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Immobilien: In der Nische liegt die Chance

Das Angebot an Wohnungen übersteigt in Berlin die Nachfrage. Dennoch wird in ausgewählten Lagen weiter gebaut

August Anno Jagdfeld lässt sich nicht so leicht aus der Ruhe bringen. Seine Pläne für die Bebauung der Brachen rund um das Kulturzentrum Tacheles an der Oranienburger Straße liegen zwar schon lange vor. Doch die Grundsteinlegung für die Neubauten mit Geschäften im Erdgeschoss und Wohnungen in den oberen Stockwerken lässt auf sich warten. „Wir sind noch nicht durch mit unserem Vermarktungskonzept“, sagt der Manager, „und in Berlin stehen schon so genügend Immobilien leer.“ Auch Käufer für Eigentumswohnungen seien eher dünn gesät – dennoch hält der Entwickler vom Hotel Adlon an seinen Projekten in der Stadt fest. Beim „richtigen Timing“ liege in der Nische noch eine Chance für neue Bauvorhaben.

Der Berliner Immobilienmarkt ist gespalten. Weil es an Nachfrage fehlt, sinken die Preise seit Jahren. Die Bauträger und Projektentwickler haben reagiert: Sie konzentrieren sich auf ausgewählte Lagen sowie besondere Zielgruppen, und hoffen dadurch noch Geld zu verdienen. Jagdfeld beispielsweise sieht seine Chance im „Luxussegment“: Gefragt seien große Wohnungen in der City, innen wie außen von ausgewählten Architekten pfiffig gestaltet. In City-Lagen erzielte auch die Degewo überraschend hohe Preise beim Verkauf von Eigentumswohnungen: in Neubauten in Seitenstraßen des Kurfürstendamms. Eine andere Lücke in dem schwierigen Markt besetzen zwei städtische Unternehmen: Eigenheime an den Stadtgrenzen, vorzugsweise in Wasserlagen, unter Umständen sogar im Plattenbaukiez. Schließlich ist sogar, allen Unkenrufen zum Trotz, die „Abschreibungsimmobilie“ noch nicht tot: Von den steuerlichen Vergünstigungen für die Sanierung von Baudenkmälern verspricht sich die IVG ein gutes Geschäft bei Sanierung und Verkauf von Wohnungen in den „Zuckerbäckerbauten“ der Karl-Marx-Allee.

Auf Eigenheime an der Stadtgrenze setzt die landeseigene Wohnungsbaugesellschaft Howoge: Ausgerechnet in Hohenschönhausen, wo die Plattenbauten in den Himmel ragen, plant sie 600 Häuser. Doch eigene Erfolge bei einem Projekt in der Nachbarschaft haben die Gesellschaft mutig gemacht: „Die Berliner sind Kiezverbunden“, sagt Prokuristin Angelika Gramß. Deshalb würden gut verdienende Bewohner aus den Wohntürmen im Kiez nur in die nähere Umgebung ziehen, „wenn sie sich verbessern wollen“. Wer ein Eigenheim in dem neuen Gebiet erwirbt, hat es nicht weit ins Grüne: Es liegt am Naturschutzgebiet rund um den Gehrensee. Dennoch will die Howoge das Risiko begrenzen und einen Partner für das Projekt suchen.

Trommeln für Berlin

Auf Investorensuche und Stadtmarketing hat sich auch Peter Strieder verlegt: „Wir haben noch ein paar Grundstücke übrig“, sagte der Bausenator in seiner Rede zur Eröffnung des Berlin-Bandenburger Standes auf der Immobilienmesse Expo-Real, „und die Kaufverträge können wir heute noch abschließen, Baugenehmigung inklusive.“ Der Seitenhieb des Bausenators galt der Architekturwerkstatt im eigenen Hause: Diese ist unter Investoren dafür berüchtigt, dass sie einstweilen kostspielige Auflagen bei der Gestaltung und der Nutzung von Immobilienvorhaben macht, bevor sie Baurecht schafft.

Mit den Widrigkeiten des Berlin-spezifischen Städtebaus sowie den fallenden Preisen hat auch das Degewo-Großprojekt am Alexanderplatz zu kämpfen, für das Strieder nach seiner Rede den Startschuss gab: Der Bausenator sowie die Manager der Howoge und ihres Partners, dem portugiesischen Kaufhallen-Multi Sonae, unterzeichneten den städtebaulichen Vertrag zur Errichtung der „Banane“. Knapp ein Viertel der dort geplanten 160000 Quadratmeter sind für den Einzelhandel reserviert.

Auch Wohnungen werden am Alexanderplatz entstehen, so will es die Architekturwerkstatt: auf 15000 bis 20000 Quadratmetern. Diese Vorgabe bereitet Degewo-Chef Thies-Martin Brandt allerdings Kopfzerbrechen: „Im Wohnungsbau macht man schon ein gutes Geschäft, wenn man sich plus-minus-Null aus der Affäre zieht.“ Mieteinnahmen von zwanzig Euro je Quadratmeter seien erforderlich zur Deckung der Kosten. Derart stolze Preise seien schwer zu erzielen. Am Alexanderplatz denkt Brandt über „Residenzen“ nach, „Wohnen plus“ würden Gutachter ihre Überlegungen auch bezeichnen. Der Slogan stehe für kleine, teure Apartments mit vielen Angeboten und Dienstleistungen: vom Einkaufsservice über das Fitnessstudio bis zur individuellen Betreuung.

Während die Degewo am Alex noch nach der Nische sucht, hatte sie diese Brandt zufolge in einer anderen bevorzugten Berliner Lage schon gefunden: Die Wohnungen in Neubauten an der Paulsborner und der Eisenzahnstraße – Seitenstraßen des Kurfürstendamms – habe man für bis zu 3000 Euro je Quadratmeter verkauft.

Dabei unterstütze der Fiskus die Erwerber der Kurfürstendamm-Neubauten nicht durch Abschreibungen. Nennenswerte Steuervorteile für Käufer von Immobilien sind überhaupt selten geworden hier zu Lande. Wo es sie gibt, laufen die Geschäfte offenbar leidlich: Beim Erwerb von Wohnungen in den Zuckerbäckerbauten an der Karl-Marx-Allee wirbt eine IVG-Tochter mit „Denkmal-Afa“. Die vermieteten Immobilien rechneten sich sogar für Kapitalanleger, so IVG-Manager Reinhard Müller. Denn die Objekte brächten Renditen von etwa vier Prozent – „und wo gibt es am Kapitalmarkt mehr Zinsen fürs Geld, wenn man keine spekulative Argentinien-Anleihen haben will.“

Verspekuliert hatte sich vor über zehn Jahren der damalige Bausenator Wolfgang Nagel, als er den Startschuss für die städtebaulichen Entwicklungsgebiete gab. Deren Anlaufverluste hat das Land jüngst in den Haushalt übernommen, so dass die „Wasserstadt GmbH“ laut Geschäftsführerin Simone Raskob nun „kostendeckend“ arbeitet. Ein Drittel des ursprünglichen „Programms“, etwa 3900 Wohneinheiten, sei umgesetzt worden. Gebaut wird immer noch, weil die beiden Gebiete am Wasser liegen und das manchen Käufer überzeugt. Jährlich entstünden 150 Wohneinheiten im Gebiet Rummelsburger Bucht, und über 80 in Spandau.

Auch die Bankgesellschaft sucht noch ihre Chance auf dem Immobilienmarkt. Die Manager der Immobilientochter IBAG sind ganz aufgeräumt, weil sie zuletzt unerwartete Sanierungserfolge melden konnten. Die IBAG verkauft auch Wohnungen. Man will dieses schwierige Geschäft aufgeben. Großkunden bekämen „Paketabschläge von etwa zehn Prozent“, sagt ein Manager.

Interessenten an Immobilienpaketen gibt es immer noch – vorausgesetzt, alles ist vermietet. Walter Rasch erwarb für die Immobilienfirma HPE 2200 frühere Werkswohnungen in der Siemensstadt. Um die Renditen aufzubessern, würden den Mietern Wohnungen zum Kauf angeboten. Der größte Teil des Bestandes bleibe jedoch im Eigentum der mit Kapital von US-Fonds versorgten HPE. Über den Wohnungsmarkt sagt Rasch aber: „Der Neubau ist tot, das rechnet sich selten.“

Vielleicht, weil es in Berlin viele schöne, oft preiswerte Wohnungen in Altbauten der Jahrhundertwende gibt, wie sie Bausenator Strieder liebt. Seinem Kiez hat der bekennende Kreuzberg nun aber doch den Rücken gekehrt. Nachdem Strieders Adresse durch alle Gazetten gegangen war, riet ihm der frühere Justizsenator Wolfgang Wieland aus Sicherheitsgründen umzuziehen. Nun lebt der Bausenator im Nachbarbezirk Schöneberg – „in einem traditionellen Altbau“, sagt er.

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