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Maklerdeutsch. Experten raten jede Annonce genau unter die Lupe zu nehmen und mit einer Portion Skepsis zu lesen. So vermeidet man böse Überraschungen bei der Besichtigung.

© Diagentur

Immobilienanzeigen: Wenn das „Liebhaberobjekt“ eine Bruchbude ist

Was der brancheneigene Sprachcode der Makler über Wohnungen unfreiwillig aussagen kann.

Groß und hell soll sie sein, ruhig und möglichst zentral gelegen: Wer eine Wohnung sucht, hat meist klare Vorstellungen vom neuen Zuhause – und diese werden in den Immobilienangeboten der Makler gut bedient. Realistisch sind die Beschreibungen aber oft nicht. „Beim Lesen braucht man ein Gefühl für das, was einem begegnet“, sagt Stefan Walter, Geschäftsführer des Eigentümerverbandes Haus & Grund Deutschland in Berlin. Ein angepriesenes „Liebhaberobjekt“ könne zwar auf den ersten Blick ein Schnäppchen sein, sich aber nach genauerer Prüfung als stark renovierungsbedürftig erweisen. Das Gleiche gilt für eine Immobilie, die „gut erhalten“ ist. Auch diese wurde nicht erst kürzlich saniert, übersetzt Walter die Maklersprache.

Renoviert wurde sicherlich bei einer „aufwendigen und luxuriösen Sanierung“. Nach Aussagen des Eigentümerverbandes liegt hier eine Wohnung im gehobenen Standard vor, der sich in der Miete widerspiegeln wird. „Preisbestimmend ist vor allem die Lage“, sagt Walter. Daher werde oft von „zentraler, schöner Lage“ gesprochen – obgleich diese auch viel Verkehrslärm bedeuten kann. Populär sind auch Wohnungen, die in „gefragter Lage“ oder einem „aufstrebenden Viertel“ liegen. Hier soll sich eine bislang unbeliebte Gegend in Kürze in einen Szenekiez verwandeln. „Garantieren kann man das aber in der Regel nicht“, sagt der Experte.

„Man sollte jeder Werbeaussage mit einer Portion Skepsis gegenübertreten“, rät Ulrich Ropertz, Geschäftsführer des Deutschen Mieterbundes (DMB) in Berlin. Denn in erster Linie sollen Anzeigen neugierig auf die Wohnung machen. Eine „gute Verkehrsanbindung“ etwa ist für viele Menschen wichtig. Dies könne aber auch bedeuten, dass die Wohnung an einer Haupt- oder Durchgangsstraße liegt, so Ropertz. Zumindest sollte sich die Haltestelle für den öffentlichen Nahverkehr in Hausnähe befinden. Zu den Klassikern im Maklerdeutsch gehört auch „lichtdurchflutet“. Diese Beschreibung kann im Grunde für jeden Raum genutzt werden, der nicht stockfinster ist. In der Regel sind aber große Fenster und überdurchschnittlich helle Räume gemeint. Ropertz geht von 16 Stunden Sonneneinstrahlung am Tag aus. Im Sommer bei 30 Grad und mehr sei es in solchen Räumen dann allerdings nicht mehr auszuhalten.

Wer aufmerksam ist, kann Widersprüche und falsche Versprechen in Anzeigen leicht erkennen, meint Ropertz: „Eine Wohnung, die ruhig und zentral liegt, schließt sich aus.“ Und ein „Schallschutz nach DIN“ sei nichts Besonderes mehr, sondern Standard. Die Floskeln der Wohnungsanzeigen und Exposés klingen alle ähnlich. Wie ein brancheneigener Sprachcode, den es zu entschlüsseln gilt. Doch Jürgen Schick, Vizepräsident des Immobilienverbandes Deutschland (IVD) in Berlin, beteuert: „Es gibt keine Maklersprache. Hier werden ähnliche Formulierungen gewählt, weil es sich um denselben Sachverhalt handelt.“ Entscheidend seien vor allem Zahlen, Daten und Fakten. Aus diesem Grund rät der IVD seinen Mitgliedern, möglichst sachlich zu schreiben und eventuelle Mängel bereits im Vorfeld zu nennen. „Es macht keinen Sinn, den Kunden zu täuschen“, sagt Schick. „Er soll schon vor dem Besichtigungstermin wissen, welche Immobilie ihn erwartet.“ Doch ohne Werbung und Verkäufersprache komme auch ein seriöser Makler nicht aus.

Hilfreich ist es, wenn Verbraucher sich über das Wohnumfeld und die Lage vorab selbst informieren, empfehlen der Eigentümerverband Haus & Grund sowie der DMB – entweder über Straßenkarten im Internet oder bei einem Spaziergang durch das Viertel. So stellt man schnell fest, ob bestimmte Aussagen stimmen – wie zu Fuß erreichbare Einkaufsläden oder die S-Bahn-Haltestelle vor der Haustür. Solche Informationen helfen, die beworbene Immobilie richtig einzustufen und sich auf den Maklertermin vorzubereiten.

„Bei der Besichtigung sollte man einen Architekten, Bauingenieur oder Sachverständigen mitnehmen, der die Substanz des Gebäudes überprüft“, rät Stefan Walter jenen, die eine Wohnung oder ein Haus kaufen wollen. An stark befahrenen Straßen ist es wichtig, dass die Fenster gut isoliert sind. In Altbauten sollten Heizung und Elektrik überprüft werden. Ein Grundriss der Wohnung kann helfen, die tatsächliche Nutzfläche festzustellen, sagt Ropertz. Bei Zweifeln sollte man nachmessen, rät Haus & Grund.

Stellt sich heraus, dass die Immobilie von den Beschreibungen in der Anzeige deutlich abweicht oder sich in einem schlechteren Zustand befindet als angenommen, gibt es laut Walter zwei Möglichkeiten: entweder von dem Angebot absehen oder Miete, Kaufpreis und Provision neu verhandeln. Dann hat man am Ende vielleicht nicht die „perfekte Immobilie“ bekommen, aber zumindest auch nicht die Katze im Sack gekauft. (dpa)

Evelyn Steinbach

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