro Quadratmeter.

Diese jüngeren, am Stadtrand gelegenen Gewerbeparks, die unter dem Namen Econoparks vermarktet werden, profitieren davon, dass sich das Flächenangebot in der Innenstadt verknappt hat. Unternehmen, die mehr als 3000 Quadratmeter bräuchten, blickten deshalb verstärkt auf die Standorte außerhalb des S-Bahn-Rings, sagt der operative Geschäftsführer Sebastian Blecke. Im Econopark in der Plauener Straße in Lichtenberg zum Beispiel hat sich das Unternehmen Chocri angesiedelt, das sich mit der Idee einen Namen gemacht hat, Schokolade nach individuellen Wünschen zu fertigen.

Dass Orco-GSG mittlerweile so stabil dasteht, ist alles andere als selbstverständlich. Noch vor zwei Jahren hatte das Unternehmen nämlich mit heftigen finanziellen Problemen zu kämpfen: Weil sich die Royal Bank of Scotland vom deutschen Markt zurückzog, musste Orco GSG einen Kredit über 270 Millionen Euro refinanzieren. Fünf deutsche Banken unter Führung der DG Hyp sprangen schließlich in die Bresche. „Bis 2017 sind wir alle Finanzierungssorgen los“, versichert Geschäftsführer Schlink. Bis dahin werde der Darlehensbetrag dank Tilgung auf 230 Millionen Euro zurückgefahren sein.

Muttergesellschaft der Orco-GSG ist die Immobiliengesellschaft Orco Germany, die ihrerseits zur Orco Property Group gehört und 2007 die Gewerbesiedlungs-Gesellschaft vom Land Berlin kaufte. Orco Germany verfolgte damals eine aggressive Expansionspolitik und erwarb innerhalb kurzer Zeit auch ein großes Wohnprojekt in der Fehrbelliner Straße, das Haus Cumberland am Kurfürstendamm und das Wertheim-Areal am Leipziger Platz – allesamt Projekte, die mittlerweile von anderen Investoren realisiert worden sind oder werden.

„Wir bleiben eine Gewerbevermietungsgesellschaft“

Von solch hochfliegenden Plänen ist heute keine Rede mehr. Immerhin kaufte Orco-GSG Ende 2013 erstmals wieder zwei kleine Gewerbegebäude; für dieses Jahr plant die Geschäftsführung mindestens eine größere Akquisition. „In Mitte oder Kreuzberg wird es eher nicht sein, da dort die Preise zu hoch sind“, sagt Schlink. Realistischer sei ein Kauf in Schöneberg oder Tempelhof.

Und denkt Orco-GSG vor dem Hintergrund des anhaltenden Wohnungsbooms in Berlin eigentlich daran, Gewerbeflächen in Wohnungen umzuwandeln? Rechtlich wäre das laut Schlink und Blecke in vielen Fällen möglich, da die Kaufvertragsklausel, die eine solche Umwandlung ausschloss, nur bis 2012 galt. Infrage komme das aber höchstens in Einzelfällen, betonen die beiden Geschäftsführer. Und potenziellen Investoren, die nur zu gern Orco-GSG einen schmucken Kreuzberger Gewerbehof abkaufen und in diesem teure Wohnungen schaffen möchten, erteilen sie eine Absage: „Wir bleiben eine Gewerbevermietungsgesellschaft. Denn wir sind überzeugt, dass sich der Berliner Gewerbeimmobilienmarkt weiter positiv entwickeln wird.“

Das Transaktionsvolumen bei deutschen Gewerbeimmobilien lag 2013 laut Analyse des Immobilienberatungsunternehmens CBRE bei über 30 Milliarden Euro (rund 25 Milliarden Euro im Vorjahr), knapp 50 Prozent davon entfielen auf Büroimmobilien. Damit ist das Volumen um 21 Prozent im Vergleich zu 2012 gestiegen und Deutschland der zweitgrößte Markt für Gewerbeimmobilien in Europa.

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