zum Hauptinhalt
Nach dem langen Weg, den die Flüchtlinge hinter sich haben, tun sie alles für eine eigene Wohnung.

© Armin Weigel/dpa

Immobilien: Haustürgeschäfte mit Wohnungen für Flüchtlinge

Unseriöse Makler nutzen Unkenntnis aus und verlangen horrende Vermittlungsgebühren. Berufsverband: "Das ist Betrug und hochgradig verboten."

Auf dem ohnehin schon angespannten Berliner Wohnungsmarkt treibt der Zuzug von Flüchtlingen seltsame Blüten: „Meine Frau ist Lehrerin in einer Willkommensklasse in Berlin. Sie berichtete mir, dass ihren Schülern beziehungsweise deren Eltern eine Einzimmerwohnung im desolaten Zustand für 450 Euro monatlich angeboten wurde. So weit, so gut, das ist eben der Berliner Wohnungsmarkt“, schreibt ein Leser an den Tagesspiegel.

„Aber jetzt wird es interessant und kriminell: Als Maklerprovision werden 2000 bis 5000 Euro verlangt! Natürlich ohne Quittung. Da die Flüchtlinge froh sind, irgendeine Wohnung angeboten zu bekommen, gehen manche – soweit die Mittel vorhanden sind – darauf ein.“

Wie der Makler heißt, wollen die Flüchtlinge nicht sagen. „Sie haben zu viel Angst, die Wohnung wieder zu verlieren“, sagt die Berufsschullehrerin auf Nachfrage. Sie selbst wiederum will ihren Namen nicht in der Zeitung lesen, weil sie ohne Einverständnis der Schulleitung nicht an die Öffentlichkeit gehen darf.

Was sie aber von ihren Schülern gehört hat: Es sollen Landsleute sein, die schon länger in Deutschland leben und die Not der Flüchtlinge derartig ausnutzen. Offenbar finden Makler und Mieter über Mundpropaganda zusammen, schließt die Lehrerin aus den Erzählungen ihrer Schüler. „Wir sind im Unterricht darauf gekommen, weil wir das Thema Miete und Wohngeld hatten und dass man heute keine Maklerprovision mehr zahlen muss“, berichtet sie. „Wieso? Doch! Das müssen wir bezahlen“, hätten die beiden Schüler im Alter von 16 und 20 Jahren berichtet.

"Ein ganz normaler Mietvertrag ist ein großer Schritt zur Integration"

Die Rechtslage in dem Fall ist eindeutig: „Das ist Betrug und hochgradig verboten“, sagt Axel Kloth, Makler in Hamburg und Vizepräsident des Immobilienverbandes Deutschland (IVD). „Hier wird Unkenntnis ausgenutzt. Bei einigen ist die Verzweiflung offenbar so groß, dass sie das Geld bezahlen. Wenn es sich um Mitglieder des IVD handeln würde, würden wir sofort ein Ausschlussverfahren einleiten“, sagt Kloth. Allerdings betrifft der Fall seiner Ansicht nach „nicht den klassischen Makler“.

In Berlin hatte ein Makler auf andere Weise versucht, Kapital aus den Flüchtlingen zu schlagen: Er hatte Anwohnern der Registrierungsstelle an der Bundesallee geraten, schnell zu verkaufen, bevor ihre Immobilie im Wert sinken würde. Die Flüchtlinge selbst hätten gegen die Abzocke durch ihren Makler alle Rechtsmittel, gegen solche Praktiken vorzugehen, sagt Axel Kloth. Aber die Beweisführung sei in solchen Fällen immer schwierig.

Grundsätzlich sieht er nur einen Ausweg aus der Misere: „Wir müssen alles tun, dass wir das Wohnungsangebot in die richtige Richtung öffnen.“ In der Hansestadt habe sich deshalb eine Initiative mit Namen „Wohnbrücke Hamburg“ gegründet.

Sie will private Eigentümer und Vermieter für die Idee öffnen, an Menschen mit Unterstützungsbedarf zu vermieten. Nicht nur an Flüchtlinge, sondern auch an Obdachlose oder Frauen aus Frauenhäusern. Eine hauptamtliche Mitarbeiterin und eine Facebookseite gibt es bereits. Postadresse, Telefonnummer und Website sollen bald folgen, schreiben die Initiatorinnen des Runden Tisches, dessen Baby die Wohnbrücke ist.

Bereits jetzt wurde die Initiative gefragt, warum sie keine WG-Zimmer oder Untermietverhältnisse vermitteln möchten. „Dafür gibt es schon eine Struktur, etwa auf fluechtlinge-willkommen.de“, schreibt die Initiative. Außerdem glaubt sie, „dass ein ganz normaler Mietvertrag auf Augenhöhe, mit klaren Rechten und Pflichten auf beiden Seiten, und eine verlässliche, fachlich begleitete Unterstützung durch Wohnungslotsen ein großer Schritt zur Integration ist“.

Beratungsstelle hilft Vermietern bei Konflikten

In Berlin arbeitet das Evangelische Jugend- und Fürsorgewerk im Auftrag des Landesamtes für Gesundheit und Soziales (Lageso) daran, Flüchtlinge in privaten Wohnungen unterzubringen. Auf der Website gibt es Informationen für Vermieter mit Vordrucken für Mietverträge und einer Tabelle mit angemessenen Miethöhen. Miete und Kaution zahlt das Lageso.

Die Beratungsstelle des EJF berät Mieter und Vermieter in insgesamt sieben Sprachen. Sie ist montags, mittwochs und freitags von 9 bis 12 geöffnet. Dienstags und donnerstags gibt es keine Beratungen, aber es können Wohnungsangebote eingereicht werden.

„Sie können als Vermieter selbst entscheiden, wer in Ihre Wohnung einziehen soll“, versucht das EJF mögliche Bedenken zu zerstreuen. Zu einem Besichtigungstermin würden bis zu drei Parteien eingeladen. Danach können die Vermieter mitteilen, welche Interessenten sie ausgewählt haben. Die Beratungsstelle sei noch bis zu zwei Jahre nach Abschluss des Mietvertrages Ansprechpartner für Konfliktfälle.

Grundsätzlich kritisiert Axel Kloth, dass durch den aktuellen Verteilerschlüssel Flüchtlinge auch dorthin kommen, wo die meiste Wohnungsnot herrscht, nämlich in die Metropolen. „Für die Stadtstaaten ist das ein Problem.“ Anders als etwa München haben sie nicht die Möglichkeit, die Flüchtlinge ins Umland zu verteilen. Brandenburgs Ministerpräsident Woidke (SPD) hatte es zuletzt abgelehnt, Flüchtlinge aus Berlin aufzunehmen.

Die Lehrerin hofft nun, dass es die Flüchtlinge nicht in ein schlechtes Licht rückt, wenn sie so hohe Summen bezahlen können. Ihr Ehemann weiß von einem Fall, bei dem in Deutschland integrierte Verwandte dabei halfen, den Betrag aufzubringen. Mit der Vermittlung von Praktikumsplätzen versucht das Ehepaar, bei der Integration der Berufsschüler zu helfen: „Wenn man die einzelnen Schicksale vor sich hat, ist es etwas anderes, als wenn man die Menschen im Fernsehen sieht und sich fragt: Wie viele kommen da noch?“, sagt die Lehrerin.

Die Beratungsstelle des EJF in der Turmstraße 2 ist unter Tel. 308 73 652 zu erreichen. Auf der Internetseite ejf.de gibt es Infos unter „Wohnungen für Flüchtlinge“.

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false