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Der Senat will in dieser Legislaturperiode 30.000 neue Wohnungen schaffen.

© Kai-Uwe Heinrich

Immobilien-Kaufrausch: Der Traum vom Wohnen in der Hauptstadt

Berlins Wohnungsmarkt zieht private Anleger und institutionelle Investoren gleichermaßen an. Ob als Ferienwohnung oder Kapitalanlage - Berlins Immobilien sind gefragt wie nie.

Eigentlich ist das Geschäft von Jacopo Mingazzini ein ziemlich unspektakuläres. Die von ihm geführte Accentro GmbH ist darauf spezialisiert, im Auftrag großer Wohnungsunternehmen ehemalige Mietwohnungen einzeln zu verkaufen – entweder an die Mieter oder an andere Käufer, die dann selbst in die Wohnung einziehen oder aber sie zur Kapitalanlage vermieten. Größter Auftraggeber der Accentro ist die Berliner GSW.

In letzter Zeit aber ist Mingazzinis Arbeit deutlich aufregender geworden – und vor allem internationaler: In diesem Jahr hat er GSW-Wohnungen an Erwerber mit 28 unterschiedlichen Nationalitäten verkauft. Natürlich gibt es auch Berliner mit ausländischem Pass, die sich eine Wohnung kaufen; viele der nichtdeutschen Kunden der Accentro wohnen laut Mingazzini aber tatsächlich im Ausland. „Die fliegen nach Berlin und schauen sich an einem Tag fünf Wohnungen an“, sagt er. Manche der ausländischen Käufer vermieten die Wohnung, während sie andere lediglich ein paar Wochen im Jahr als Ferienwohnung nutzen.

Dass der Berliner Wohnungsmarkt die Käufer anlockt, unterstreichen die Zahlen des Gutachterausschusses für Grundstückwerte. Demnach wurden in den ersten acht Monaten des Jahres 2011 in Berlin gut 8000 Eigentumswohnungen verkauft, was gegenüber dem Vorjahreszeitraum eine Zunahme um 18 Prozent bedeutet. Der Geldumsatz stieg sogar um 31 Prozent auf fast 1,3 Milliarden Euro.

Noch fulminanter ist die Zunahme bei den Wohn- und Geschäftshäusern. Dem Gutachterausschuss zufolge war in diesem Segment der Geldumsatz zwischen Januar und August fast doppelt so hoch wie im Vorjahreszeitraum. „Die Umsatzzahlen steigen rasant, und die Immobilienpreise ziehen deutlich an“, heißt es auch im neuen Report des Maklerunternehmens Engel & Völkers Commercial über den Markt für Berliner Wohn- und Geschäftshäuser. „Viele ausländische Investoren haben die deutsche Hauptstadt als Anlageregion wiederentdeckt“, stellen die Makler von Engel & Völkers fest.

„Gerade ausländische Investoren favorisieren bei ihren Einkaufstouren die Hauptstadt“, bestätigt Marc Wiese, Vorstand des Berliner Bauträgers Sanus AG. Bereits früh das Potenzial Berlins erkannt hat Einar Skjerven, Chef der norwegischen Fondsgesellschaft Industrifinans, die seit Jahren Wohnhäuser in guten Berliner Gegenden aufkauft. Zunächst vermietete Skjerven die Wohnungen ganz normal weiter; jetzt aber setzt er mit seinem neuen Tochterunternehmen Part-B Immobilien auch auf die Umwandlung von Miet- in Eigentumswohnungen.

Tausend Wohnungen auf einen Streich - warum Fonds in den Berliner Wohnungsmarkt investieren

„Stetig anziehende Mieten in der Hauptstadt sorgen dafür, dass immer mehr Berliner über den Erwerb ihrer Wohnung nachdenken“, sagt Skjerven. Hinzu komme die anhaltende Anziehungskraft Berlins auf Menschen aus anderen Ländern, mit denen eine „Eigentümer-Mentalität“ in die Stadt ziehe. Deshalb rechnet der Norweger damit, dass der Anteil der Eigentümer in Berlin von derzeit 14 auf 20 Prozent im Jahr 2020 steigen wird.

Auch andere Investoren setzen auf die Umwandlung von Miet- in Eigentumswohnungen. Das ist lukrativ, wie Rackham F. Schröder von Engel & Völkers Commercial erläutert: Einzelne Wohnungen lassen sich nämlich zu einem höheren Quadratmeterpreis verkaufen als ganze Häuser. Als Beispiel nennt Schröder Eigentumswohnungen, für die sich ein Preis von 3000 Euro pro Quadratmeter erzielen lässt; würde der Eigentümer das Haus als Ganzes veräußern, müsste er sich dagegen mit 1200 Euro pro Quadratmeter begnügen.

Zum Leidwesen der Investoren werden Berliner Wohnhäuser allerdings immer teurer. „Besonders stark ist der Preisanstieg in mittleren und einfachen Lagen“, heißt es im Marktbericht von Engel & Völkers. Dort würden mittlerweile bis zu zwei Kaufpreismultiplikatoren mehr gezahlt als vor einem Jahr. Übersetzt bedeutet das: Während 2010 Investoren für ein Mehrfamilienhaus in Weißensee oder Tempelhof noch das Zwölf- bis 14-fache einer Jahresmiete bezahlten, müssen sie heute das 13- bis 16-fache hinlegen. In Spitzenlagen akzeptieren potenzielle Käufer laut Engel & Völkers mittlerweile sogar einen Multiplikator von 23 – ein sehr hoher Preis, der aber längst nicht so hoch ist wie in München, wo reiche Privatinvestoren für ausgewählte Miethäuser mittlerweile mehr als das Dreißigfache einer Jahresmiete zu zahlen bereit sind.

Schwer angesagt ist Berlin darüber hinaus beim Geschäft mit Wohnungspaketen von mehreren hundert oder sogar tausend Wohnungen, in dem vor allem Fonds, Aktiengesellschaften, Pensionskassen und andere institutionelle Investoren tätig sind. Als Großeinkäufer betätigten sich zuletzt beispielsweise die beiden börsennotierten Unternehmen GSW und Deutsche Wohnen, die beide jeweils mehrere tausend Berliner Wohnungen übernahmen. Insgesamt, so hat es das Maklerhaus Dr. Lübke errechnet, entfiel in den ersten neun Monaten dieses Jahres gut ein Drittel aller deutschen Wohnungsinvestitionen auf Berlin. Als Gründe für diese Attraktivität der Hauptstadt nennt Dr. Lübke die wachsende Einwohner- und Haushaltszahl bei gleichzeitig niedriger Neubautätigkeit sowie das steigende Mietniveau.

Eine nicht ganz unwichtige Rolle beim Run auf Berliner Immobilien dürfte aber auch der exzellente Ruf der Stadt spielen. „Berlin“, so Accentro-Geschäftsführer Jacopo Mingazzini, „steht so stark im Fokus, dass Leute aus aller Welt denken: Es ist gut, hier präsent zu sein.“

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