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Immobilien: Kein Aprilscherz: Berlin erhöht die Grunderwerbssteuer Steigerung um 11,1 Prozent ab 1.4.2012.

Heftige Kritik von den Bauherren.

Ein bisschen Tempo kann jetzt nicht schaden. Hans-Gerd K. und seine Frau Rena wollen sich ein Eigenheim kaufen und sind mit den wichtigsten Dingen durch: Bei der Hausauswahl waren sich beide schnell einig, auch die Finanzierung steht inzwischen. 225 000 Euro sind für Berliner Verhältnisse noch nicht einmal besonders hoch gegriffen. Wenn sie jetzt noch bis zum 31. März, einem Sonnabend, den Kaufvertrag vor dem Notar unterschreiben, dann können sie noch einen Batzen Geld sparen. Berlin erhöht die Grunderwerbssteuer vom 1. April 2012 an von 4,5 auf volle fünf Prozent.

Verbände, die die Interessen von Bauherren, Grundstücksbesitzern oder Immobilienunternehmen vertreten, kritisieren den Berliner Vorstoß heftig, verlangen eine weniger rabiate Besteuerung.

Der Verband Berlin-Brandenburgischer Wohnungsunternehmen e. V. (BBU) schlug Anfang Februar vor, die dadurch erwarteten jährlichen Mehreinnahmen von fünfzig Millionen Euro für die Aktivierung von Leerstandspotenzialen und zur Finanzierung innovativer wohnungspolitischer Instrumente zu nutzen. Als sinnvolle Einsatzmöglichkeiten für die Mehreinnahmen nannte BBU-Vorstand Maren Kern die Anschubfinanzierung für einen Bürgerbaufonds, die Verlängerung der S-Bahnlinie nach Falkensee sowie den Ausbau der U-Bahnlinie 8 bis zum Märkischen Viertel. Auch eine weitere Aufwertung von Marzahn-Hellersdorf sei denkbar.

Jede Anhebung der Taxe sei „eine Politik gegen den Hauserwerb“, klagt der Steuerjurist Stefan Walter vom Eigentümerverband Haus & Grund in Berlin. Man dürfe sich nicht wundern, dass die Eigentumsquote in Deutschland und besonders in Berlin auf niedrigem Niveau bleibe.

Private Immobilienkäufer werden hart belastet und müssen diese hohen Nebenkosten aus dem Eigenkapital tragen, weil sie dafür – im Gegensatz zu Grundstück und Baukosten – in aller Regel keine Finanzierung bekommen. Die großen Immobilienunternehmen in Berlin kennen das Thema von einer anderen Seite: Die hohe Steuerlast macht Fusionen und Übernahmen zunehmend zu einem Renditeabenteuer – so steht es in einer aktuellen Projektstudie des Rheinisch-Westfälischen Institutes für Wirtschaftsforschung (RWI), auf die Haus & Grund verweist. Und natürlich landen die Steuerlasten in den Kalkulationen der Vermieter – als hätten die Berliner nicht schon genug Stress mit steigenden Mieten.

Trotz aller Kritik – Berlin erhöht den Steuersatz. In der Baukostenrechnung der Familie K. sieht das so aus. Die Grunderwerbsteuer bis zum 31. März macht 10 125 Euro aus, tags drauf würde der Fiskus schon 1125 Euro mehr verlangen. Familie K. hat noch 42 Tage Zeit. Immobilienmakler wissen das Argument mit der Grunderwerbssteuer zu schätzen, wenn sie Interessenten zu einem Abschluss dirigieren wollen; seriöse Vermittler werden allerdings immer festhalten, dass man wegen dieser Frist auf keinen Fall überstürzt kaufen sollte.

Der Termin steht, ganz gleich wie lange sich die Berliner Abgeordneten mit der Beratung des Steueränderungsgesetzes Zeit lassen werden. Es bleibt beim 1. April 2012, auch rückwirkend. Berlins Finanzsenator Ulrich Nußbaum muss mit jedem Heller rechnen, um seinen Haushalt im Griff zu behalten. Die Anhebung der Grunderwerbssteuer um einen halben Prozentpunkt wirkt sich viel drastischer aus, als es zunächst scheinen mag – das ist eine Erhöhung um reale 11,1 Prozent. Damit hält der Finanzsenator die „pole position“ bei den Baupreissteigerungen im Jahr 2012. Fünf Prozent Grunderwerbsteuer zur Haushaltssanierung, das war das höchste der Gefühle für den CDU-Part in der Landesregierung. Die SPD hätte sogar den Steuersatz für Hauskäufer auf sieben Prozent steigern wollen. Stefan Walter sieht das, wie er sagt, „mit großem Unbehagen“. Seit 2007 können die einzelnen Bundesländer die Grunderwerbssteuer selbst festsetzen. „Das sollte eigentlich eine Art Wettbewerb um Investitionen zwischen den Ländern auslösen“, moniert der Verband Haus & Grund. Aber für die meisten gebe es nur eine Richtung – nach oben. Inzwischen verlangen, Berlin schon mit eingerechnet, bereits fünf Bundesländer stolze fünf Prozent Steuern für den Grunderwerb, andere 4,5 Prozent. Bayern, Hessen, Mecklenburg-Vorpommern, Rheinland-Pfalz, Schleswig-Holstein und Sachsen sind zunächst noch bei den ursprünglichen 3,5 Prozent geblieben. Diese Steuerquelle sprudelt heftig. Die Länder profitierten 2011 stark von der vielfach erhöhten Grunderwerbssteuer, die bundesweit ein Plus von 20,3 Prozent einbrachte. „Außerdem“, erinnert Steuerjurist Walter, „fließt die Grunderwerbssteuer nicht in die Berechnungen zum Länderfinanzausgleich ein.“ So viel Chuzpe ärgert die Zahlväter beim Finanzausgleich – Bayern, Hessen und Baden-Württemberg – erst recht.

Grundsätzlich muss jeder Immobilienkäufer die Grunderwerbsteuer entrichten – und erst wenn das Finanzamt zufriedengestellt ist, darf der neue Besitzer in das Grundbuch eingetragen werden. Fällig wird die Grunderwerbssteuer sowohl beim Kauf von Gebäuden als auch von Grundstücken. Wird ein Grundstück im Erbbaurecht vergeben, dann kapitalisiert das Finanzamt den Erbpachtzins; in aller Regel ist das günstiger als bei einem Kauf.

Doch es gibt auch Ausnahmen. Beim Immobilienerwerb unter Ehegatten oder eingetragenen Lebenspartnern bleibt die Transaktion frei von Grunderwerbssteuern. Auch dann, wenn bei einer Scheidung oder Trennung Grundstücke zum Vermögensausgleich übertragen werden. Steuerfrei sind auch Verkäufe unter Verwandten, die in gerader Linie voneinander abstammen; das gilt auch für die jeweiligen Ehegatten oder Lebenspartner. Adoptionen entsprechen diesem Verwandtschaftsgrad.

Grundstückserwerb von Todes wegen, also die Erbschaft von Immobilien, oder Schenkungen sind ebenfalls generell von der Grunderwerbssteuer befreit – allerdings greifen hier die Vorschriften der Erbschafts- oder Schenkungssteuer. Wichtig ist aber: Wird – was so selten gar nicht ist – erhebliches Immobilienvermögen an eine Erbengemeinschaft übertragen, so sollte immer ein Steuerberater oder versierter Rechtsanwalt zu Rate gezogen werden. Sonst könnten bei späteren Erbauseinandersetzungen Steuervergünstigungen verloren sein.

Bei Bagatellverkäufen winkt der Fiskus allerdings ab, es gibt eine Freigrenze für Grundstückskäufe bis 2500 Euro. Denn selbst nach den neuen Berliner Steuersätzen kämen dabei nie mehr als 125 Euro an Steuern heraus – dafür macht sich niemand im Finanzamt gerne krumm.

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