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Bringen Neubauten das erhoffte Licht am Berliner Wohnungs-Horizont?

© dpa

Immobilienmarkt: Berlin braucht jährlich 12.000 neue Wohnungen

Neue Prognosen des Bundesinstituts für Bau-, Stadt- und Raumforschung übertreffen die bisherigen Vorhersagen. Bei der Frage, ob ein Bauboom gegen den Wohnungsmangel hilft, schaut der Senat auch nach Hamburg.

Nach Ansicht des Bundesinstituts für Bau-, Stadt- und Raumforschung (BBSR) müssen in Berlin noch mehr neue Wohnungen gebaut werden als bisher in der Diskussion sind. Matthias Waltersbacher, Projektleiter Wohnungsmarkt beim BBSR, rechnet damit, dass es bis 2025 jährlich 12.000 neue Geschosswohnungen sowie 1.000 Wohneinheiten in Ein- und Zweifamilienhäusern braucht, um die Nachfrage zu decken.

Bescheidener ist das Ziel des Berliner Senats, der in der laufenden Legislaturperiode jedes Jahr 6.000 neue Wohnungen gebaut sehen will. Harald Simons, Wohnungsmarktexperte beim Beratungsinstitut Empirica, nannte diese Woche bei der Präsentation des Wohnungsmarktberichts der Investitionsbank Berlin die Zahl von jährlich 10.000 Neubauwohnungen. Dass die Prognose des BBSR noch höher liegt, begründete Waltersbacher auf einer vom Bundesverband Freier Immobilien- und Wohnungsunternehmen (BFW) veranstalteten Tagung mit dem "Defizit an Wohneigentum" in der Stadt: "Wir sehen in Berlin einen deutlichen Trend zum Eigentum." Dieser Wunsch, so Waltersbacher, lasse sich im Wesentlichen durch Neubau erfüllen.

Außerdem rechnet das BBSR mit steigenden Einwohner- und Haushaltszahlen: Die Zahl der Einwohner wird nach seinen Berechnungen bis 2025 um 20.000 zunehmen, diejenige der - für die Wohnungsnachfrage entscheidenden - Haushalte um 50.000. "In Berlin sollte der Wohnungsbau stärker anspringen, damit Engpässe vermieden werden", fordert Waltersbacher deshalb.

Vor Aktionismus warnte auf der BFW-Tagung hingegen Matthias Klussmann, Vorsitzender des BFW-Landesverbands Berlin/Brandenburg. Er erinnerte an den "Schweinezyklus" beim Wohnungsbau in Berlin: In einzelnen Jahren nach der Wende seien über 30.000 Wohnungen pro Jahr errichtet worden. Auf diese Weise sei ein Überangebot entstanden, das zu einem Einbruch der Bautätigkeit geführt habe. Vor diesem Hintergrund plädierte Klussmann dafür, "eine Richtung einzuschlagen, die nachhaltig ist". Das vergangene Jahr habe bereits eine deutliche Zunahme der Bautätigkeit nicht nur von Eigentums-, sondern auch von Mietwohnungen gezeigt. Denn bei Mieten von zehn bis zwölf Euro pro Quadratmeter, wie sie Eigentümer mittlerweile im Stadtzentrum durchsetzen könnten, lohne sich der Bau von Mietwohnungen wieder.

Tatsächlich genehmigten die Behörden in den ersten neun Monaten des vergangenen Jahres den Bau von gut 5.600 Wohneinheiten, davon immerhin 2.700 Geschosswohnungen. Im ganzen Jahr 2010 waren dagegen lediglich 3.650 Wohneinheiten (davon knapp 2.000 Geschosswohnungen) fertiggestellt worden. Derzeit kündigen Projektentwickler und Bauträger so viele Vorhaben an, dass damit zu rechnen ist, dass das Senatsziel von jährlich 6.000 Wohnungen bald übertroffen sein wird.

Soeben haben zum Beispiel die Immobiliengesellschaften CA Immo und Reggeborgh einen Architekturwettbewerb für ihr Projekt Flottwell Living abgeschlossen: Am künftigen Gleisdreieck-Park West entstehen 250 Miet- und Eigentumswohnungen. Sogar 550 Wohnungen will CA Immo (in diesem Fall zusammen mit dem Unternehmen Hamburg Team) in der Europacity nördlich des Hauptbahnhofs errichten - auch hier in einer Kombination aus Miet- und Eigentumswohnungen. Allerdings werden die Mietwohnungen in der Europacity voraussichtlich etwa 12,50 Euro pro Quadratmeter kosten - preiswert sind sie also keineswegs.

Ein Vorbild an Hamburg nehmen?

Dabei besteht gerade im günstigen Bereich ein großer Bedarf, wie eine aktuelle Studie des Pestel-Instituts ergeben hat. Demnach müssten in ganz Deutschland bis 2017 rund 825.000 Mietwohnungen gebaut werden - und zwar "überwiegend im unteren Preissegment", wie Studienautor Matthias Günther sagt. Dafür brauche es eine verstärkte Förderung des Wohnungsneubaus durch die öffentliche Hand, verlangen mehrere Verbände der Bauwirtschaft und der Deutsche Mieterbund.

In Berlin stößt diese Forderung auf Ablehnung, wie Ephraim Gothe, Staatssekretär in der Stadtentwicklungsverwaltung, auf der BFW-Tagung mit Verweis auf die angespannte Haushaltssituation des Landes deutlich machte: "Berlin wird sich in den nächsten Jahren Neubauförderprogramme in größerem Umfang nicht leisten können." Allerdings habe der Senat erkannt, dass "die Zeit, in der wir in Berlin einen besonders hohen Leerstand hatten, vorbei ist". Wichtig sei es deshalb, beim Neubau alle Beteiligten einzubeziehen. Dabei schaue der Senat auch nach Hamburg: "Vielleicht können wir etwas von Hamburg lernen", sagte Gothe.

Auch die Hansestadt mit ihrem äußerst angespannten Wohnungsmarkt verfolgt das Ziel, den Wohnungsbau anzukurbeln. Wichtigstes Instrument dabei ist das Bündnis für das Wohnen, das der Senat 2011 mit den wohnungswirtschaftlichen Verbänden und der städtischen Wohnungsbaugesellschaft Saga GWG abgeschlossen hat. Darin sagt der Senat zu, die bürokratischen Hürden für den Wohnungsbau gering zu halten. Die Verbände und Unternehmen ihrerseits verpflichten sich, eine festgelegte Anzahl Neubauwohnungen zu errichten.

Allerdings ist Hamburg "in der glücklichen Lage, finanziell etwas beweglicher zu sein als Berlin", wie Willi Rickert, Amtsleiter für Wohnen in der Hamburger Behörde für Stadtentwicklung, auf der BFW-Tagung mit hanseatischem Understatement sagte. Allein im vergangenen Jahr wurden deshalb an der Elbe 2.150 öffentlich geförderte Mietwohnungen mit Mietpreis- und Belegungsbindung fertiggestellt. Diese dürfen ausschließlich an Interessenten mit geringem oder mittlerem Einkommen vermietet werden. Berlin hingegen fördert seit 2002 keine neuen Sozialwohnungen mehr.

Einig sind sich die beiden Stadtstaaten hingegen darin, beim Verkauf städtischer Grundstücke nicht allein finanzielle, sondern auch stadtentwicklungspolitische Grundsätze zu berücksichtigen. Während der Berliner Senat sich aber noch den Kopf zerbricht, wie er die entsprechende Absichtserklärung in die Tat umsetzen will, ist Hamburg schon weiter: "Wir vergeben städtische Grundstücke nicht im Höchstgebotverfahren, sondern im Konzeptverfahren", sagte Amtsleiter Rickert.

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