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Es war einmal: Alte Nachtspeicheröfen sind wahre Stromfresser.

© Karl-Josef Hildenbrand/dpa

Infrarotheizungen: Wenn der Heizkörper an der Decke klebt

In Spandau wird ein neuartiges Elektro-Flächenheizungssystem eingesetzt. Es soll effektiver arbeiten als eine Nachtspeicherheizung.

Die Gegend zwischen Heerstraße und Magistratsweg in Spandau gehört nicht zu den bevorzugten Wohngebieten Berlins. Trotzdem macht die frisch sanierte Wohnung in einem der schmucklosen Bauten aus dem Jahr 1970 einen freundlichen Eindruck. Nur: Wo sind eigentlich die Heizkörper? Ist etwa eine Fußbodenheizung eingebaut worden? Nein, das nicht. Beheizt wird die Wohnung vielmehr über eine neuartige Folie, die an den Zimmerdecken angebracht und ans Stromnetz angeschlossen ist.

Diesem Flächenheizungssystem, das erstmals in großem Stil im Spandauer Bestand des Wohnungsunternehmens Westgrund zum Einsatz kommt, könnte eine große Zukunft beschieden sein. Gedacht ist es nämlich in erster Linie als Alternative zu Nachtspeicherheizungen, von denen es in Deutschland noch immer etwa 1,5 Millionen gibt.

Solche Nachtspeicher wurden einst von der Politik in großem Stil gefördert. Seit Langem aber gelten sie als ineffizient, umweltschädlich und teuer. Zwischenzeitlich sah der Bund sogar vor, Nachtspeicherheizungen bis 2019 außer Betrieb zu nehmen; 2013 rückte er vom geplanten Verbot wieder ab.

Der Vorteil: Wartungskosten entfallen

Das System, das die in Berlin ansässige Deutsche Energiesysteme GmbH entwickelt hat und unter dem Namen Aelectra vertreibt, hat aus Sicht der Vermieter mehrere Vorteile. „Wir können die Wohnungen einzeln auf das neue Heizsystem umstellen“, sagt Westgrund-Vorstand Arndt Krienen. Es müssen also keine neuen Leitungen gelegt und keine zentralen Heizanlagen geschaffen werden.

In diesem Hochhaus in Spandau werden die neuartigen Heizfolien eingebaut.
In diesem Hochhaus in Spandau werden die neuartigen Heizfolien eingebaut.

© Westgrund

Krienens Unternehmen ersetzt in Spandau die Nachtspeicheröfen immer dann, wenn ein Mieter auszieht und die Wohnung ohnehin saniert wird. Außerdem ist die Umstellung günstig: Die Kosten für eine 70 Quadratmeter große Wohnung betragen nach Herstellerangaben ungefähr 6000 Euro. Eine Gasetagenheizung würde laut Krienen zwar nur 4500 Euro kosten, in der Folge jedoch zusätzlich im Unterhalt Ausgaben verursachen.

Auch die Installation ist einfach: Die hauchdünne Folie aus einem Carbon-Verbundmaterial können geschulte Maler verlegen. Es handelt sich dabei um Bahnen, die an der Wand oder an der Decke angebracht und anschließend übermalt werden. Dann muss sie nur noch ein Elektroinstallateur an den Strom anschließen. Weil das System im Niederspannungsbereich (24 bis 36 Volt) arbeitet, lässt es sich auch in Bädern gefahrlos einsetzen.

Im besten Fall sinken die Heizkosten um die Hälfte

Der Stromverbrauch gegenüber der Nachtspeicherheizung verringert sich nach Angaben von Robert Karas, Geschäftsführer der Deutsche Energiesysteme GmbH, dadurch um ein Drittel. „Wenn der Mieter die Anlage verantwortungsbewusst regelt, ergibt sich ein weiteres Einsparpotenzial von 18 Prozent“, sagt Karas. Im besten Fall reduzieren sich so die Heizkosten für die Mieter um die Hälfte. Die Kosten des Heizungstauschs werden hingegen nicht auf die Miete umgelegt, versichert Westgrund-Chef Krienen.

Doch wird die Wohnung auch wirklich warm? Die Mieter der wenigen Wohnungen, deren Heizung bereits vor dem vergangenen Winter umgestellt wurde, seien sehr zufrieden, heißt es bei Westgrund. Vor allem seien die Bewohner überrascht, dass die Räume gleichmäßig warm würden.

Dass die Folien an der Decke angebracht sind, ist dabei kein Problem, erläutert Entwickler Karas: Entgegen der weitverbreiteten Ansicht steige nicht Wärme auf, sondern nur warme Luft. Zudem reagiert laut Karas das System sehr schnell und erreicht binnen 60 Sekunden die maximale Oberflächentemperatur von 33 Grad, wobei die elektrische Energie in Infrarotwärme umgewandelt wird. Die Raumtemperatur kann der Mieter individuell regeln.

Stromheizungen als Partner der Energiewende

Es war einmal: Alte Nachtspeicheröfen sind wahre Stromfresser.
Es war einmal: Alte Nachtspeicheröfen sind wahre Stromfresser.

© Karl-Josef Hildenbrand/dpa

Dass es sich beim neuen System um mehr als einen Marketinggag handelt, bestätigt Ingrid Vogler, Energieexpertin beim GdW Bundesverband deutscher Wohnungs- und Immobilienunternehmen. „Für Mieter kann das System beim Austausch einer Nachtspeicherheizung tatsächlich Vorteile haben“, urteilt sie. „Es spart Platz, sorgt für eine angenehme Temperatur und kann die Heizkosten reduzieren.“

Möglichkeiten bietet das System darüber hinaus in Bezug auf die Integration erneuerbarer Energien, wie Sascha Burucker von der Deutsche Energiesysteme GmbH erläutert. Im Rahmen eines Modellprojekts mit einem Einfamilienhaus will das Unternehmen beweisen, dass sich das System mit dezentraler Energieerzeugung (zum Beispiel einer Fotovoltaikanlage) und einem Stromspeicher kombinieren lässt. Der vor Ort erzeugte Strom könnte dann im Gebäude selbst verbraucht werden.

Damit reiht sich das neue System ein in die Bemühungen, die in der Fachwelt unter dem Begriff „Power to Heat“ (Strom zu Wärme) laufen. Hintergrund ist der Umstand, dass Stromproduktion und -verbrauch zeitlich oft auseinanderklaffen.

Wenn beispielsweise an Weihnachten starker Wind weht und die Windräder jede Menge Strom produzieren, gibt es gar keine Abnehmer für so viel Strom. Diese „Lücke zwischen Energieproduktion und -verbrauch“ führe zu Netzinstabilität, heißt es deshalb beim Verband der Elektrotechnik Elektronik Informationstechnik (VDE). „Zwei Systeme, die dies bei einer intelligenten Kombination verhindern können, sind dezentrale Stromspeicher und elektrische Wärmeerzeuger“, schreibt der VDE in einer aktuellen Studie.

RWE betreibt das Pilotprojekt Windheizung

Der VDE empfiehlt deshalb die Rückkehr zur Stromheizung. Auch für das Klima ist Heizen mit regenerativem Strom besser als mit Öl oder Gas.

Die Energiekonzerne nehmen die Anregung bereitwillig auf. So testete beispielsweise RWE mit seinem Pilotprojekt Windheizung in Meckenheim und Essen ein Modell, bei dem vorhandene Elektrospeicherheizungen zeitlich flexibel mit Wind- und Sonnenstrom versorgt wurden.

Der Energieriese Eon hat ein Tarifmodell entwickelt, das nicht nur den Spandauer Mietern, sondern auch anderen Kunden offensteht, die mit Strom heizen. Der sogenannte Wärmestrom Öko 2018 stammt aus Wasserkraftwerken und kostet 17,48 Cent pro Kilowattstunde.

Projektleiter Carsten Hofmann (links) und Dr. Dietmar Gollnick, Geschäftsführer von e*Message, präsentieren das von ihnen entwickelte Steuerungsgerät für Stromheizungen.
Projektleiter Carsten Hofmann (links) und Dr. Dietmar Gollnick, Geschäftsführer von e*Message, präsentieren das von ihnen entwickelte Steuerungsgerät für Stromheizungen.

© Thilo Rückeis

Vom Berliner Unternehmen e*Message stammt eine technische Lösung: Mit einem Aufsatz für Stromzähler kann der Stromlieferant Vattenfall Nachtspeicheröfen kurz an- und abschalten, um Spannungsschwankungen auszugleichen.

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