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Grabungsfunde: Den Schatz im Garten verlangt Vater Staat

Im Luftraum über ihrem Haus haben Berliner nichts zu sagen. Und Wertvolles im Erdreich ist abzugeben

Ein Mann baggert bei Straßenarbeiten vor einer Klostermauer in der Kleinstadt Aken in Sachsen-Anhalt – und legt einen „Hessischen Groschen“ frei. Bisher sind nur sechs Exemplare dieser Münze aus der Zeit um 1390 bekannt und Numismatiker rätseln noch, was dieser Fund wert sein mag. Berliner Finder müssten sich solche Gedanken gar nicht erst machen: Sie gehen bei Schatzfunden leer aus – sogar auf dem eigenen Grundstück. Von wegen „Mein Boden gehört mir“. Was, müssen sich Eigentümer fragen, habe ich auf, unter und über meinem Grund eigentlich zu bestellen?

Haus- und Wohnungseigentümer in den südlichen Berliner Bezirken erfahren gerade schmerzhaft, dass sie den Überflug von Jets nach Berlin-Schönefeld jedenfalls nicht verbieten können. Zwar gehört jedem theoretisch der Luftraum über dem eigenen Land bis in die Stratosphäre. Aber es gibt verschiedene Duldungspflichten – und das Luftverkehrsgesetz, das den Fliegern letztlich freie Bahn verschaffen kann.

Auf dem Weg nach unten wird die ganze Sache noch etwas komplizierter. Zwar könnte man den Untergrund unter seinem Grundstück bis in die glühend heißen Lagen am Erdmittelpunkt für sich reklamieren. Doch das Bergrecht für Bodenschätze und das Bürgerliche Recht setzen aller Herrlichkeit schnell ein Ende. Selbst Versorgungstunnel oder U-Bahn- Schächte unter dem eigenen Grund und Boden muss man hinnehmen.

In Berlin und einigen anderen Bundesländern bremst außerdem das Denkmalschutzrecht alle Freude an Bodenfunden aus – mit dem so genannten Schatzregal. Das ist ein Hoheitsrecht aus Zeiten der Landesfürsten, nach dem herrenlose Funde automatisch in das Eigentum des Staates übergehen. Daran hat sich auch unter Klaus Wowereit und seinen regierenden Genossen nichts geändert. In Berlin gilt die härteste Form der Fundenteignung, das „große Schatzregal“: Der Staat verlangt alles. Beim Nachbarn Brandenburg besteht wenigstens der Anspruch auf eine „angemessene Entschädigung“. Steuerfrei wie ein Lotteriegewinn.

Unsere Vorfahren durchlebten immer wieder haarige bis kriegerische Zeiten. Sie hatten Gründe genug, Dinge von Wert tief in der Erde zu verbergen; das war die Bank des gemeinen Mannes. Vieles blieb dort, weil die Besitzer die Wirren ihrer Zeit nicht überlebten.

Die vorerst letzte große Berliner Grabung wird auf Anfang 1945 datiert, als vor der anrückenden Roten Armee versteckt wurde, was in ein Erdloch passte. Einige Kenner behaupten, dass im Stadtgebiet Ost vor dem 3. Oktober 1989 ebenfalls die Tendenz zu beobachten war, Dinge von Wert aus DDR-Zeiten bis auf weiteres tiefzulagern („Datschenland ist Grabeland“).

Im Laufe der Zeit kann dann aus den diskret gelagerten Preziosen von Gesetzes wegen ein Schatz werden. Nämlich wenn „eine Sache so lange verborgen gelegen hat, dass der Eigentümer nicht mehr zu ermitteln ist“.

Aus welchem Grund auch immer: Berlin gilt als ausgesprochen „fundarm“, obwohl seine Bürger bekanntlich knochenehrlich sind bis zum Gehtnichtmehr. Diese Fundarmut teilt die Stadt an der Spree übrigens mit allen Bundesländern, die das „große Schatzregal“ einfordern. In Germania superior – heute als Baden-Württemberg geläufig – wirkten die Römer immerhin mehr als 200 Jahre. Aber es gibt kaum Funde, wie Kenner wissen.

„Fündige“ und findige Grundstückseigentümer, Hobbyarchäologen und auch professionelle Sondengänger halten es lieber mit dem Fachjuristen Ralf Fischer zu Cramburg, der Schatzregale in der heutigen Zeit für schlicht verfassungswidrig hält. Und den betreffenden Ländern vorwirft, nur „an die Landeskasse zu denken“. Der Wissenschaft werde damit nicht geholfen, allenfalls Raubgrabungen Vorschub geleistet.

Fischer zu Cramburg referiert gern, wie er sich die Sache vorstellt: Im hessischen Herborn hatte 1984 ein Hausbesitzer in seinem Gewölbekeller einen Tontopf mit hunderten Münzen ausgegraben, den größten Münzschatz seit dem Krieg. Er meldete seinen Fund den Behörden, Jahre später bekam er ihn zurück – fachmännisch gereinigt und begutachtet. In Hessen gibt es kein Schatzregal, dort gilt das Recht der Hadrianischen Teilung: Eine Hälfte bekommt der Finder, die andere der Grundstückseigentümer; der Glückliche aus Herborn war beides in einer Person. Zu diesem Recht, das auf den römischen Kaiser Hadrian (117 bis 138 nach Christi Geburt) zurückgeht, sollten alle Bundesländer zurückkehren, meint Fischer zu Cramburg.

Der Baggerfahrer von Aken, der neben dem „Hessischen Groschen“ auch noch tausend andere Münzen freilegte, hat leider nicht so viel Glück. Denn in Sachsen-Anhalt gilt das „kleine Schatzregal“ – mit einem Anspruch auf Geldentschädigung, die sich am geschätzten Wert des Fundes orientiert. Immerhin war das in diesem Falle mehr als ein Groschen.

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